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Siebentes Kapitel

Stepan Trofimowitschs letzte Wanderung

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Ich bin überzeugt, daß sich Stepan Trofimowitsch sehr ängstigte, als er merkte, daß der Termin für sein sinnloses Unternehmen heranrückte. Ich bin überzeugt, daß er unter dieser Furcht sehr gelitten hat, namentlich in der vorhergehenden Nacht, in jener furchtbaren Nacht. Nastasja hat später erzählt, er habe sich erst spät zu Bett gelegt und habe geschlafen. Aber Letzteres beweist nichts: sollen doch auch die zum Tode Verurteilten in der Nacht vor der Hinrichtung sehr fest schlafen. Obgleich er das Haus erst nach Tagwerden verließ, also zu einer Zeit, wo ein nervöser Mensch immer etwas mutiger wird (der Major, Wirginskis Verwandter, hörte sogar auf, an Gott zu glauben, sobald die Nacht vorüber war), so bin ich doch überzeugt, daß er sich vorher nie ohne Angst hat vorstellen können, wie er sich da so ganz allein auf der großen Landstraße und in einer solchen Lage befinden werde. Allerdings hatte wahrscheinlich eine Art von verzweifelter Tollkühnheit bei ihm zunächst die Wirkung, die volle Kraft jenes furchtbaren Gefühles der plötzlichen Vereinsamung abzuschwächen, das ihn sofort befiel, sobald er Stasie und sein zwanzigjähriges warmes Nest verlassen hatte. Aber auch bei der klarsten Erkenntnis all der Schrecknisse, die ihn erwarteten, wäre er dennoch auf die Landstraße hinausgegangen und auf ihr dahingewandert! Dazu trieb ihn ein gewisser Stolz, der ihn allem zum Trotz enthusiasmierte. Oh, er hätte Warwara Petrownas herrliche Anerbietungen annehmen, bei ihr bleiben und von ihren Almosen leben können „ comme un gewöhnlicher Parasit!“ Aber er hatte ihre Almosen nicht angenommen und war nicht geblieben. Und nun verließ er sie selbst und erhob „die Fahne der großen Idee“ und schritt auf der großen Landstraße dahin, um für diese Idee zu sterben! Das müssen seine Empfindungen gewesen sein; in diesem Lichte mußte ihm sein Unternehmen erscheinen.

Ich habe mir zu wiederholten Malen die Frage vorgelegt: warum ging er gerade, das heißt im buchstäblichen Sinne: warum ging er gerade zu Fuß und fuhr nicht einfach auf einem Wagen? Anfangs erklärte ich mir das mit seiner fünfzigjährigen Unerfahrenheit in praktischen Dingen und mit einer phantastischen, durch ein starkes Gefühl hervorgerufenen Aberration der Ideen. Es schien mir, daß der Gedanke an einen Reiseschein zur Benutzung von Postpferden (selbst wenn die Pferde Glöckchen hätten) ihm gar zu einfach und prosaisch erscheinen mußte, die Pilgerschaft dagegen als eine weit schönere Rache des Liebenden. Aber heute, wo alles schon zu Ende ist, glaube ich, daß alles dies damals viel einfacher zuging: erstens fürchtete er sich, einen Wagen zu nehmen, weil Warwara Petrowna es erfahren und ihn mit Gewalt zurückhalten konnte, was sie auch gewiß getan hätte; er aber hätte sich ihr dann sicherlich gefügt, und — dann hätte er der großen Idee für immer Lebewohl sagen müssen. Zweitens mußte man, um einen Reiseschein zu nehmen, mindestens wissen, wohin man fahren wollte. Aber gerade daß er dies nicht wußte, war für ihn in diesem Augenblicke der größte Schmerz: er war absolut nicht imstande, einen Ort zu nennen und zu bestimmen. Denn wenn er sich für irgendeine Stadt entschieden hätte, so wäre sein Unternehmen sofort in seinen eigenen Augen absurd und unmöglich geworden; das sah er sehr wohl vorher. Denn was sollte er gerade in dieser bestimmten Stadt tun, und warum nicht in einer andern? Sollte er ce marchand suchen? Aber was für einen marchand? Hier trat ihm diese zweite, besonders furchtbare Frage entgegen. Im Grunde gab es für ihn nichts Schrecklicheres als ce marchand, den zu finden er sich so plötzlich Hals über Kopf aufmachte, und den zu finden er in Wirklichkeit selbstverständlich aufs äußerste fürchtete. Nein, das beste war schon einfach die Landstraße, so einfach auf sie hinauszugehen und sie entlang zu wandern und an nichts zu denken, solange das irgend anging. Die Landstraße, das ist etwas Langes, Langes, wobei kein Ende abzusehen ist, gerade wie das menschliche Leben, gerade wie menschliche Zukunftsträumereien. In der Landstraße liegt eine Idee; aber was für eine Idee liegt in einem Reiseschein? Ein Reiseschein, das ist das Ende der Idee … Vive la grande route, und dann komme, was Gott sendet!

