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Das Unvollständige als künstlerisches Reizmittel

199.

Das Unvollständige als künstlerisches Reizmittel. — Das Unvollständige ist oft wirksamer als die Vollständigkeit, so namentlich in der Lobrede: für ihre Zwecke braucht man gerade eine anreizende Unvollständigkeit, als ein irrationales Element, welches der Phantasie des Hörers ein Meer vorspiegelt und gleich einem Nebel die gegenüberliegende Küste, also die Begrenztheit des zu lobenden Gegenstandes, verdeckt. Wenn man die bekannten Verdienste eines Menschen erwähnt und dabei ausführlich und breit ist, so lässt dies immer den Argwohn aufkommen, es seien die einzigen Verdienste. Der vollständig Lobende stellt sich über den Gelobten, er scheint ihn zu übersehen. Deshalb wirkt das Vollständige abschwächend.