III. Von dem System aller Vermögen des
menschlichen Gemüts
Wir können alle Vermögen des menschlichen Gemüts ohne Ausnahme auf die drei zurückführen: das Erkenntnisvermögen, das Gefühl der Lust und Unlust und das Begehrungsvermögen. Zwar haben Philosophen, die wegen der Gründlichkeit ihrer Denkungsart übrigens allen Lob verdienen, diese Verschiedenheit nur für scheinbar zu erklären und alle Vermögen aufs bloße Erkenntnisvermögen zu bringen gesucht. Allein es läßt sich sehr leicht dartun und seit einiger Zeit hat man es auch schon eingesehen, daß dieser, sonst im echten philosophischen Geiste unternommene Versuch, Einheit in diese Mannigfaltigkeit der Vermögen hineinzubringen, vergeblich sei. Denn es ist immer ein großer Unterschied zwischen Vorstellungen, so fern sie, bloß aufs Objekt und die Einheit des Bewußtseins derselben bezogen, zum Erkenntnis gehören, imgleichen zwischen derjenigen objektiven Beziehung, da sie, zugleich als Ursach der Wirklichkeit dieses Objekts betrachtet, zum Begehrungsvermögen gezählt werden, und ihrer Beziehung bloß aufs Subjekt, da sie für sich selbst Gründe sind, ihre eigene Existenz in demselben bloß zu erhalten und so fern im Verhältnisse zum Gefühl der Lust betrachtet werden; welches letztere schlechterdings kein Erkenntnis ist, noch verschafft, ob es zwar dergleichen zum Bestimmungsgrunde voraussetzen mag.
Die Verknüpfung zwischen dem Erkenntnis eines Gegenstandes und dem Gefühl der Lust und Unlust an der Existenz desselben, oder die Bestimmung des Begehrungsvermögens, ihn hervorzubringen, ist zwar empirisch kennbar gnug; aber, da dieser Zusammenhang auf keinem Prinzip a priori gegründet ist, so machen so fern die Gemütskräfte nur ein Aggregat und kein System aus. Nun gelingt es zwar, zwischen dem Gefühle der Lust und den andern beiden Vermögen eine Verknüpfung a priori herauszubringen, wenn wir ein Erkenntnis a priori, nämlich den Vernunftbegriff der Freiheit mit dem Begehrungsvermögen als Bestimmungsgrund desselben verknüpfen, in dieser objektiven Bestimmung zugleich subjektiv ein in der Willensbestimmung enthaltenes Gefühl der Lust anzutreffen. Aber auf die Art ist das Erkenntnisvermögen nicht vermittelst der Lust oder Unlust mit dem Begehrungsvermögen verbunden, denn sie geht vor diesem nicht vorher, sondern folgt entweder allererst auf die Bestimmung des letzteren, oder ist vielleicht nichts anders, als die Empfindung dieser Bestimmbarkeit des Willens durch Vernunft selbst, also gar kein besonderes Gefühl und eigentümliche Empfänglichkeit, die unter den Gemütseigenschaften eine besondere Abteilung erforderte. Da nun in der Zergliederung der Gemütsvermögen überhaupt ein Gefühl der Lust, welches, von der Bestimmung des Begehrungsvermögens unabhängig, vielmehr einen Bestimmungsgrund desselben abgeben kann, unwidersprechlich gegeben ist, zu der Verknüpfung desselben aber mit den beiden andern Vermögen in einem System erfodert wird, daß dieses Gefühl der Lust, so wie die beide andere Vermögen, nicht auf bloß empirischen Gründen, sondern auch auf Prinzipien a priori beruhe, so wird zur Idee der Philosophie, als eines Systems, auch (wenn gleich nicht eine Doktrin, dennoch) eine Kritik des Gefühls der Lust und Unlust, so fern sie nicht empirisch begründet ist, erfodert werden.
Nun hat das Erkenntnisvermögen nach Begriffen seine Prinzipien a priori im reinen Verstande (seinem Begriffe von der Natur), das Begehrungsvermögen in der reinen Vernunft (ihrem Begriffe von der Freiheit) und da bleibt noch unter den Gemütseigenschaften überhaupt ein mittleres Vermögen oder Empfänglichkeit, nämlich das Gefühl der Lust und Unlust, so wie unter den obern Erkenntnisvermögen ein mittleres, die Urteilskraft, übrig. Was ist natürlicher, als zu vermuten: daß die letztere zu dem erstern eben so wohl Prinzipien a priori enthalten werde. Ohne noch etwas über die Möglichkeit dieser Verknüpfung auszumachen, so ist doch hier schon eine gewisse Angemessenheit der Urteilskraft zum Gefühl der Lust, um diesen zum Bestimmungsgrunde zu dienen oder ihn darin zu finden, so fern unverkennbar: daß, wenn, in der Einteilung des Erkenntnisvermögens durch Begriffe, Verstand und Vernunft ihre Vorstellungen auf Objekte beziehen, um Begriffe davon zu bekommen, die Urteilskraft sich lediglich aufs Subjekt bezieht und für sich allein keine Begriffe von Gegenständen hervorbringt. Eben so, wenn, in der allgemeinen Einteilung der Gemütskräfte überhaupt, Erkenntnisvermögen sowohl als Begehrungsvermögen eine objektive Beziehung der Vorstellungen enthalten, so ist dagegen das Gefühl der Lust und Unlust nur die Empfänglichkeit einer Bestimmung des Subjekts, so, daß, wenn Urteilskraft überall etwas für sich allein bestimmen soll, es wohl nichts anders als das Gefühl der Lust sein könnte und umgekehrt, wenn dieses überall ein Prinzip a priori haben soll, es allein in der Urteilskraft anzutreffen sein werde.