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Zum Ruhme Shakespeare’s

98.

Zum Ruhme Shakespeare’s. — Das Schönste, was ich zum Ruhme Shakespeare’s, des Menschen, zu sagen wüsste, ist dies: er hat an Brutus geglaubt und kein Stäubchen Misstrauens auf diese Art Tugend geworfen! Ihm hat er seine beste Tragödie geweiht — sie wird jetzt immer noch mit einem falschen Namen genannt —, ihm und dem furchtbarsten Inbegriff hoher Moral. Unabhängigkeit der Seele! — das gilt es hier! Kein Opfer kann da zu groß sein: seinen liebsten Freund selbst muss man ihr opfern können, und sei er noch dazu der herrlichste Mensch, die Zierde der Welt, das Genie ohne Gleichen, — wenn man nämlich die Freiheit als die Freiheit großer Seelen liebt, und durch ihn dieser Freiheit Gefahr droht: — derart muss Shakespeare gefühlt haben! Die Höhe, in welche er Cäsar stellt, ist die feinste Ehre, die er Brutus erweisen konnte: so erst erhebt er dessen inneres Problem in’s Ungeheure und ebenso die seelische Kraft, welche diesen Knoten zu zerhauen vermochte! — Und war es wirklich die politische Freiheit, welche diesen Dichter zum Mitgefühl mit Brutus trieb, — zum Mitschuldigen des Brutus machte? Oder war die politische Freiheit nur eine Symbolik für irgend etwas Unaussprechbares? Stehen wir vielleicht vor irgend einem unbekannt gebliebenen dunklen Ereignisse und Abenteuer aus des Dichters eigener Seele, von dem er nur durch Zeichen reden mochte? Was ist alle Hamlet-Melancholie gegen die Melancholie des Brutus! — und vielleicht kennt Shakespeare auch diese, wie er jene kannte, aus Erfahrung! Vielleicht hatte auch er seine finstere Stunde und seinen bösen Engel, gleich Brutus! — Was es aber auch derart von Ähnlichkeiten und geheimen Bezügen gegeben haben mag: vor der ganzen Gestalt und Tugend des Brutus warf Shakespeare sich auf den Boden und fühlte sich unwürdig und ferne: — das Zeugnis dafür hat er in seine Tragödie hineingeschrieben. Zweimal hat er in ihr einen Poeten vorgeführt und zweimal eine solche ungeduldige und allerletzte Verachtung über ihn geschüttet, dass es wie ein Schrei klingt, — wie der Schrei der Selbstverachtung. Brutus, selbst Brutus verliert die Geduld, als der Poet auftritt, eingebildet, pathetisch, zudringlich, wie Poeten zu sein pflegen, als ein Wesen, welches von Möglichkeiten der Größe, auch der sittlichen Größe, zu strotzen scheint und es doch in der Philosophie der Tat und des Lebens selten selbst bis zur gemeinen Rechtschaffenheit bringt. „Kennt er die Zeit, so kenn’ ich seine Launen, — fort mit dem Schellen-Hanswurst!“ — ruft Brutus. Man übersetze sich dies’ zurück in die Seele des Poeten, der es dichtete.