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I. Der »historische Sinn«

Noch ist die Menschheit nicht zum ständigen Bewußtsein ihres historischen Daseins erwacht. Nur zuzeiten befiel Einzelne und Völker die Erleuchtung, daß sie im Dienste einer unbekannten Zukunft stünden, und es wäre wohl denkbar, solche Erleuchtung als historischen Sinn zu bezeichnen. Aber die Gegenwart versteht darunter etwas ganz Anderes, und denen, die am mächtigsten vom Gefühl einer zukünftigen Aufgabe beseelt sind, wirft sie »Mangel an historischem Sinn« vor. Denn so nennt sie den Sinn für das Bedingte, nicht für das Unbedingte, für das Gegebene, nicht für das Aufgegebene. So stark ist der »historische Sinn« der Zeit, dieser Sinn für Fakten, Gebundenheit und Vorsicht, daß sie vielleicht ganz besonders arm ist an eigentlich »historischen Ideen«. Diese nennt sie meist »Utopien« und läßt sie an den »ewigen Gesetzen« der Natur scheitern. Sie verwirft eine Aufgabe, die nicht in ein Reformprogramm gefaßt werden kann, die eine neue Bewegung der Geister fordert und ein radikales Neu-Sehen. In einer solchen Zeit muß die Jugend sich fremd fühlen und auch machtlos. Denn ein Programm hat sie noch nicht. Da erstand Gerhart Hauptmann ihr als ein Befreier.