Canova
Außer den bereits erwähnten Werken Canova's verdienen noch folgende seiner Hauptarbeiten angeführt zu werden: die siegende Venus, auf dem Ruhebette liegend und einen Apfel in der Hand haltend, in der Villa Borghese zu Rom (der Kopf soll Porträt der Prinzessin Pauline Borghese sein); eine Nachbildung der Mediceischen Venus (im Palazzo Pitti zu Florenz); eine andere dem Bade entsteigende Venus, im Charakter und Haltung der mediceischen, im Adel der Formen und in der Lauterkeit der Arbeit eines der vorzüglichsten Meisterwerke der neueren Skulptur (in der Galerie des Marquis von Landsdowne in London); eine dritte Venus des Meisters befindet sich in der Glyptothek zu München; eine vierte hat Canova in den Händen des Bankier Thomas Hope gelassen; eine Nymphe, auf dem Löwenfell ruhend und dem Leierspiel eines Amor in zuhorchend, eine höchst anmutige Figur von zarter Vollendung (für den verstorbenen König von England ausgeführt und nach dessen Hinscheiden vom Marquis von Landsdowne erstanden); die drei Grazien, eines der gerühmtesten Werke des Meisters, von dem sich ein Exemplar in der Skulpturengalerie des Herzogs von Bedford in Woburn-Abbey, ein anderes in der Leuchtenberg'schen Galerie befindet. Die Idee zu diesem Werk war dem Künstler von der Kaiserin Josephine angegeben worden, auch war das erstgenannte Exemplar für sie bestimmt. Die Arbeit war aber als sie starb (im Jahr 1814) noch nicht vollendet und so verkaufte sie der Künstler an den genannten englischen Herzog. So großen Reiz aber auch die glückliche Zusammenstellung, die zarte meisterhafte Vollendung der Arbeit in dieser Gruppe hervorbringt, so ist doch die Bildung der Köpfe etwas zu einförmig und süßlich und das Knochengerüste der Glieder, um welche das weiche Fleisch gewoben ist, zu wenig angedeutet. Ferner: die geflügelte Bildsäule des Friedens (für den Kanzler Romanzoff in Petersburg ausgeführt), eine hübsche Gewandstatue; die Concordia, unter dem Bildnis der Kaiserin Marie Louise, eine sitzende Statue mit Szepter und Opferschale; Paris, lebensgroße Statue (in der Glyptothek zu München, eine der ausgezeichnetsten Arbeiten des Meisters; Theseus mit dem erlegten Minotaurus (im Besitz des Marquis von Londonderry zu London); die sitzende Statue Washingtons*) im römischen Gewände und wie es scheint in dem Augenblicke dargestellt, in welchem er seine letzte Botschaft an die Versammlung der Vereinigten Staaten aufzeichnet. Diese Statue im Jahr 1820 vollendet, wurde im Staatspalaste zu Raleigh, der Hauptstadt von Nord-Carolina aufgestellt, ging aber während eines Brandes des Gebäudes zu Grunde. Dann: die Statue des Marchese Poleni auf dem Platze Prato della Valle zu Padua; die Marmorbüste Kaiser Franz I. in Wien; die Statue der Polyhymnia; die Bildsäule Pius VI. in der Peterskirche zu Rom; die Porträtstatue der Gemahlin Lucian Bonaparte's mit der Lyra im Arm, eine große schön bekleidete Marmorstatue; ein kolossaler Hektor; ein Ajax; die Terpsichore, eine sehr edle Gewandstatue, eine sitzende Polyhymnia, Johannes, der Täufer, und ein Cupido (ehemals im Besitz des Grafen Sommariva); drei Tänzerinnen; die Statuen der Frömmigkeit und Sanftmut, früher für das Grabmal Clemens XIV. bestimmt, aber später durch andere ersetzt; eine schlafende weibliche Figur in der Stellung des Hermaphrodit, mit bewundernswürdiger Weichheit und Naturwahrheit ausgeführt (im Besitz des Marquis von Landsdowne); eine büßende Magdalena, auf dem Felsbette liegend, und Endymion in schlafender Stellung (im Besitz des Herzogs von Deyonshire in Chatsworth), ein Werk von der größten Weiche und von äußerster Vollendung des Marmors, beide 1822, kurz vordem Ende des Künstlers ausgeführt. Endlich ein Pferd, welches bestimmt war, Napoleon's Statue zu tragen. Überdies eine Anzahl von Büsten, worunter wir namentlich das Porträt Napoleon's, sehr lebendig und von größter Vollendung, das als Original zu der Statue dieses Kaisers diente (das Gipsmodell davon im Museum der bildenden Künste zu Stuttgart) und Canovas eigene Überlebensgroße Büste zählen (beide im Besitz des Herzogs von Devonshire in Chatsworth); Basreliefs mit Darstellungen nach griechischen Dichtern und verschiedene Grabdenkmale, unter denen besonders genannt werden dürften: die Grabmäler des Kupferstechers Volpato (in der Apostelkirche zu Rom); des Dichters Alfieri (in der Kirche Santa Croce zu Florenz) mit der vielfach bewunderten kolossalen Marmorstatue der trauernden Italia**); der Gräfin von Santa Cruz; des Grafen Souza; des Dom. Manzoni, zu Forli; des Senators Faliero, Canovas erstem Mäzen; des Prinzen Friedrich von Oranien; des Grafen Ottavio Trento zu Vicenza; des Franc. Pesaro; des Admirals Nelson; der letzten Stuarts in der Peterskirche zu Rom u.s.w.