Nach dem plötzlichen, unerwarteten Zusammentreffen mit Lisa, das ich bereits erzählt habe, wanderte er in noch größerer Versunkenheit weiter. Die Landstraße führte in einer Entfernung von einer halben Werst an Skworeschniki vorbei, und seltsamerweise hatte er anfänglich gar nicht einmal bemerkt, wie er auf sie gekommen war. Etwas gründlich zu überlegen oder auch nur sich einer Sache klar bewußt zu sein war ihm in diesem Augenblicke ein Ding der Unmöglichkeit. Der feine Regen hörte bald auf, bald setzte er wieder ein; aber auch den Regen bemerkte er nicht. Ebensowenig bemerkte er es, daß er die Reisetasche über die Schulter geworfen hatte und ihm infolgedessen das Gehen leichter wurde. So mochte er eine oder anderthalb Werst gegangen sein, als er auf einmal stehen blieb und sich umschaute. Die alte, schwarze, von Wagengeleisen durchfurchte Landstraße zog sich, mit Weidenbäumen eingefaßt, vor ihm wie ein endloser Faden hin; zur Rechten war eine kahle Fläche, längst abgeerntete Felder, zur Linken Gesträuch und weiter dahinter ein Wäldchen. Und fern, ganz fern die kaum wahrnehmbare Linie der in schräger Richtung vorüberfahrenden Eisenbahn und auf ihr der Rauch eines Zuges, von dem aber kein Geräusch mehr zu hören war. Stepan Trofimowitsch wurde ein wenig ängstlich, aber nur für einen Augenblick. Ohne besonderen Grund seufzte er, stellte seine Reisetasche unter eine Weide und setzte sich darauf, um sich auszuruhen. Während er sich niedersetzte, fühlte er im Körper einen Frostschauder und wickelte sich in das Plaid; da er gleichzeitig auch den Regen gewahr wurde, spannte er den Regenschirm auf. So saß er ziemlich lange, wisperte ab und zu etwas vor sich hin und preßte seine Hand fest um den Griff des Regenschirmes. Verschiedene Bilder zogen in fieberhafter Reihe, einander schnell ablösend, vor seinem geistigen Auge vorüber. „Lise, Lise,“ dachte er, „und mit ihr ce Maurice. Sonderbare Menschen … Aber was war das für eine sonderbare Feuersbrunst, und wovon redeten sie eigentlich, und wer ist da ermordet? … Ich glaube, Stasie hat noch nichts davon gemerkt, daß ich für immer fortgegangen bin, und wartet noch auf mich mit dem Kaffee … Im Kartenspiel? Habe ich denn Menschen im Kartenspiel verloren? Hm! Bei uns in Rußland, zur Zeit der sogenannten Leibeigenschaft … Ach, mein Gott, aber Fedka?“

Er zuckte mit dem ganzen Leibe vor Schreck zusammen und blickte rings um sich.

„Aber wie, wenn hier irgendwo hinter einem Strauche dieser Fedka sitzt? Es heißt ja, er kommandiere hier eine ganze Räuberbande auf der Landstraße. O Gott, dann werde ich … dann werde ich ihm die ganze Wahrheit sagen, daß ich schuldig bin … und daß ich zehn Jahre lang um seinetwillen gelitten habe, mehr als er dort bei den Soldaten, und … und ich werde ihm mein Portemonnaie geben. Hm! j'ai en tout quarante roubles; il prendra les roubles et il me tuera tout de même.“

Vor Angst machte er (es ist schwer zu sagen warum) den Regenschirm zu und legte ihn neben sich. In der Ferne, auf dem Wege von der Stadt, zeigte sich ein Bauernwagen; Stepan Trofimowitsch begann ihn unruhig zu betrachten.

„Grâce à Dieu, es ist ein Bauernwagen, und — er fährt Schritt; das kann nicht gefährlich sein. Diese hiesigen halbverhungerten Pferdchen … Ich habe immer über die Rasse gesprochen … Übrigens war es Peter Jljitsch, der im Klub von der Rasse zu reden anfing; aber ich habe ihn damals schön widerlegt, et puis … Aber was ist denn da hinten … wie es scheint, sitzt eine Bauerfrau auf dem Wagen. Eine Bauerfrau und ein Bauer cela commence à être rassurant. Die Frau hinten und der Bauer vorn — c'est très rassurant. Hinten ist an den Wagen eine Kuh an den Hörnern angebunden, c'est rassurant au plus haut degré.“

Der Wagen war herangekommen; es war ein ganz einfacher, ordentlicher Bauernwagen. Die Frau saß auf einem prall vollgestopften Sacke und der Bauer auf dem Wagenrande; die Beine ließ er nach Stepan Trofimowitschs Seite zu seitwärts heraushangen. Hinterdrein schleppte sich wirklich eine rote, an den Hörnern angebundene Kuh dahin. Der Bauer und die Frau betrachteten Stepan Trofimowitsch mit weit aufgerissenen Augen, und Stepan Trofimowitsch sah sie ganz ebenso an; aber als er sie bereits ungefähr zwanzig Schritte an sich hatte vorbeipassieren lassen, stand er plötzlich eilig auf und suchte sie einzuholen. In der Nachbarschaft des Wagens fühlte er sich natürlich sicherer; aber als er ihn eingeholt hatte, vergaß er sofort alles wieder und versank von neuem in seine fragmentarischen Gedanken und Vorstellungen. Er schritt dahin und ahnte natürlich nicht, daß er für den Bauer und dessen Frau in diesem Augenblicke den rätselhaftesten und interessantesten Gegenstand bildete, den man auf der Landstraße treffen kann.

