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Shakespeare als Moralist

176.

Shakespeare als Moralist. — Shakespeare hat über die Leidenschaften viel nachgedacht und wohl von seinem Temperamente her zu vielen einen sehr nahen Zugang gehabt (Dramatiker sind im Allgemeinen ziemlich böse Menschen). Aber er vermochte nicht, wie Montaigne, darüber zu reden, sondern legte die Beobachtungen über die Passionen den passionierten Figuren in den Mund: was zwar wider die Natur ist, aber seine Dramen so gedankenvoll macht, dass sie alle anderen leer erscheinen lassen und leicht einen allgemeinen Widerwillen gegen sie erwecken. — Die Sentenzen Schiller’s (welchen fast immer falsche oder unbedeutende Einfälle zu Grunde liegen) sind eben Theatersentenzen und wirken als solche sehr stark: während die Sentenzen Shakespeare’s seinem Vorbilde Montaigne Ehre machen und ganz ernsthafte Gedanken in geschliffener Form enthalten, deshalb aber für die Augen des Theaterpublikums zu fern und zu fein, also unwirksam sind.