Der alte Derfflinger
| Die Stettiner hatten sich unterfangen Eine Schere ausgehangen Dem Feldmarschall nur zum Hohn. »Wart, ich will euch auf der Stelle Nehmen Maß mit meiner Elle, Kreuzmillionenschocksschwernoth.« Lied vom Derfflinger
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Georg Freiherr von Derfflinger wurde den 10. März 1606 zu Neuhofen in Oberösterreich geboren. Die Bedrückungen, denen sich die der neuen Lehre zugetanen Eltern um ihres Glaubens willen ausgesetzt sahen, führten zu einer Übersiedelung nach Böhmen, dem damaligen »Protestantenlande«.
Wie hier die Jugend des jungen Derfflinger verlief, ist nur zu mutmaßen. »Er wuchs auf in Gottesfurcht und Redlichkeit, und sein Vater, um niemanden zu beschweren, ließ ihn Schneider werden.« So berichtet Pauli in seinem »Leben großer Helden« und aller entrüsteten Gelehrsamkeit zum Trotz ist es im Herzen des Volkes dabei geblieben. Und warum uns auch gewaltsam um jeden hübschen poetischen Zug in unseren Überlieferungen bringen!
Indessen Schneider oder nicht, keinesfalls war er es lange. Der Held steckte drin und wollte heraus. Dazu waren denn die damaligen Tage die besten Tage. Alles stand in Krieg, und Böhmen war sein eigentlicher Schauplatz. Wenigstens zu Beginn der Verwicklungen. Derfflinger trat als Gemeiner unter die Freischaren des Matthias von Thurn, machte alle Streifzüge mit und war mutmaßlich unter denen, die sich, nach Zersprengung des Korps, mit dem Führer desselben nach Ostpreußen wandten, um daselbst unter schwedischer Fahne weiterzukämpfen. Einzelheiten über diesen Abschnitt seines Lebens fehlen, ebenso über seine Teilnahme an den großen Kämpfen, die, nach der Landung Gustav Adolfs, in Sachsen und Mitteldeutschland folgten. Nichts verlautet über Lützen, Nördlingen, Wittstock, doch muß seine Stellung bereits um 1637 eine derartig befestigte gewesen sein, daß ein arger Echec, den er um eben diese Zeit erfuhr, sein Ansehn im schwedischen Heere nicht mehr erschüttern konnte. Im genannten Jahre nämlich befand er sich mit einer Armeeabteilung in Thüringen, und Banér ließ ihn auf seinem Weiterzuge zurück, um die Brandschatzungsgelder daselbst einzutreiben. Er lag in Hettstedt, eine Meile von Mansfeld, und hier war es, wo er von einem kaiserlichen Oberst namens Druckmüller mit 1000 Kroaten und 1500 Reitern überfallen wurde. Der Echec war ein totaler: 400 Mann wurden niedergehauen, 500 Mann gefangen, und nur mit Mühe gelang es ihm, sich mit etwa 60 Pferden durchzuschlagen. »Aber«, wie Pauli metaphorisch hervorhebt, »Unglücksfälle sind zuweilen einem Wasserdurchbruche gleich, wodurch ein Stein mit fortgeschwemmt wird, der auf einem Samenkorne lag. Und nun geht das Samenkorn auf und bestaudet sich nur um so stärker.