„Was sind Sie denn für einer, wenn es nicht unhöflich ist, danach zu fragen?“ konnte sich die Frau schließlich nicht enthalten zu fragen, als Stepan Trofimowitsch sie plötzlich in seiner Zerstreutheit anblickte.

Es war eine Frau von etwa siebenundzwanzig Jahren, kräftig gebaut, mit schwarzen Augenbrauen, frischer Gesichtsfarbe und freundlich lächelnden roten Lippen, aus denen die weißen, gleichmäßigen Zähne hervorschimmerten.

„Sie … Sie wenden sich an mich?“ murmelte Stepan Trofimowitsch verwundert und kummervoll.

„Gewiß ein Kaufmann,“ sagte der Bauer zuversichtlich.

Er war ein großgewachsener Mann von etwa vierzig Jahren, mit breitem, klugem Gesichte und rötlichem, breitem Barte.

„Nein, Kaufmann eigentlich nicht, ich … ich … moi c'est autre chose,“ antwortete Stepan Trofimowitsch, der Frage notdürftig ausweichend, und blieb für jeden Fall ein wenig vom Hinterteile des Wagens zurück, so daß er nun neben der Kuh ging.

„Sie müssen wohl ein Vornehmer sein,“ urteilte der Bauer, der die nicht-russischen Worte gehört hatte, und schüttelte die Zügel.

„So kommen Sie uns auch ganz vor, wie wenn Sie einen Spaziergang machten!“ bemerkte wieder neugierig die junge Frau.

„Soll das … soll das eine Frage sein?“

„Die reisenden Ausländer pflegen auf der Bahn zu kommen; Sie haben auch solche Stiefel an, wie sie hier nicht getragen werden …“

„Militärstiefel,“ fügte selbstzufrieden und nachdrücklich der Bauer hinzu.

„Nein, ich bin eigentlich kein Militär, ich …“

„Was für eine neugierige Frau,“ dachte Stepan Trofimowitsch ärgerlich bei sich, „und wie sie mich ansehen … mais enfin … Kurz, es ist seltsam, daß ich vor ihnen gewissermaßen wie ein Schuldiger dastehe, und ich habe doch nichts gegen sie begangen.“

Die Frau flüsterte mit dem Bauer.

„Wenn Sie es nicht übelnehmen, so möchten wir Sie einladen aufzusteigen, falls es Ihnen angenehm ist.“

Stepan Trofimowitsch sammelte auf einmal seine Gedanken.

„Ja, ja, meine Freunde, ich nehme es mit großem Vergnügen an, da ich sehr müde bin; aber wie soll ich da hinaufkommen?“

„Wie wunderlich,“ dachte er bei sich, „daß ich so lange neben dieser Kuh hergegangen bin und es mir nicht in den Sinn gekommen ist, die Leute zu bitten, mich auf den Wagen zu nehmen … Dieses ‚wirkliche Leben‘ hat doch etwas sehr Charakteristisches.“

Der Bauer hielt jedoch sein Pferd noch nicht an.

„Wohin wollen Sie denn?“ erkundigte er sich einigermaßen mißtrauisch.

Stepan Trofimowitsch verstand ihn nicht sogleich.

„Gewiß nach Chatowo?“

„Nach Chatowo? Nein, eigentlich nicht nach Chatowo … Ich kenne den Ort auch gar nicht, obwohl ich ihn habe nennen hören.“

„Chatowo ist ein Kirchdorf, ein Kirchdorf, neun Werst von hier.“

„Ein Kirchdorf? C'est charmant; mir ist, als hätte ich gerade das schon gehört …“

Stepan Trofimowitsch ging immer noch, und sie ließen ihn immer noch nicht aufsteigen. Ein genialer Gedanke blitzte plötzlich in seinem Kopfe auf.

„Vielleicht glauben Sie,“ sagte er, „daß ich … Ich habe einen Paß, und ich bin Professor, das heißt, wenn Sie es so nennen wollen, Lehrer, aber höherer Lehrer. Ich bin höherer Lehrer. Oui, c'est comme ça qu'on peut traduire. Ich würde gern mitfahren und werde Ihnen dafür … ich werde Ihnen dafür ein halbes Stof Branntwein kaufen.“

„Einen halben Rubel möchten wir uns ausbitten, Herr; es ist schlechter Weg.“

„Weniger können Sie uns schon nicht bieten,“ fiel die junge Frau ein.