Im Ganzen hat Canova dreiundfünfzig Marmorstatuen, zwölf Gruppen, vierzehn Sarkophage, acht große Grabmonumente, neun kolossale Figuren, vierundfünfzig Büsten, sechsundzwanzig Basreliefs, zusammen hundertsechsundsiebenzig Werke verfertigt, zweiundzwanzig Gemälde und eine unzählige Menge Zeichnungen, Studien, Modelle u.s.w. nicht gerechnet. Seine Bilder, meist in oder ein wenig unter Lebens-größe, sind leicht hingemalt, sowohl im den Fleischpartien als im Farbenton überhaupt, reizend und wahr und zeugen von einem tiefergehenden Studium der venezianischen Meister. Sie stellen meistens Venus und Amor, die Grazien, antike Helden u.s.w. dar.
Canova's eminentes Talent überwand die Schwierigkeiten der Technik, der Hand und des Meisels, mit einer erstaunlichen Leichtigkeit und wusste seine Gedanken in einer neuen und originellen Auffassungsweise mit größter Lebendigkeit in der Komposition und meisterhafter Sicherheit in der Form und in der Behandlung aus dem Marmor zu schlagen. Mag seine etwas sentimentale Natur auch seinen Gestalten hin und wieder eine gewisse weichliche Empfindsamkeit eingehaucht haben, und ein Teil der ihm so allgemein zu, Teil gewordenen großen Bewunderung dem Umstände zugeschrieben werden, dass er gerade darin den herrschenden sentimentalen Zug der Zeit traf; mag er auch in seinem Streben nach Anmut, Grazie und Zierlichkeit der Formen, die insbesondere den meisten seiner weiblichen und jugendlichen Gestalten nicht abzusprechen ist, sich, um zu gefallen, zuweilen zu direkt an die Sinne gewandt haben und dadurch in eine Weichlichkeit und Affektation geraten sein, die oft geradezu widerlich wird und dem Gedanken eine ganz falsche Richtung gibt; mag er selbst hie und da, wo er aus eigenem Antrieb oder durch Bestellungen veranlasst, die ihm eigentümliche Sphäre heiterer sinnlicher Schönheit überschritt und Kraft und Großartigkeit zu erreichen strebte, nicht selten in Übertreibung der Motive und Formen gefallen, auch von dem Vorwurf einer mehr malerischen als plastischen Anordnung in der Komposition nicht frei zu sprechen sein; ja mag die hohe Vollendung seiner Behandlung sogar manchmal dadurch, dass er dem Marmor eine mit dem darzustellenden Stoffe im Widerspruch stehende Politur gab, störend wirken, so ist es doch hoch anzuschlagen, dass Canova der erste war, der Anmut und Natürlichkeit in der Bildung der Gestalten wieder anstrebte, in einer Zeit, welcher der Sinn dafür gänzlich abhanden gekommen und verschlossen war; bleibt es des Meisters unbestreitbares Verdienst, die Bildhauerkunst aus ihrer tiefen Erschlaffung wieder emporgerafft, ihr durch seine Werke, durch seine ungemeine Tätigkeit und technische Fertigkeit, durch die vielfachen Aufträge und seinen in ganz Europa verbreiteten Ruf wieder Achtung, Teilnahme und Aufnahme verschafft, sie wieder auf die Bahn der Natur und der einfachen Schönheit der antiken Kunst zurückgeführt zu haben und dadurch einer der Mitbegründer der neuern Skulptur geworden zu sein.
Literatur. A. Paravia, Notizie intorno alla vità di Antonio Canova. Roma, 1823. — Missinini, Vita di Antonio Canova. Prato, 1827. — Cicognara, Storia della Scultura. — H. de Latouche und Gräfin Albrizzi, Die Werke Canova's (mit vielen Abbildungen). Stuttgart, 1835. — Zeitgenossen, Neue Reihe Nro. XXI. Leipzig.
Kupferwerke. Moses, The works of Canova, London 1828. — T. K. Hervey, Illustrations of modern sculpture. A series of engravings. London, 1832.
*) Abgebildet in den Denkmälern der Kunst. Atlas zu Kuglers Handb. der Kunstgesch. Taf. 103, Fig. 4.
**) Abgebildet in den Denkmälern der Kunst. Atlas zu Kuglers Handb. der Kunstgesch. Tat. 103, Fig. 2.