« Jedenfalls wurde der Ausgang dieser Affäre, wie schon angedeutet, unserem Derfflinger nicht zum Übeln angerechnet, und als zwei Jahre später Leonhard Torstensson an die Spitze des Heeres trat, erfolgten besondere Vertrauensstellungen, darunter eine Mission an den siebenbürgischen Fürsten Georg Rákóczy, der in das Bündnis gegen den Kaiser hineingezogen und zu einer Diversion bestimmt werden sollte. Das Jahr darauf, unmittelbar nach der zweiten Leipziger Schlacht gegen Piccolomini, wurde Derfflinger nach Stockholm hin abgeschickt, um der Königin Christine mündlich die Siegesnachricht zu bringen, und dies mochte der Zeitpunkt sein, den Pauli, zu seinem Lieblingsbilde zurückgreifend, in folgenden Worten geschildert hat: »Bis dahin war Derfflinger einer Staude gleich gewesen, die neben unzähligen andern unbeobachtet fortwächset. Endlich aber kommt die Zeit, wo man gar besonderer Umstände an ihr gewahr wird. Denn sobald an einer Staude nicht nur ungewöhnlich viel Halme zu schießen beginnen, sondern jeder Halm auch Ähren von ungewöhnlicher Zahl und Länge treibt, pflegen wir unsere Freunde hinzuzuführen und auch Fremde kommen, um die völlige Reife dieser vorzüglichen Staude zu beobachten und zu bewundern.« So Pauli. Wo indessen viel Preis ist, ist auch viel Neid, und von diesem Augenblicke höchster Auszeichnung an scheint sich Derfflinger, wo nicht in seiner Stellung, so doch jedenfalls in seinem Behagen erschüttert gefühlt zu haben. So kam es denn, daß er unmittelbar nach dem Friedensschlusse seinen Abschied nahm und 1654 als ältester Generalwachtmeister und Regimentsinhaber in die Dienste Kurbrandenburgs trat, dem er, wie schon erwähnt, um diese Zeit ohnehin bereits durch seine Gemahlin und seine Besitzungen angehörte.
Und es sollt' ihm alsbald nicht an Gelegenheit fehlen, sich auch in seinem neuen Dienste geltend zu machen. Der Kurfürst – mit in den Krieg verwickelt, der damals zwischen König Karl Gustav X. von Schweden und dem Könige Johann Kasimir von Polen geführt wurde – fand es seinen politischen Zwecken entsprechend, auf die Seite Schwedens zu treten, und schlug mit ihm gemeinschaftlich die dreitägige, siegreiche Schlacht bei Warschau. Über den Anteil Derfflingers an diesem Siege liegen keine direkten Mitteilungen vor, doch wird über kleine Aktionen: Erstürmung des Klosters Prement und des Städtchens Bomst berichtet, die wahrscheinlich unter seiner speziellen Leitung ausgeführt wurden. Der Kurfürst erhob ihn zum Generalleutnant und wirklichen Geheimen Kriegsrat, zugleich unter der Zusicherung, »daß ihm im Kommando nur der Feldmarschall Sparr und der General Graf Waldeck vorangehen, sonst aber keiner ihm vorgezogen werden solle.«
Dies war 1656.
Die politische Lage verschob sich indessen rasch, und schon das Jahr darauf war aus dem Bündnisse mit Schweden gegen Polen ein Bündnis mit Polen gegen Schweden geworden. Die macchiavellistische Politik jener Zeit gestattete solche Sprünge, die wir heute verwerfen oder mindestens mehr verkleiden würden. Der Krieg wurde wechselweis in Pommern und Dänemark geführt, Derfflinger war mit vor Alsen und Tönningen, auch wohl vor Fünen, und schickte sich eben zu weiteren Operationen an, als der Friede zu Oliva 1660 den Feindseligkeiten ein Ende machte.
