Recht
Recht. Der Begriff des Rechtes beruht auf den Begriffen der Befugnis und der Pflicht und hat einen subjektiven und einen objektiven Sinn. In jenem ist er im Gegensatz zur Rechtspflicht die Befugnis, etwas zu tun oder zu lassen, in diesem ist er das Gesetz, welches die Rechtspflichten und Rechtsbefugnisse der einzelnen zueinander oder zu Gesamtheiten regelt. Kant (1724-1804) definiert das objektive Recht als den „Inbegriff der Bedingungen, unter denen die Willkür des einen mit der Willkür des anderen nach einem allgemeinen Gesetze der Freiheit zusammen vereinigt werden kann“ (Metaphysik der Sitten 1, S. XXXIII). Eine jede Handlung ist demnach recht, die mit jedermanns Freiheit nach einem allgemeinen Gesetze zusammen bestehn kann. Dasjenige, was jeder inmitten der übrigen tun darf, ist die Sphäre seiner rechtlichen Freiheit. Dies ist natürlich nach Ort, Zeit und Verhältnissen verschieden. Die Rechtsphilosophie (s. d.) hat die Frage nach dem Ursprung, dem Inhalt und der Autorität des Rechts zu untersuchen, sie hat also festzustellen, wie es kommt, daß das Recht jeden auch ohne den zu erwartenden Zwang verpflichtet, seine Rechtssphäre nicht zu überschreiten, oder die anderen ermächtigt, den Übertreter zu bestrafen. – Das Recht unterscheidet sich von der Sitte und der Moral. Die Sitte ist Grundlage des Rechts, aber ihre Vorschriften lassen sich nicht erzwingen. Ein Unterschied des Rechts von der Moral besteht nach verschiedenen Richtungen; zuerst im Zwecke: dieser ist bei der Moral die Harmonie des Menschen mit sich selbst, beim Rechte dagegen diejenige mit den anderen; ein anderer Unterschied liegt in der Quelle: diese ist dort Vernunft oder Religion, hier ein Vertrag, ein Herkommen, eine Sitte usw. Ein weiterer Unterschied liegt auch in dem Interesse, das beide erwecken: auf moralischem Gebiete gibt es nichts Gleichgültiges (adiaphoron), wohl aber auf rechtlichem und innerhalb seiner Rechtssphäre steht es jedem Menschen frei, zu tun und zu lassen, was ihm beliebt. Endlich besteht auch darin ein Unterschied zwischen beiden, daß das Recht, aber nicht die Moral, äußere Motive, äußere Richter- und Zwangsgewalt zuläßt, während die sittlichen Handlungen auf Selbstbetätigung beruhen und Selbstverantwortung in sich einschließen. Kant sagt daher: „mit dem Rechte ist zugleich eine Befugnis, den, der ihm Abbruch tut, zu zwingen, nach dem Satze des Widerspruchs verknüpft.“ (Met. d. Sitten 1, XXXV.) Doch beweist die Geschichte auch andrerseits, daß der Zwang zur Verwirklichung der Rechtsordnung keineswegs genügt; vielmehr gehört hierzu auch die sittlich-religiöse Achtung des Rechts, der Freiheit und Ehre. Und in der Tat ist jeder bessere Mensch von dem Gefühl durchdrungen, daß Ordnung, Friede, Sicherheit und Zuverlässigkeit der äußeren Lebensverhältnisse nicht bloß aus Nützlichkeitsgründen notwendig, sondern die Grundlage unseres Lebens und unserer Kultur sind, ja daß deren Gegenteil absolut verwerflich sei. Daher bilden Moral und Recht keinen unaufhebbaren, sondern nur einen tatsächlichen Gegensatz. Vgl. Mensch, Persönlichkeit, Pflicht.