Das Regiment Prinz Ferdinand
bis zur Kapitulation von Pasewalk, 29. Oktober
Wie Magdeburg Rendezvous vor Eröffnung der Feindseligkeiten gewesen war, so war es jetzt Sammelplatz für die bei Jena und Auerstedt geschlagenen, und nach dem Tode des Herzogs von Braunschweig beide dem Fürsten von Hohenlohe unterstellten Armeen. Auch unser Regiment Prinz Ferdinand nahm auf Magdeburg seinen Rückzug.44) Dem von Hoepfnerschen Werke »Der Krieg von 1806 und 1807«, das wie für die Schlacht bei Auerstedt, so auch für das unmittelbar Folgende meine Hauptquelle war, entnehme ich die nachstehenden, in der umfangreichen Gesamtdarstellung jener Vorgänge zerstreuten Notizen.
In der Nacht vom 15. auf den 16. Oktober marschierten die Musketierbataillone des Regiments nach Sondershausen. Am 21. finden wir sie bei Parchau in der Nähe von Burg, am 22. in Nielebock, Kreis Jerichow, am 23. in dem Bismarckschen Schönhausen, ebenfalls Kreis Jerichow, am 24. in Schrepkow, Ostpriegnitz, am 25. in Wittstock hart an der mecklenburgischen Grenze.
Diesen ganzen Marsch vom 21. bis 25. hatte das Regiment im Brigadeverbande gemacht, und zwar innerhalb der Brigade Hagen, die aus folgenden Truppenteilen bestand: Regiment Treuenfels, Regiment Prinz Ferdinand (in Stärke eines Bataillons), ein Bataillon Zenge, ein Bataillon Pirch.
Diese Brigade Hagen war samt mehreren Kavallerieregimentern dem General Schwerin unterstellt, der eine der vier Rückzugskolonnen der gesamten Hohenloheschen Armee kommandierte. Diese vier Rückzugskolonnen waren die folgenden:
1. Hauptkolonne, drei Divisionen stark. Bei dieser Kolonne befand sich Fürst Hohenlohe in Person, sowie Oberst von Massenbach.
2. Arrieregarde, der Hauptkolonne folgend, unter General von Blücher.
3. Rechte Seitenkolonne unter General von Schimmelpfennig.
4. Linke Seitenkolonne unter General Graf Schwerin.
Die Hauptkolonne, die zugleich die Zentrumskolonne war, marschierte über Ruppin, Gransee, Schönermark auf Prenzlau und kapitulierte hier.
Die Arrieregarde, General von Blücher, folgte bis Boitzenburg in der Uckermark. Hier erfuhr der genannte General die am selben Tage (28.) erfolgte Kapitulation der Hohenloheschen Hauptkolonne und bog sofort links-rückwärts aus, um einem gleichen Schicksal zu entgehen. Er erreichte Lübeck und besetzte es. Am 6. November stürmten die Franzosen die Stadt. Am 7. erfolgte die Kapitulation des Blücherschen Korps bei Ratkau.
Die rechte Seitenkolonne, General von Schimmelpfennig, hielt sich am Rhinluche hin, passierte Protzen, Walchow, Langen Rüthnick und Guten-Germendorf und hatte am 26. Oktober das Gefecht bei Zehdenick. Nach diesem Gefecht hörte alle Führung auf. Aber dies gestaltete sich eher zum Guten als zum Schlimmen, und so traf es sich denn, daß von dieser schlecht oder gar nicht geführten Kolonne mehr Truppenteile über die Oder entkamen als von irgendeiner anderen.
Die linke Seitenkolonne, General Graf Schwerin (die unsere), zog sich von Wittstock aus an der preußisch-mecklenburgischen Grenze hin bis über Mirow, Alt-Strelitz-Wesenberg, Hasselförde und Ruthenberg bis Pasewalk, wo sie nach unsagbaren Strapazen eintraf. Besonders hatte die Infanteriebrigade Hagen während dieser Märsche gelitten. Die Leute stürzten vor Hunger und Erschöpfung tot nieder. Der 26. oder 27., an dem man sechs Meilen marschierte, kostete der Brigade ein Drittel ihres Bestandes.
