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Privat

Weil es in Deutschland kein öffentliches Leben gibt, sondern nur Kongresse und Tumulte, so nennt sich gern alles, was ein bißchen was ist: privat.

Die Sache hat wohl damit angefangen, dass Zigarettenfirmen gewisse Marken für die Chefs und für das Haus herstellen ließen – diese Mischungen waren vorerst nicht für den Handel bestimmt. Dann aber kamen sie doch in den Handel, und um zu zeigen, wie fein und vornehm der neue Tabak sei, nannte man ihn nun: Pebeco privat. Und das griff dann auf den Gottbehüte Weinbrand über und auf den Sekt, und jetzt heißen auch schon Schreibmaschinen so. »Wenn Sie in Ihrer Privatbar … « habe ich neulich gelesen. Denn mit dem Fressen ist das so eine Sache, aber Privatbar muß sein. Und wenn sie drei alte Fotos veröffentlichen, auf denen zu sehn ist, wie sie als Kind auf dem Lackstühlchen gesessen haben, dann sind diese Bilder »aus Privatbesitz«, das klingt so hübsch nach Gemäldegalerie, aber es ist bloß ein altes Fotografiealbum.

Sie spielen Privatleben.

»Wie ich in einem außerdienstlichen Gespräch privat erfahren habe … « – aber lacht sie doch aus mit ihrer Wichtigtuerei, fegt das doch mit einer Handbewegung vom Tisch, denn alles das besteht ja nur in diesen mit Sandpapier abgeschabten Köpfen. Es ist völlig gleichgültig, ob einer eine Sache offiziell, offiziös oder privat erfahren hat – er weiß sie eben, und wenn es sich zum Beispiel um eine Schiebung handelt und er packt nicht zu, dann ist er ein Schweinehund. Ein offizieller, ein offiziöser, ein privater – zum Aussuchen.

Sie spielen Dienst.

Ob Kellner, Regierungsrat oder Radauknecht bei Hitler –: sie haben eine Uniform an, stehn vor sich selber stramm und glauben an ihre irdische Mission. Die ist dienstlich. Dahinter lebt dann, kümmerlich aber immerhin, das sogenannte Privatleben. »Sie war«, schrieb neulich eine Zeitung ganz ernsthaft, »sie war privatim blond.« Als Klavierlehrerin war sie das nämlich nicht, da war sie nur Klavierlehrerin.

Sie glauben ernsthaft, das sei sachlich. Es ist aber nur die trübe Atmosphäre der Kompanie-Schreibstube, wo der Feldwebel dienstlich von nichts wußte und außerdienstlich grinsend in eine Stulle biß. Dienstlich hat diese Welt manche Erfolge zu verzeichnen. Privatim ist sie rechtens immer hinten heruntergefallen.

Ignaz Wrobel
Die Weltbühne, 01.03.1932, Nr. 9, S. 342.