„Einen halben Rubel? Nun gut, einen halben Rubel. C'est encore mieux, j'ai en tout quarante roubles, mais …“

Der Bauer hielt an, und Stepan Trofimowitsch wurde durch die vereinten Anstrengungen der beiden auf den Wagen hinaufgezogen und dort neben die Frau auf den Sack gesetzt. Der Wirbelsturm von Gedanken verließ ihn noch immer nicht. Zeitweilig hatte er selbst die Empfindung, daß er furchtbar zerstreut sei und nicht an das denke, woran er denken müsse, und wunderte sich darüber. Dieses Bewußtsein seiner krankhaften Denkschwäche war ihm in einzelnem Augenblicken sehr peinlich und sogar kränkend.

„Das … das ist gewiß eine Kuh dahinten?“ fragte er auf einmal von selbst die junge Frau.

„Na aber, Herr, als ob Sie noch nie eine gesehen hätten!“ erwiderte sie lachend.

„Wir haben sie in der Stadt gekauft,“ mischte sich der Bauer ein. „Unser eigenes Vieh ist uns schon im Frühjahr gefallen; an der Seuche. Bei uns rund herum ist alles gefallen, alles; nicht die Hälfte ist übriggeblieben; es ist zum Heulen.“

Er versetzte dem Pferdchen, das in dem tiefen Geleise beinah stecken blieb, wieder einen Schlag mit der Peitsche.

„Ja, das kommt bei uns in Rußland vor … und überhaupt wir Russen … nun ja, das kommt vor,“ erwiderte Stepan Trofimowitsch, ohne zu Ende zu sprechen.

„Wenn Sie Lehrer sind, was wollen Sie denn dann in Chatowo? Oder wollen Sie noch weiter?“

„Ich … das heißt ich will eigentlich nicht weiter … C'est à dire, ich will zu einem Kaufmann.“

„Gewiß nach Spasow?“

„Ja, ja, ganz richtig, nach Spasow. Es ist übrigens ganz gleich.“

„Wenn Sie nach Spasow wollen, und zu Fuß, dann gehen Sie in Ihren Stiefeln ziemlich eine Woche,“ bemerkte die junge Frau lachend.

„So, so; auch das ist ganz gleich, mes amis, ganz gleich,“ brach Stepan Trofimowitsch ungeduldig das Gespräch ab.

„Ein furchtbar neugieriges Volk,“ dachte er im stillen. „Die Frau redet übrigens besser als er, und ich bemerke, daß seit der Aufhebung der Leibeigenschaft sich die Ausdrucksweise dieser Leute etwas geändert hat, und … und was geht es sie an, ob ich nach Spasow will oder nicht? Ich bezahle sie ja doch; also warum sind sie so zudringlich?“

„Wenn Sie nach Spasow wollen, dann müssen Sie mit dem Dampfer fahren,“ setzte der Bauer das Gespräch doch noch fort.

„Das ist richtig,“ fiel die junge Frau lebhaft ein; „denn wenn Sie zu Wagen am Ufer entlang fahren, so machen Sie einen Umweg von etwa dreißig Werst.“

„Vierzig werden's sein.“

„Es trifft sich gut, daß Sie gerade morgen um zwei in Ustjewo den Dampfer vorfinden,“ versicherte die Frau.

Aber Stepan Trofimowitsch schwieg hartnäckig. Auch die Fragen der beiden hörten auf. Der Bauer schüttelte wiederholt die Zügel; die Frau wechselte mit ihm manchmal kurze Bemerkungen. Stepan Trofimowitsch schlummerte ein. Er war sehr verwundert, als ihn die Frau lachend anstieß und er sich in einem ziemlich großen Dorfe vor der Tür eines dreifenstrigen Bauernhauses sah.

„Haben Sie geschlafen, Herr?“

„Was ist das? Wo bin ich? Ach ja! Nun … es ist ja ganz gleich,“ sagte Stepan Trofimowitsch seufzend und stieg von dem Wagen herab.

Er blickte traurig um sich; das Aussehen des Dorfes erschien ihm seltsam und fremdartig.

„Ach, der halbe Rubel; den hatte ich vergessen!“ wandte er sich an den Bauer mit einer unverhältnismäßig eiligen Bewegung.

Offenbar fürchtete er sich schon davor, sich von ihnen zu trennen.

„Bitte, bezahlen Sie in der Stube,“ versetzte der Bauer und lud ihn mit einer Geste zum Eintritt ein.

„Da drinnen ist es ganz nett,“ bemerkte die Frau ermunternd.

Stepan Trofimowitsch stieg die wackeligen Stufen vor der Haustür hinan.

„Aber wie ist das nur möglich?“ flüsterte er verständnislos und angstvoll, ging aber in das Haus hinein. „Elle l'a voulu,“ fügte er leise hinzu und fühlte wie einen Stich im Herzen.

Er vergaß wieder alles, sogar daß er in das Haus getreten war.

