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III. Die Jugend und die Geschichte

Schule und Haus schieben unsere ernstesten Gedanken als Phrase beiseite. Unsere Furcht vor dem Oberlehrer ist fast symbolisch; er mißversteht uns beständig, erfaßt nur unsere Buchstaben, nicht uns ern Geist. Wir sind furchtsam vor vielen Erwachsenen, denn sie nehmen peinlich genau, was wir sagen, aber nie verstehen sie, was wir meinen. Sie schulmeistern die Gedanken, die noch kaum in uns selber entstanden.

Nun wissen wir, daß Unklarheit kein Vorwurf ist, daß noch niemand, der Ernstes wollte, ein Programm für die Neugierigen und die Skeptiker bereit hatte. Zwar mangelt uns der »historische Sinn«. Aber doch fühlen wir uns blutsverwandt mit der Geschichte, nicht mit der vergangenen, sondern mit der kommenden. Wir werden nie die Vergangenheit verstehen, ohne die Zukunft zu wollen.

Die Schule macht uns indifferent, sie will uns sagen, Geschichte sei der Kampf zwischen dem Guten und Bösen. Und früher oder später setzt sich doch das Gute durch. Da hat es keine Eile mit dem Handeln. Die Gegenwart, sozusagen, ist nicht aktuell - die Zeit ist unendlich. Uns aber will scheinen, als sei Geschichte ein strengerer und grausamerer Kampf. Nicht um Werte, die schon feststehen - um Gutes und Böses. Sondern wir kämpfen für die Möglichkeit der Werte überhaupt, die ständig bedroht ist, für die Kultur, die in ewiger Krisis lebt: denn mit jeder Gegenwart werden die alten Werte älter; was Schwungkraft war wird Trägheit, Geist wird Dummheit. Und überdem geht das eine, größte historische Gut verloren: die Freiheit. Freiheit aber ist kein Programm, sondern nur erst der Wille dazu, eine Gesinnung.

Die Geschichte ist der Kampf zwischen den Begeisterten und den Trägen, den Zukünftigen und den Vergangenen, den Freien und Unfreien. Die Unfreien werden stets den Kanon ihrer Gesetze uns vorweisen können. Wir aber werden das Gesetz, unter dem wir stehen, noch nicht nennen können. Daß es Pflicht ist, fühlen wir. In diesem Gefühl wird die Jugend Mut haben zu dem, was die andern Phrase nennen. Sie wird handeln und mögen andere sie verworren nennen. Sie ist verworren wie der Geist der Geschichte. Er erstrahlt erst im Fest.

Gerhart Hauptmann danken wir einen jugendlichen Sinn des Kampfes und Festes.