Es folgen nun vierzehn Friedensjahre,29) bis 1674 das mit immer neuen Ansprüchen an Kaiser und Reich hervortretende Frankreich den Kurfürsten abermals zu Felde rief. Er brach mit 16000 Mann an den Oberrhein auf und vereinigte sich bei Straßburg mit dem kaiserlichen Oberfeldherrn Herzog von Bournonville. Mit ihm war Derfflinger. Beider Truppen bezogen ein Lager bei Bläsheim. Am 8. Oktober ging man über den Breuschfluß und nahm hier, angesichts des gelagerten Feindes, eine Stellung. Bournonville befehligte den rechten, der Kurfürst den linken Flügel. Der Feind war nicht stark und diesseitig erwartete man den Befehl zum Angriff. Ja mehr, man drang darauf. Aber Bournonville suchte Ausflüchte und hob insonderheit hervor, daß ein breiter und tiefer Graben vor der Front des Feindes läge. Der Kurfürst ließ nun Brücken über den Graben schlagen und leitete seinerseits das Gefecht durch ein paar Stückkugeln ein, ohne jedoch den Oberfeldherrn durch ein solches Vorgehen umstimmen zu können. Es wurde vielmehr ein Kriegsrat einberufen, der erst die Frage: »Angriff oder nicht« entscheiden sollte. Derfflinger war zugegen und nahm das Wort. »Er habe den Feind zweimal rekognosziert und eine bessere Gelegenheit ihn anzugreifen sei nicht denkbar.« Aber Bournonville beharrte bei seiner entgegengesetzten Ansicht. Im Zorn erhob sich jetzt der Alte und erklärte, dem Kriegsrat nicht länger beiwohnen zu wollen. Unter ähnlichen Streitigkeiten vergingen Wochen und Monate, bis endlich, am 4. Januar 1675, der Kurfürst aufbrach, um in Franken die Winterquartiere zu beziehen.
Hier lag er noch in der Nähe von Schweinfurt, als ihm in der letzten Maiwoche die Nachricht kam, daß die Schweden, als Verbündete Frankreichs, in die Kurmark eingebrochen seien und schlimmer als in den Zeiten des Dreißigjährigen Krieges darin hausten. Sofort brach der Kurfürst auf, um seinem bedrängten Lande zu Hilfe zu eilen. Mit ihm Derfflinger, der am 14. Juni vor Rathenow erschien und am 15. die vom Obersten Wangelin verteidigte Stadt im Sturme nahm. Unverzüglich ging es weiter, quer durch das Luch auf Cremmen und Linum und zuletzt auf Fehrbellin zu. Die sich nun entspinnende Schlacht, in der sich namentlich auch Derfflinger durch Scharfblick und Selbständigkeit des Urteils auszeichnete, geb' ich nach den Aufzeichnungen, die der kurfürstliche Kammerjunker Dietrich Sigismund von Buch in seinem Tagebuche darüber gemacht hat.
»... Se. kurfürstl. Durchlaucht sagten mir am 17., ich solle ihn in der Schlacht nicht verlassen, sondern immer bei seiner Person bleiben, und ich füge hinzu, daß dies Vertrauen, welches er mir zeigte, mich mehr verpflichtete, als hätte er mir tausend Thaler geschenkt. Er sagte auch, ich sollte aufmerksam sein, wenn jemand in der Hitze des Kampfes sich an ihn schliche, so daß sich niemand nähern könne, ohne daß ich Acht darauf hätte. Ich antwortete ihm, daß ich alles thun würde, was ein anständiger Mann thun könne. Da sagte Se. K. Durchlaucht: ›Ja, ich weiß es, daß ihr es thut und ihr habt es bis jetzt immer gethan.‹
Nachdem wir noch eine gute Stunde marschirt waren, ließ uns Generalmajor Lüdecke – der an diesem Tage die Avantgarde führte – sagen, daß der Feind zum größten Theil den Paß überschritten habe. Andere hielten noch in der geschlossenen Stadt; er bäte Se. Kurfürstl. Durchlaucht ihm Dragoner zu senden...« (Dies geschah. Generalmajor Lüdecke warf den Feind aus der Stadt hinaus und empfing von dem nachrückenden Kurfürsten Befehl, statt bloßer weiterer Verfolgung eine Tournierung und Überholung zu versuchen, um so die Flüchtigen zwischen zwei Feuer nehmen zu können. Dieses in Erwägung der Terrainbeschaffenheit sehr schwierige Manöver führte Generalmajor Lüdecke auch aus, ohne jedoch den vorgedachten Zweck zu erreichen. Das Tagebuch erwähnt dieses Scheiterns in aller Kürze. Und zwar wie folgt:...)