Es war ein helles, ziemlich sauberes Bauernhaus mit drei Fenstern und zwei Zimmern, nicht eigentlich eine Herberge; aber nach alter Gewohnheit kehrten vorbeifahrende Bekannte dort ein. Stepan Trofimowitsch ging ohne Verlegenheit in die vordere Ecke, wo die Heiligenbilder hingen, vergaß zu grüßen, setzte sich hin und versank in Gedanken. Inzwischen begann nach der kalten Nässe, die er unterwegs drei Stunden lang durchgemacht hatte, ein höchst angenehmes Wärmegefühl seinen Körper zu durchströmen. Sogar das kurze, periodische Frösteln, das ihm über den Rücken lief, wie das im Fieber bei besonders nervösen Personen beim plötzlichen Übergange von der Kälte in die Wärme immer der Fall ist, hatte für ihn auf einmal etwas eigentümlich Angenehmes. Er hob den Kopf in die Höhe, und der leckere Duft heißer Pfannkuchen, mit denen die Wirtin am Ofen beschäftigt war, kitzelte sein Geruchsorgan. Mit einem kindlichen Lächeln bog er sich zu der Wirtin hin und stammelte plötzlich:

„Was ist das? Sind das Pfannkuchen? Mais c'est charmant.“

„Sind Ihnen welche gefällig, mein Herr?“ fragte die Wirtin sogleich, höflich anbietend.

„Ja, ich möchte gern davon, möchte gern davon, und … ich möchte Sie auch um Tee bitten,“ erwiderte Stepan Trofimowitsch, der etwas lebendiger wurde.

„Soll ich einen Samowar aufstellen? Mit großem Vergnügen!“

Auf einem großer Teller mit derbem, blauem Muster erschienen einige Pfannkuchen, die bekannten bäuerlichen dünnen, von Halbweizenmehl gebackenen, mit heißer, frischer Butter begossenen, sehr wohlschmeckenden Pfannkuchen. Stepan Trofimowitsch kostete sie mit Genuß.

„Wie fett und schmackhaft sie sind! Und wenn ich nur noch un doigt d'eau de vie haben könnte.“

„Wünschen Sie ein Schnäpschen, mein Herr?“

„Ganz richtig, ganz richtig, ein klein wenig, un tout petit rien.“

„Wohl für fünf Kopeken?“

„Für fünf, für fünf, für fünf, für fünf, un tout petit rien,“ stimmte Stepan Trofimowitsch mit glückseligem Lächeln zu.

Man bitte jemand aus dem einfachen Volke, etwas für einen zu tun, und er wird, wenn er kann und will, einem eifrig und bereitwillig zu Diensten sein; aber man bitte ihn, ein Schnäpschen zu holen, und seine gewöhnliche, ruhige Dienstfertigkeit wird auf einmal in eine eilfertige, freudige Beflissenheit und in eine fast verwandtschaftliche Fürsorge für den Besteller übergehen. Derjenige, der den Schnaps holt, empfindet, obgleich ihn der andere trinken wird und nicht er, und obgleich er das vorher weiß, er empfindet trotzdem gewissermaßen einen Teil des Genusses, den der Trinkende davon haben wird … Nach nicht mehr als drei, vier Minuten (die Schenke war nur wenige Schritte entfernt) stand vor Stepan Trofimowitsch auf dem Tische ein Fläschchen mit einem halben Stof Branntwein und ein großes, grünliches Glas.

„Und das alles soll für mich sein!“ sagte er sehr erstaunt. „Ich habe immer Branntwein im Hause gehabt, aber nie gewußt, daß man für fünf Kopeken so viel bekommt.“

Er goß das Glas voll, stand auf und ging mit einer gewissen Feierlichkeit durch das Zimmer nach einer anderen Ecke, wo die junge Frau mit den schwarzen Augenbrauen, die mit ihm zusammen auf dem Sacke gefahren und ihm unterwegs mit ihren Fragen so lästig geworden war, Platz genommen hatte. Die junge Frau wurde verlegen und lehnte es zunächst ab; aber nachdem sie alles gesagt hatte, was zu sagen der Anstand vorschreibt, stand sie schließlich auf, trank das Glas fröhlich in drei Schlucken, wie die Frauen zu trinken pflegen, aus, reichte es mit einer gekünstelten Grimasse des Widerwillens zurück und verbeugte sich vor Stepan Trofimowitsch. Er erwiderte die Verbeugung und kehrte mit ordentlich stolzer Miene an seinen Tisch zurück.

Alles dies vollführte er wie infolge einer Art von Eingebung; er selbst hatte noch eine Sekunde vorher nicht gewußt, daß er hingehen und die junge Bauerfrau regalieren werde.

„Ich verstehe in vollendeter Weise, in vollendeter Weise, mit dem gewöhnlichen Volke umzugehen, und ich habe das meinen Bekannten immer gesagt,“ dachte er selbstzufrieden und goß sich aus der Flasche den übriggebliebenen Branntwein ein; obgleich nicht mehr ein ganzes Glas herauskam, so belebte und erwärmte ihn der Branntwein doch und stieg ihm sogar ein bißchen in den Kopf.

„Je suis malade tout à fait. mais ce n'est pas trop mauvais d'être malade.“

„Wünschen Sie vielleicht etwas zu kaufen?“ ließ sich neben ihm eine leise Frauenstimme vernehmen.

