Abteilung VII.
Über den Begriff der notwendigen Verknüpfung.
Abschnitt I.
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Wenn man sich unter äußern Gegenständen umsieht und die Wirksamkeit der Ursachen betrachtet, so kann man für den einzelnen Fall niemals eine Macht oder notwendige Verknüpfung entdecken; keine Eigenschaft zeigt sich da, welche die Wirkung an die Ursache bände und die eine zur untrüglichen Folge der andere machte. Man bemerkt nur, dass das Eine tatsächlich und wirklich dem Andern folgt. Dem Stoße der einen Billardkugel folgt die Bewegung der zweiten. Dies allein nehmen die äusseren Sinne wahr. Die Seele hat keine Empfindung oder innern Eindruck von dieser Folge der Gegenstände. Das einzelne Beispiel einer Ursache und Wirkung hat deshalb nichts an sich, was den Begriff von Kraft oder notwendiger Verknüpfung darbieten könnte.
Bei dem ersten Auftreten eines Gegenstandes kann man nie die aus ihm hervorgehende Wirkung wissen. Wäre die Kraft oder Wirksamkeit einer Ursache der Seele erkennbar, so könnte man auch ohne Erfahrung die Wirkung vorhersehen und vermittelst der bloßen Kraft des Denkens und Schließens schon bei dem ersten Male sich mit Gewissheit darüber aussprechen.
Aber in Wahrheit bietet keine Tatsache in ihren wahrnehmbaren Eigenschaften eine Kraft oder Wirksamkeit, noch gibt sie einen Anhalt für das, was sie hervorbringt, oder was ihr folgt, und was man ihre Wirkung nennen kann. Undurchdringlichkeit, Ausdehnung, Bewegung, alle diese Eigenschaften sind in sich vollständig und bezeichnen kein anderes Ereignis, was aus ihnen hervorgehen könnte. Die Erscheinungen wechseln fortwährend in der Welt, und Eines folgt dem Andern in ununterbrochener Reihe; aber die Macht oder Kraft, welche die ganze Maschine bewegt, ist uns völlig verborgen und zeigt sich in keiner wahrnehmbaren Eigenschaft der Körper. Wir wissen, dass tatsächlich die Hitze ein beständiger Begleiter der Flamme ist; was aber das Bindende zwischen beiden ist, dafür haben wir nur das weite Feld der Vermutungen und Voraussetzungen. Der Begriff der Kraft kann deshalb von der Betrachtung der Körper in den einzelnen Fällen ihrer Wirksamkeit nicht abgeleitet werden, denn kein Körper zeigt eine Kraft, welche das Urbild zu diesem Begriff abgeben könnte.*
Wenn daher die äußeren Gegenstände, wie sie den Sinnen erscheinen, uns keinen Begriff von der Kraft oder notwendigen Verknüpfung bei ihrer Wirksamkeit in dem einzelnen Falle bieten, so muss man sehen, ob dieser Begriff seinen Ursprung nicht in einer Selbstbetrachtung der Tätigkeit der eigenen Seele hat und also das Abbild eines innern Eindrucks ist. Man kann behaupten, dass man jederzeit einer innern Kraft sich bewusst ist, weil man bemerkt, dass man durch das einfache Verlangen des Willens die Glieder des Körpers bewegen und die Vermögen der Seele leiten kann. Ein einzelnes Wollen bewirkt die Bewegung in unsern Gliedern oder weckt eine neue Vorstellung in unserm Denken. Dieser Einfluss des Willens ist uns durch das Selbstbewusstsein bekannt. Davon bekommen wir den Begriff der Kraft oder der Wirksamkeit, und wir sind sicher, dass wir selbst und alle vernünftigen Wesen Kraft besitzen. Diese Vorstellung ist deshalb eine durch Selbstbetrachtung gewonnene Vorstellung; sie entspringt aus der Betrachtung der Seelentätigkeit und des Einflusses, welchen der Wille über die Glieder des Körpers und die Vermögen der Seele ausübt.
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* Locke sagt in seinem Kapitel über die Kraft: Die Erfahrung lehrt, dass neue Hervorbringungen im Stoffe Statt haben; daraus folgert man, dass eine Kraft bestehen müsse, die dergleichen bewirken könne, und so gelangt man mit diesem Denken zuletzt zum Begriff der Kraft. - Aber kein Denken kann eine neue ursprüngliche einfache Vorstellung zuführen, wie dieser Philosoph selbst anerkennt. Der Begriff der Kraft kann daher auf diesem Wege nicht entstehen.
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