»Anderen Tages, am 18., brachen wir von dem Städtchen Cremmen her auf. Unterwegs stießen wir auf den uns entgegenkommenden G.-M. Lüdecke, der den sich eilig zurückziehenden Feind nicht mehr zu überflügeln vermocht hatte. Jetzt bat der Prinz von Homburg um die Avantgarde und nachdem er sie erhalten, folgte derselbige dem Feinde in gutem Trabe. Unterdessen berieth sich Se. K. D. mit Herrn Derfflinger, was unter diesen Umständen zu thun sei. Derfflinger war der Meinung, alle Brücken und Dämme zu zerstören, dadurch dem Feinde jeden Succurs, aber zugleich auch jeden Rückzug abzuschneiden und ihn auf diese Weise zu zwingen, in spätestens zwei Tagen um sein Leben zu bitten.
Das war ein guter Plan; aber Se. K. D. meinte, da man so nah am Feinde sei, müsse derselbe Fell oder Federn lassen, worauf der Feldmarschall Derfflinger antwortete: ›Wohlan Monseigneur, ich glaubte als General verbunden zu sein, meine Meinung zu sagen, welcher Art ich es für am vortheilhaftesten und sichersten hielte; aber wenn es Eure Hoheit gefällt die andre Meinung zu wählen, so hält mich dies nicht ab dem Feinde allen Schaden zu thun, wenn dies auch mit mehr Gefahr und größerem Wagniß verbunden ist.‹
Der Feind hatte mittlerweile, durch den Prinzen von Homburg gedrängt, seinen Rückzug immer weiter fortgesetzt, und stand jetzt bei dem Dorfe Hakenberg, zwischen Linum und Fehrbellin. Er sperrte den über das Plateau führenden Weg und hatte das Luch zur linken, ein Gehölz zur rechten Hand. In Nähe dieses Gehölzes befand sich ein kleiner Sumpf, daneben ein paar Sandhügel, auf deren Höhe Strauchwerk wuchs. An dieser Stelle drangen wir vor, postirten auf die Höhe der Sandhügel unsre Geschütze und gaben ihnen, da wir keine Infanterie zur Hand hatten, das Regiment Derfflinger-Dragoner zur Bedeckung, das an diesem Tage, da sein Oberstlieutenant bei Rathenow getödtet worden war, vom Capitain von Kottwitz geführt wurde. Bei jedem Geschütze standen 50 bis 100 Mann, einigermaßen durch die Büsche geschützt. Gleichzeitig stellten wir noch vier Schwadronen auf: eine von den Trabanten und drei vom Regiment Anhalt. Sie waren nicht gut placirt; aber wir mußten es, da das Fußvolk fehlte und wir die Geschütze nicht ohne Deckung lassen durften.
Der Prinz von Hessen-Homburg stand dem feindlichen linken Flügel gegenüber, also dem Luche zu.
Nun begannen wir unsere Geschütze spielen zu lassen. Der Feind indessen, als er wahrnahm, daß wir kein Fußvolk hatten, avancirte mit einem Infanterie- Regiment gegen unsere Hügelposition. Dies wurde von G. E.30) bemerkt. Er eilte sofort zum Generalfeldmarschall Derfflinger und sagte ihm: ›wenn er nicht schnell die vier Escadrons von den Trabanten und dem Regiment Anhalt unterstütze, würden die Geschütze verloren gehen.‹ Da er sich dabei ein gewisses Ansehen gab, welches dem Generalfeldmarschall Derfflinger nicht gefiel, so sagte dieser: ›er solle sich keine Sorgen machen, sondern nur thuen, was seine Schuldigseit sei.‹ Da ich mittlerweile sah, daß die Noth wirklich drängte, so sagte ich dem Feldmarschall, während ich zugleich um der Freiheit willen, die ich mir nahm, um Entschuldigung bat, daß die Feinde schon mit gefällten Piken vorrückten und daß es sich vielleicht empfehlen würde, zwei oder drei weitere Escadrons durch das kleine, ganz unbesetzte Holz vorrücken zu lassen, um die vier gefährdeten Escadrons, so wie die seines eigenen Regiments zu souteniren. Dies fand er gut. Er sagte mir also: ›Mein Herr, da Sie heute die Gegend recognoscirt haben, kennen Sie die Situation; und so bitte ich Sie, drei Escadrons, die Sie zuerst finden, durch das lichte Holz zu führen und die Geschütze dadurch besser zu decken.