Er blickte auf und sah zu seinem Erstaunen eine Dame vor sich — une dame et elle en avait l'air — schon über dreißig Jahre alt, von sehr bescheidenem Aussehen, städtisch gekleidet, in einem dunklen Kleide und mit einem großen, grauen Tuche um die Schultern. In ihrem Gesichtsausdrucke lag eine außerordentliche Freundlichkeit, von der sich Stepan Trofimowitsch sogleich angezogen fühlte. Sie war soeben erst in das Zimmer zurückgekehrt, in welchem sie ihre Sachen auf einer Bank hatte liegen lassen, dicht neben dem Platze, den Stepan Trofimowitsch einnahm, unter anderm ein Portefeuille, das er, wie er sich erinnerte, beim Eintritt neugierig betrachtet hatte, und einen nicht besonders großen Sack von Wachsleinwand. Aus diesem Sacke hatte sie jetzt zwei schön gebundene Bücher mit eingepreßten Kreuzen herausgeholt und hielt sie Stepan Trofimowitsch hin.

„Eh … mais je crois que c'est l'Évangile; mit dem größten Vergnügen … Ah, jetzt verstehe ich … Vous êtes ce qu'on appelle eine Bücherverkäuferin; ich habe es mehrmals gelesen … Einen halben Rubel?“

„Fünfunddreißig Kopeken ein jedes,“ antwortete die Bücherverkäuferin.

„Mit dem größten Vergnügen. Je n'ai rien contre l'Évangile, et … Ich wollte es schon längst einmal wieder lesen …“

Es fuhr ihm in diesem Augenblicke der Gedanke durch den Kopf, daß er die Evangelien mindestens seit dreißig Jahren nicht mehr gelesen und sich nur vor etwa sieben Jahren bei der Lektüre von Renans Vie de Jésus ein wenig daran erinnert hatte. Da er kein kleines Geld hatte, so zog er seine vier Zehnrubelscheine hervor, — alles, was er besaß. Die Wirtin übernahm es, einen derselben zu wechseln, und erst da bemerkte er aufblickend, daß sich eine ziemliche Anzahl von Menschen in der Stube angesammelt hatte und alle ihn schon lange beobachteten und, wie es schien, über ihn redeten. Sie sprachen auch über die Feuersbrunst in der Stadt, am meisten der Eigentümer des Wagens mit der Kuh, da er eben erst aus der Stadt zurückgekehrt war. Sie redeten von Brandstiftung und von den Schpigulinschen Arbeitern.

„Nun sieh mal, zu mir hat er nichts von dem Brande gesagt, als er mit mir zusammen fuhr, während er doch sonst von allem möglichen geredet hat,“ dachte Stepan Trofimowitsch.

„Väterchen, Stepan Trofimowitsch, sehe ich Sie wirklich, gnädiger Herr? Das hätte ich mir nicht träumen lassen! … Sie erkennen mich wohl nicht?“ rief ein kleiner, bejahrter Mann, der wie ein altmodischer gutsherrlicher Diener aussah, mit glattrasiertem Gesichte, in einem Mantel mit breitem, zurückgeschlagenem Kragen. Stepan Trofimowitsch schrak zusammen, als er seinen Namen hörte.

„Entschuldigen Sie,“ murmelte er, „ich kann mich Ihrer nicht recht entsinnen.“

„Sie haben mich vergessen! Ich bin ja Anisim, Anisim Iwanow. Ich stand im Dienst bei dem verstorbenen Herrn Gaganow und habe Sie, gnädiger Herr, wer weiß wie oft mit Warwara Petrowna bei der verstorbenen Awdotja Sergejewna gesehen. Ich bin mehrmals mit Büchern von ihr zu Ihnen geschickt worden und habe Ihnen zweimal Petersburger Konfekt von ihr gebracht …“

„Ach ja, nun erinnere ich mich deiner, Anisim,“ versetzte Stepan Trofimowitsch lächelnd. „Wohnst du jetzt hier?“

„Nein, in der Nähe von Spasow, beim Kloster W***, in der Vorstadt, bei Marfa Sergejewna, der Schwester von Awdotja Sergejewna; vielleicht erinnern Sie sich: sie fuhr zu einem Balle und brach sich beim Hinausspringen aus der Kutsche das Bein. Jetzt wohnt sie in der Nähe des Klosters und ich bei ihr; aber augenblicklich, sehen Sie, fahre ich nach der Gouvernementsstadt, um meine Angehörigen zu besuchen …“

„Ja, ja.“

„Ich freute mich gewaltig, als ich Sie sah; Sie sind immer gütig gegen mich gewesen,“ fuhr Anisim, entzückt lächelnd, fort. „Aber wohin reisen Sie denn, gnädiger Herr? Wie es scheint, so ganz mutterseelenallein … Sie sind ja wohl früher niemals allein gereist?“

Stepan Trofimowitsch blickte ihn ängstlich an.

