III. Grandville oder die Weltausstellungen
»Oui, quand le monde entier, de Paris jusqu’en Chine,
O divin Saint-Simon, sera dans ta doctrine,
L’âge d’or doit renaître avec tout son éclat,
Les fleuves rouleront du thé, du chocolat;
Les moutons tout rôtis bondiront dans la plaine,
Et les brochets au bleu nageront dans la Seine;
Les épinards viendront au monde fricassés,
Avec des croûtons frits tout autour concassés;
Les arbres produiront des pommes en compotes,
Et l’on moissonnera des carricks et des bottes;
Il neigera du vin, il pleuvra des poulets,
Et du ciel les canards tomberont aux navets.«
Langlé et Vanderburch: Louis-Bronze et le Saint-Simonien
(Théâtre du Palais-Royal 27 février 1832)
Weltausstellungen sind die Wallfahrtsstätten zum Fetisch Ware. »L’Europe s’est déplacé pour voir des marchandises«, sagt Taine 1855. Den Weltausstellungen gehen nationale Ausstellungen der Industrie vorher, von denen die erste 1798 auf dem Marsfelde stattfindet. Sie geht aus dem Wunsch hervor, »die Arbeiterklassen zu amüsieren und wird für dieselben ein Fest der Emanzipation«. Die Arbeiterschaft steht als Kunde im Vordergrund. Der Rahmen der Vergnügungsindustrie hat sich noch nicht gebildet. Das Volksfest stellt ihn. Chaptals Rede auf die Industrie eröffnet diese Ausstellung. – Die Saint-Simonisten, die die Industrialisierung der Erde planen, nehmen den Gedanken der Weltausstellungen auf. Chevalier, die erste Autorität auf dem neuen Gebiet, ist Schüler von Enfantin und Herausgeber der saint-simonistischen Zeitung »Globe«. Die Saint-Simonisten haben die Entwicklung der Weltwirtschaft, nicht aber den Klassenkampf vorausgesehen. Neben ihrem Anteil an den industriellen und kommerziellen Unternehmungen um die Jahrhundertmitte steht ihre Hilflosigkeit in den Fragen, die das Proletariat betreffen.
Die Weltausstellungen verklären den Tauschwert der Waren. Sie schaffen einen Rahmen, in dem ihr Gebrauchswert zurücktritt. Sie eröffnen eine Phantasmagorie, in die der Mensch eintritt, um sich zerstreuen zu lassen. Die Vergnügungsindustrie erleichtert ihm das, indem sie ihn auf die Höhe der Ware hebt. Er überläßt sich ihren Manipulationen, indem er seine Entfremdung von sich und den andern genießt. – Die Inthronisierung der Ware und der sie umgebende Glanz der Zerstreuung ist das geheime Thema von Grandvilles Kunst. Dem entspricht der Zwiespalt zwischen ihrem utopischen und ihrem zynischen Element. Ihre Spitzfindigkeiten in der Darstellung toter Objekte entsprechen dem, was Marx die »theologischen Mucken« der Ware nennt. Sie schlagen sich deutlich in der »spécialité« nieder – eine Warenbezeichnung, die um diese Zeit in der Luxusindustrie aufkommt. Unter Grandvilles Stift verwandelt sich die gesamte Natur in Spezialitäten. Er präsentiert sie im gleichen Geist in dem die Reklame – auch dieses Wort entsteht damals – ihre Artikel zu präsentieren beginnt. Er endet im Wahnsinn.
»Mode: Herr Tod! Herr Tod!«
Leopardi: Dialog zwischen der Mode und dem Tod
Die Weltausstellungen bauen das Universum der Waren auf. Grandvilles Phantasien übertragen den Warencharakter aufs Universum. Sie modernisieren es. Der Saturnring wird ein gußeisener Balkon, auf dem die Saturnbewohner abends Luft schöpfen. Das literarische Gegenstück dieser graphischen Utopie stellen die Bücher des fourieristischen Naturforschers Toussenel dar. – Die Mode schreibt das Ritual vor, nach dem der Fetisch Ware verehrt sein will. Grandville dehnt ihren Anspruch auf die Gegenstände des alltäglichen Gebrauchs so gut wie auf den Kosmos aus. Indem er sie in ihren Extremen verfolgt, deckt er ihre Natur auf. Sie steht im Widerstreit mit dem Organischen. Sie verkuppelt den lebendigen Leib der anorganischen Welt. An dem Lebenden nimmt sie die Rechte der Leiche wahr. Der Fetischismus, der dem Sex-Appeal des Anorganischen unterliegt, ist ihr Lebensnerv. Der Kultus der Ware stellt ihn in seinen Dienst.
Zur pariser Weltausstellung von 1867 erläßt Victor Hugo ein Manifest »An die Völker Europas«. Früher und eindeutiger sind deren Interessen von den französischen Arbeiterdelegationen vertreten worden, deren erste zur londoner Weltausstellung von 1851, deren zweite von 750 Vertretern zu der von 1862 abgeordnet wurde. Diese war mittelbar für die Gründung der Internationalen Arbeiter-Association von Marx von Bedeutung. – Die Phantasmagorie der kapitalistischen Kultur erreicht auf der Weltausstellung von 1867 ihre strahlendste Entfaltung. Das Kaiserreich steht auf der Höhe seiner Macht. Paris bestätigt sich als Kapitale des Luxus und der Moden. Offenbach schreibt dem pariser Leben den Rhythmus vor. Die Operette ist die ironische Utopie einer dauernden Herrschaft des Kapitals.