‹ Als ich drei Escadrons zur Hand hatte, begegnete ich dem Prinzen von Homburg. Er fragte mich ›wohin ich wolle‹, und als ich ihm die erhaltenen Befehle mittheilte, antwortete er mir ›er wolle mitgehen.‹ Und so nahm er das Commando. Es war die höchste Zeit. Denn die vier Escadrons von den Trabanten und dem Regiment Anhalt flohen bereits und schrien die Derfflinger-Dragoner um Hülfe an. Diese aber, die gewillt waren, sich bei den Geschützen niederhauen zu lassen, konnten ihnen keine Hülfe gewähren. In diesem Augenblicke war der Prinz von Homburg heran und attackirte das schwedische Fußvolk. Es war das Infanterie-Regiment Dalwig, früher Königsmark, und nachdem der Kampf eine Weile hin und her geschwankt hatte, wurde der Feind in Stücke gehauen. Nicht zwanzig Mann entkamen; sechzig oder siebzig wurden gefangen genommen, der Rest war getödtet. Unter ihnen der Commandeur, Oberstlieutenant v. Maltzahn. Er fiel an der Tête des Regiments. Dies war ein sehr tapferer Mann, der in großer Achtung bei den Schweden stand. Er starb ja auch gut.«
Ich breche hier die Mitteilungen aus »von Buchs Tagebuch« ab, da mir nur daran lag, aus jenen Mitteilungen das herauszugreifen, was in nähere Beziehung zu Derfflinger tritt.
Fehrbellin war geschlagen, aber der Krieg nicht beendet. Zur Strafe für den tückischen Angriff sollten die Schweden jetzt in ihren eigenen pommerschen Besitzungen angegriffen werden. Und in der Tat, am 9. November selbigen Jahres ward ihnen Wolgast entrissen, damals der »Schlüssel zu Stettin«. Der schwedische Feldmarschall Mardefeld versuchte zwar eine Wiedereroberung und drang auch, da der Frost alle Gräben mit Eis bedeckt hatte, mit stürmender Hand bis an die Festungswälle vor, als er jedoch zur Wiederholung des Sturmes schritt, erschien Derfflinger und entsetzte die Stadt.
So blieb Wolgast unser.
Freilich Anklam, Demmin und Stettin, dazu Rügen, Stralsund und Greifswald waren nach wie vor in Händen des Feindes, und es bedurfte noch einer beinah dreijährigen Kriegführung, ihnen auch diese Punkte zu entreißen.
Besonders bemerkenswert war die Eroberung von Rügen und Stralsund. Dabei wirkte die holländische Flotte mit. Auf einer Flotte von 210 Schiffen und 140 Booten – so schreibt Pauli – befand sich die kurfürstliche Macht. Den Oberbefehl führte Derfflinger. Der holländische Seeheld Tromp befand sich ebenfalls an Bord. Drüben auf Rügen befehligte Graf Königsmark die feindlichen Streitkräfte. Am 13. September setzten sich die diesseitigen Boote auf die Insel zu in Bewegung. Königsmark ließ sie mit acht Kanonen angreifen, aber sie landeten und ihre Mannschaften erstiegen das Ufer. Zuletzt war auch Reiterei drüben. Derfflinger setzte sich an die Spitze derselben, nahm den Schweden eine Standarte und 200 Gefangene ab und vertrieb den Rest von der Insel. An diese Wegnahme Rügens schloß sich die von Stralsund. Ende September erfolgte die Zernierung und am 10. Oktober eröffnete der berühmte Artillerieoberst Ernst Weiler das Bombardement. Und zwar aus 80 Halbkartaunen, 22 Mörsern und 50 Haubitzen. Schon mit anbrechendem Morgen stand die Stadt in Flammen, und man sah alsbald drei weiße Fahnen auf Mauern und Türmen. Derfflinger ritt mit einem Trompeter heran, um die Meinung der Stadt zu hören, aber man wollte von Kapitulation nichts wissen, und so begann um neun Uhr die Beschießung von neuem. Und nun erschienen Abgesandte der Stadt. Die Verhandlungen wurden eingeleitet, und am 20. hielt der Kurfürst seinen sieghaften Einzug.