„Wollen Sie vielleicht zu uns nach Spasow?“

„Ja, ich will nach Spasow. Il me semble que tout le monde va à Spasof …“

„Vielleicht zu Fjodor Matwejewitsch? Der Herr wird sich sehr über Ihren Besuch freuen. Er hat Sie ja früher schon sehr hoch geschätzt, und auch jetzt hat er mehrmals von Ihnen gesprochen …“

„Ja, ja, auch zu Fjodor Matwejewitsch.“

„Gewiß, gewiß. Die Bauern hier wundern sich, gnädiger Herr, daß man Sie zu Fuß auf der Landstraße getroffen hat. Es ist ein dummes Volk.“

„Ich … Ich habe … Weißt du, Anisim, ich habe gewettet wie ein Engländer, daß ich zu Fuß gehen würde, und da habe ich …“

Der Schweiß trat ihm auf der Stirn und an den Schläfen heraus.

„Gewiß, gewiß …“ sagte Anisim, der mit schonungsloser Neugier zuhörte. Aber Stepan Trofimowitsch konnte es nicht länger ertragen. Er war so verlegen, daß er schon aufstehen und aus der Stube gehen wollte. Aber da wurde der Samowar gebracht, und in demselben Augenblicke kehrte die Bücherverkäuferin zurück, die inzwischen irgendwohin weggegangen war. Mit der Gebärde jemandes, der sich aus schwerer Not rettet, wandte er sich an sie und bot ihr Tee an. Anisim trat zurück und ging hinaus.

In der Tat war unter den Bauern starke Verwunderung entstanden: „Was ist das für ein Mensch? Er ist zu Fuß auf der Landstraße gefunden worden; er sagt, er sei ein Lehrer, ist gekleidet wie ein Ausländer, hat soviel Verstand wie ein kleines Kind, antwortet ungereimt, wie wenn er jemandem davongelaufen wäre, und hat Geld!“ Man dachte schon daran, die Obrigkeit zu benachrichtigen, „da es überdies in der Stadt nicht ganz ruhig sei“. Aber gerade da klärte Anisim alles auf. Sowie er auf den Flur kam, teilte er allen, die es hören wollten, mit, Stepan Trofimowitsch sei eigentlich kein Lehrer, sondern ein sehr großer Gelehrter und beschäftige sich mit hohen Wissenschaften; er habe selbst in der Gegend ein Gut besessen, wohne schon zweiundzwanzig Jahre bei der Generalin Stawrogina, wo er die wichtigste Person im Hause sei, und werde in der Stadt von allen Leuten außerordentlich hoch geachtet. Im adligen Klub habe er an einem einzigen Abend hundertfünfzig Rubel verspielt; im Range sei er Rat, was beim Militär einem Oberstleutnant gleichstehe und nur eine Stufe niedriger sei als ein Oberst. Und Geld habe er durch die Generalin Stawrogina wie Heu, und so weiter und so weiter.

„Mais c'est une dame et très comme il faut,“ dachte Stepan Trofimowitsch, der sich von Anisims Überfall erholte und mit vergnüglicher Neugier seine Nachbarin, die Bücherverkäuferin, beobachtete, die übrigens wie die gewöhnlichen Leute den Tee aus der Untertasse trank und dazu von einem Stück Zucker abbiß. „Ce petit morceau de sucre ce n'est rien … Sie hat etwas Vornehmes und Selbständiges an sich und gleichzeitig etwas Ruhiges. Le comme il faut tout pur, aber nur in etwas anderem Genre.“

Er erfuhr bald von ihr, daß sie Sofja Matwejewna Ulitina heiße und eigentlich in K*** wohne, wo sie eine verwitwete Schwester habe, eine Kleinbürgerin; sie selbst sei ebenfalls Witwe; ihr Mann sei nach längerer Dienstzeit vom Feldwebel zum Unterleutnant befördert worden, dann aber in Sewastopol gefallen.

„Aber Sie sind noch so jung; vous n'avez pas trente ans.“

„Vierunddreißig,“ antwortete Sofja Matwejewna lächelnd.

„Wie? Sie verstehen auch französisch?“

„Ein wenig; ich habe nachher vier Jahre in einem adligen Hause gelebt und es da von den Kindern gelernt.“

Sie erzählte, sie sei im Alter von nur achtzehn Jahren Witwe geworden, sei dann eine Zeitlang in Sewastopol als Barmherzige Schwester tätig gewesen, habe darauf an verschiedenen Orten gelebt und ziehe jetzt umher und verkaufe Neue Testamente.

„ Mais mon Dieu, sind Sie nicht die Bücherverkäuferin, mit der in unserer Stadt eine sonderbare, sehr sonderbare Geschichte passiert ist?“

Sie wurde rot; es stellte sich heraus, daß sie es gewesen war.

„Ces vauriens, ces malheureux! …“ begann er mit einer Stimme, die vor Empörung zitterte. Eine schmerzliche, verhaßte Erinnerung wurde in seinem Herzen rege und peinigte ihn. Für eine Weile versank er vollständig in seine Gedanken.