Um vier Uhr nachmittags am 28. Oktober – ich gebe nun Details, soweit solche zu finden waren – rückte die Infanteriebrigade Hagen in Pasewalk ein. Die Kavallerie bezog ein Biwak in der Nähe der Stadt. Gegen Abend erfuhr man die am selben Tage erfolgte Kapitulation Hohenlohes bei Prenzlau. Die Gemüter aller wurden dadurch nur noch bedrückter. Oberst von Hagen, der um diese Zeit an Stelle des Generals Grafen von Schwerin das Kommando der ganzen Kolonne, Kavallerie wie Infanterie, geführt zu haben scheint, berief alle Stabsoffiziere zu einer Konferenz. Man kam überein, trotz äußerster Erschöpfung der Mannschaften, am anderen Morgen um vier Uhr aufbrechen zu wollen, um dann über Löcknitz Stettin zu erreichen.
In der Nacht indes glaubte der Major Prinz Gustav von Mecklenburg-Schwerin vom Regiment Henckel- Kürassiere, welcher die Postenkette kommandierte, Bewegungen auf der Prenzlauer und Stettiner Straße wahrgenommen zu haben. Er ritt deshalb nach Pasewalk hinein und meldete dem Obersten von Hagen: die Kavallerie werde immer mehr vom Feinde eingeschlossen. Der Oberst fragte »was zu tun wäre?«, da die Pferde der Kavallerie zu ermattet seien, um ein Gefecht anzunehmen. Der Prinz antwortete »daß er nur in der Kapitulation einen Ausweg sähe«. So kam diese zustande. Die Bedingungen, die französischerseits durch den Großherzog von Berg gewährt wurden, gingen dahin, daß die Truppen das Gewehr strecken, die Offiziere auf ihr Ehrenwort entlassen und die Gemeinen in die Kriegsgefangenschaft abgeführt werden sollten. Es kapitulierten an dieser Stelle im ganzen 185 Offiziere und 4043 Mann, wovon 110 Offiziere und 2086 Mann auf die Kavallerie: Leibkarabiniers, Heising-, Holtzendorf-, Bünting- und Henckel- Kürassiere entfielen.
Der Rest, 75 Offiziere und 1957 Mann, war Infanterie von der Brigade Hagen, wie schon hervorgehoben: Regiment Treuenfels, je ein Bataillon Pirch und Zenge, und Trümmer vom Regiment Prinz Ferdinand.
Diese Trümmer unseres Ruppiner Regiments wurden nun, in Ausführung des betreffenden Kapitulationsparagraphen, in die Gefangenschaft abgeführt. Ruhmlos war das Ende. Das Schicksal des Ganzen bestimmte das Los des Einzelnen. Ein Gericht vollzog sich, zu groß, zu gewaltig, als daß sich die Krittelei der Menschen, tadelnd oder besserwissend, daran versuchen sollte. Dennoch bleibt wahr, was General von der Marwitz in seinen Memoiren über Pasewalk und Prenzlau geschrieben hat. »Diese Kapitulationen gaben das Signal zu allem was folgte; sie recht eigentlich überlieferten die Festungen. ›Der König hat keine Armee mehr, was helfen ihm noch einige Städte‹, so dachte jeder pflichtvergessene Kommandant. Die Kapitulationen pflanzten den Kleinmut in alle Herzen, streuten die Vorstellungen von Verrat unter das Volk und verbreiteten den jede Tatkraft lähmenden Gedanken, ›daß doch alles verloren‹ sei. Wie eine große mannhafte Tat fortwirkend Größeres erzeugt und aus Männern Helden macht, so sind auch umgekehrt mit der Vollbringung einer schmählichen Tat deren Folgen nicht abgeschlossen, sie bleibt verdammt, fortwährend Mattes und Schwaches zu erzeugen, wirkt wie ein schleichendes Gift und macht Männer zu Weibern.«
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44) Die beiden Grenadierkompanien des Regiments nahmen ihre Richtung auf Erfurt. Dort haben sie wahrscheinlich am 16. Oktober schon mitkapituliert.