Diesem pommerschen Kriege, der von 1675 bis 1678 gedauert hatte, folgte wenige Monate später der so berühmt gewordene Feldzug in Ostpreußen. General Horn war von Livland aus über den Njemen gegangen und bedrohte Königsberg, und wie der Kurfürst im Mai 1675 in fliegender Eile von Schweinfurt aufgebrochen war, um die Schweden aus der Kurmark zu jagen, so brach er jetzt im Januar 1679 von Berlin her auf, um denselben Feind aus Ostpreußen hinaus zu werfen. »Der Schrecken ging vor ihm her und der Sieg war sein Begleiter.« Die Schweden retirierten und Derfflinger, ihnen den Rückzug abzuschneiden, ging in Schlitten über das Kurische Haff. Aber es gelang nur, ihren Nachtrab einzuholen. Daß sie nichtsdestoweniger beinah völlig vernichtet wurden, war den Strapazen und der Kälte zuzuschreiben. Ausführlicher über diesen Feldzug habe ich weiterhin in dem Kapitel Tamsel berichtet.
Endlich war wieder Frieden und eine Reihe stiller Jahre begann, bis abermalige Zerwürfnisse mit Frankreich auch abermals an den Rhein und im Laufe des Feldzuges zur Belagerung von Bonn führten. Das war 1689. »Dieser Tage«, so heißt es in dem Belagerungsjournal, »ist der alte Feldmarschall Derfflinger angekommen«, und anderen Aufzeichnungen entnehmen wir, »daß nach Ankunft des Feldmarschalls dann und wann eine Kriegskonferenz gehalten wurde.« Bald darauf ergab sich die Stadt. Am 10. Oktober.
Das alles war wie der Nachklang eines kriegerischen Lebens und der nun dreiundachtzigjährige Derfflinger zog sich »des Treibens müde« in sein ihm immer lieber gewordenes Gusow zurück. Er lebte hier ganz seinen nächsten Interessen, vor allem aber der Verschönerung und Pflege seines Parkes. Hof und Haus waren seine Welt geworden. Am 4. Februar 1695 starb er und wurde, seinem letzten Willen gemäß, in dem schon fünfundzwanzig Jahre vorher von ihm erbauten Erbbegräbnisse beigesetzt »ohne Gepränge und ohne Lobrede auf sein Leben und seine Taten.« Der Geistliche – Salomon Sannovius – hatte sich in seiner Predigt auf den Ausspruch zu beschränken »Gott habe den Entschlafenen in fast fünfundsiebzigjährigen Kriegsdiensten von der niedrigsten bis zur höchsten Stufe gelangen lassen.«
Kurfürst Friedrich III. ließ seinem Feldmarschall zu Ehren eine Gedächtnismünze prägen, die auf der einen Seite Derfflingers Porträt, auf der andern sein Wappen zeigt. Darunter ein Mars und ein Herkules mit der Umschrift: His Majoribus. »Durch diese Ahnen.«
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29) Eine kurze Kriegführung, die durch den Frieden zu Vossem 1673 beigelegt wurde, habe ich in vorstehendem unerwähnt gelassen.
30) Das Tagebuch, wie sehr oft, gibt auch hier nur Buchstaben statt des Namens. Wahrscheinlich soll es heißen: General d'Espence. Dieser war Oberstallmeister und Kommandeur der hier mit einer Eskadron engagierten Trabantengarde. In dieser Doppelstellung mocht' er glauben, dem alten Feldmarschall gegenüber eine freiere Sprache führen zu dürfen.