„Ah, sie ist wieder weggegangen,“ sagte er zu sich, als er wieder zur Besinnung kam und bemerkte, daß sie nicht mehr bei ihm war. „Sie geht oft hinaus und muß mit etwas beschäftigt sein; ich bemerke, daß sie sich sogar in einer gewissen Aufregung befindet … Bah, je deviens égoïste!“

Er blickte auf und sah wieder Anisim, aber diesmal mit einer höchst bedrohlichen Umgebung. Die ganze Stube war voll von Bauern, die offenbar sämtlich Anisim mitgeschleppt hatte. Da war der Besitzer des Hauses und der Bauer mit der Kuh, noch zwei Bauern (wie sich herausstellte, Lohnkutscher) und ferner noch ein kleiner, halbbetrunkener Mensch in bäuerlicher Kleidung, aber mit glattrasiertem Gesichte, der wie ein durch den Trunk heruntergekommener Kleinbürger aussah und mehr redete als alle andern. Und alle redeten sie von ihm, Stepan Trofimowitsch. Der Bauer mit der Kuh beharrte auf seiner Behauptung, daß es am Ufer entlang ein Umweg von vierzig Werst sei, und daß der Herr unbedingt mit dem Dampfer fahren müsse. Der halbbetrunkene Kleinbürger und der Hauswirt widersprachen ihm hitzig:

„Allerdings, Bruder, haben es Seine Hochwohlgeboren auf dem Dampfer über den See näher; das ist richtig; aber der Dampfer wird in dieser Jahreszeit womöglich gar nicht gehen.“

„Er geht, er geht; noch eine Woche lang wird er gehen,“ rief Anisim, der sich noch mehr ereiferte als die andern.

„Das ist so eine Sache! Und er kommt nicht pünktlich, weil es schon spät im Jahre ist; manchmal muß man in Ustjewo drei Tage lang warten.“

„Morgen wird er da sein; morgen pünktlich um zwei Uhr wird er da sein. Noch vor Abend werden Sie nach Spasow kommen, gnädiger Herr!“ rief Anisim, ganz außer sich.

„Mais qu'est-ce qu'il a, cet homme?“ fragte sich zitternd Stepan Trofimowitsch, der voller Angst sein Schicksal erwartete.

Nun traten auch die Lohnkutscher vor und wollten den Preis abmachen; sie verlangten bis Ustjewo drei Rubel. Die übrigen schrien, das sei nicht zu viel; das sei der Preis; das habe die Fahrt von da nach Ustjewo den ganzen Sommer über gekostet.

„Aber … hier ist es doch auch hübsch … Und ich will gar nicht …“ stammelte Stepan Trofimowitsch undeutlich.

„Da haben Sie recht, gnädiger Herr!“ rief Anisim, der ihn nicht verstanden hatte; „es ist jetzt hübsch bei uns in Spasow, sehr hübsch, und Fjodor Matwejewitsch wird sich so über Ihre Ankunft freuen!“

„Mon Dieu, mes amis, all das kommt mir so unerwartet.“

Endlich kehrte Sofja Matwejewna zurück. Aber sie setzte sich sehr niedergeschlagen und traurig auf die Bank.

„Ich komme nicht hin nach Spasow!“ sagte sie zu der Wirtin.

„Wie? Sie wollen auch nach Spasow?“ fragte Stepan Trofimowitsch aufgeregt.

Es ergab sich, daß eine Gutsbesitzerin, Nadeschda Jegorowna Swetlizyna, sie schon am vorhergehenden Tage aufgefordert hatte, auf sie in Chatowo zu warten, mit dem Versprechen, sie nach Spasow auf ihrem Wagen mitzunehmen, daß sie aber nun doch nicht gekommen war.

„Was soll ich nun anfangen?“ klagte Sofja Matwejewna.

„Mais, ma chère et nouvelle amie, ich kann Sie ja ebensogut wie die Gutsbesitzerin nach diesem, wie heißt es doch? nach diesem Dorfe bringen, wohin ich einen Wagen angenommen habe, — und, und morgen fahren wir zusammen nach Spasow.“

„Fahren Sie denn auch nach Spasow?“

„Mais que faire? Et je suis enchanté! Ich werde Sie mit großer Freude mitnehmen. Sehen Sie, die Leute da wollen es, und ich habe schon einen Kutscher angenommen … Wen von euch habe ich denn angenommen?“ rief Stepan Trofimowitsch, der auf einmal die größte Lust bekommen hatte, nach Spasow zu fahren.

Nach einer Viertelstunde stiegen sie schon in eine geschlossene Britschke: er sehr lebhaft und völlig zufrieden, sie neben ihm mit ihrem Sacke und mit einem dankbaren Lächeln. Anisim war ihnen beim Einsteigen behilflich.

„Glückliche Fahrt, gnädiger Herr!“ rief er, indem er sich eifrig an der Britschke zu schaffen machte. „Nein, wie habe ich mich gefreut, Sie wiederzusehen!“

„Lebe wohl, lebe wohl, mein Freund, lebe wohl!“

„Besuchen Sie nur Fjodor Matwejewitsch, gnädiger Herr …“

„Ja, mein Freund, ja … Ich werde Fjodor Petrowitsch besuchen … aber nun leb wohl!“