Meister Eckhart
Schöner und tiefer hat Meister Eckart über die Herrlichkeit des Schweigens gesprochen:
"Könntest du aller Dinge zumal unwissend werden, ja könntest du in ein Unwissen deines eigenen Lebens kommen . . . da hätte der Geist alle Kräfte so ganz in sich gezogen, daß er des Körpers vergessen hätte, da wirkte weder Gedächtnis noch Verstand, noch die Sinne, noch die Kräfte. ... So sollte der Mensch allen Sinnen entweichen und all seine Kräfte nach innen kehren und in ein Vergessen aller Dinge und seiner selber kommen. . . . Alle Wahrheit, die die Meister je lehrtenmit ihrer eigenen Vernunft und ihrem Verstande oder in Zukunft lehren bis an den jüngsten Tag, die verstanden nie das mindeste von diesem Wissen und diesem Verborgenen. Wrenn es schon ein Unwissen heißt und eine Unerkanntheit, so hat es doch mehr in sich drinnen als alles Wissen und Erkennen von außen: denn dies äußere Unwissen reizt und zieht dich von allen Wissensdingen ab und auch von dir selbst. Das meinte Christus, als er sprach: Wer sich nicht selbst verleugnet und nicht Vater und Mutter läßt und alles, was äußerlich ist, der ist meiner nicht würdig. Als ob er spräche: Wer nicht alle Äußerlichkeit der Kreaturen läßt, der kann in diese göttliche Geburt weder empfangen noch geboren werden. Ja: wenn du dich deines Selbst beraubst und alles dessen, was äußerlich ist, dann findest du es in Wahrheit." (Ausg. v. G. Landauer.)
Noch feiner als von Spinoza und von Meister Eckart wird das Schweigen schon im Upanishad gerühmt. Bähva wurde gebeten, das Brahman, das Weltprinzip, zu erklären. Bähva schwieg stille. Als der Frager zum zweiten und zum dritten Male fragte, sprach Bähva: "Ich lehre es ja, du aber verstehst es nicht; dieser Atman ist stille (Ätman das Selbst, das Wesen der Dinge)." Und die indischen Weisen bilden dazu noch den Begriff einer Überstille aus. Zu praktischen Zwecken des Yoga, ihrer Askese. Der heilige "Om"laut kann unser Schweigen sein. Ist noch ein Wort. Zum höchsten Einssein der Vernichtung gelangt man durch das Nichtwort. Schweigen ist noch ein Wort. Was Schweigen heißt, das "Om", ist noch wie ein "Fahrweg; zur Höhe führt der Fußweg des Überschweigens." (Vgl. Deussen II, 351.)
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