Verachtung fremder Sprachen
Ich liebe meine deutsche Sprache, wie der Araber sein Pferd liebt, ganz so, und ich habe hell auflachen müssen, gemein wie alle, als ich chinesische Schauspieler ihre Sprache gackern hörte. Aber mit Besinnung sollte man auf keine Sprache herabsehen, weil sie andere Formen hat als die unsere. Auch die schlitzäugige Chinesin kriegt gesunde Kinder. Und das Chinesische ist ebenso witzig wie das Deutsche, wenn es hypothetische Sätze auch in der Form von Fragesätzen ausdrückt, wenn es anstatt "Wenn es trocken ist, machen wir eine Regenprozession" sagen kann: "Ist es trocken? Machen wir eine Regenprozession!" Alle Hypothesen sind Fragen, alle guten Hypothesen sind gute Fragen.
Und das Chinesische ist noch witziger, weil es "Sprechen" für einen abstrakten, ausgeblasenen Begriff hält und wohl darum ein Dutzend verschiedener Ausdrücke dafür hat.
Auch im Magyarischen scheint das Verbum sich unserer philosophischen Grammatik nicht fügen zu wollen, was die Magyaren nicht hindert, indogermanische Völker und Semiten zu beherrschen. Es kann ein und dasselbe Wort den verkaufenden Menschen und die verkäufliche Ware, wieder ein Wort den Totengräber und den Begräbnisplatz bezeichnen. Und die Leute verwechseln die Dinge dennoch nicht.
Den semitischen Sprachen rühmt man nach, dass sie allein außer den unseren ein richtiges Verbum besitzen. Man ist stolz darauf, da und dort; als ob ein Vierfüßler stolz auf seine vier Füße wäre und glaubte, er könnte den Adler einholen, weil der Adler nur zwei Beine und dazu zwei armselige Flügel habe. Das stattliche semitische Verbum ist aber so vordringlich, dass es immer an der Spitze des Satzes stehen will, wo unsere philosophische Grammatik das Dingwort, das Subjekt verlangt. Und mit einer so verkehrten Satzbildung war man imstande, das alte Testament und den Koran zu schreiben und sogar Handel zu treiben.
Was nun unsere indogermanischen Sprachen betrifft, so sind die Gelehrten gewohnt, sie zu rühmen und den hohen Stand unserer Kultur nicht zuletzt auf den Erkenntniswert dieser Sprachen zurückzuführen. Jedem Narren gefällt seine Schellenkappe: den Griechen waren die Inder, die Römer und die Deutschen Barbaren; die Römer verachteten die ganze Welt und duckten sich nur vor den besiegten Griechen, weil sie deren Sprache brauchten. Den Reformatoren und vielen ihrer Nachfolger galt das Hebräische für die erste Sprache, für die Sprache Gottes, weil sie sie für ihre Bibelstudien lernen mußten. Den Juden und Arabern waren und sind alle Franken Gojim, Gesindel, solange sie ihre Begriffe nicht in sich aufgenommen haben. Und wir nennen Inder, Griechen, Römer und uns die ersten Kulturvölker, weil wir, das heißt unsere Gelehrten, den Zusammenhang unseres Sprachschatzes oder unseres geistigen Erbes nachgewiesen haben. Dabei wird zweierlei übersehen. Erstens, dass es unter den indogermanischen Völkern auch vollkommen unzivilisierte gibt, und zweitens, dass der Reichtum unserer Sprachen nicht ein Grund, sondern eine Folge der "Kultur" sein dürfte.