Klassifikation - Unterordnung der Gruppen
Von der frühesten Periode in der Geschichte der Erde an gleichen alle organischen Wesen einander in immer weiter abnehmendem Grade, so dass man sie in Gruppen und Untergruppen klassifizieren kann. Diese Gruppierung ist offenbar nicht willkürlich, wie die der Sterne zu Sternbildern. Die Existenz von Gruppen würde eine einfache Bedeutung haben, wenn eine Gruppe ausschließlich für das Wohnen auf dem Lande und eine andere für das Leben im Wasser, eine für Fleisch- , eine andere für die Pflanzennahrung u.s.w. gebildet wäre; in der Natur aber verhält sich die Sache sehr verschieden, denn es ist bekannt, wie oft sogar Glieder einer nämlichen Untergruppe verschiedene Lebensweisen besitzen. Im zweiten und vierten Kapitel, über Abänderung und natürliche Zuchtwahl, habe ich zu zeigen versucht, dass es in jedem Lande die weit verbreiteten, die überall vorkommenden und gemeinen, d.h. die herrschenden, zu großen Gattungen gehörenden Arten in jeder Klasse sind, die am meisten variieren. Die so entstandenen Varietäten oder beginnenden Arten gehen endlich in neue und verschiedene Arten über, welche nach dem Vererbungsprozess geneigt sind, andere neue und herrschende Arten zu erzeugen. Demzufolge streben die Gruppen, welche jetzt groß sind und allgemein viele herrschende Arten in sich einschließen, danach, beständig an Umfang zuzunehmen. Ich habe weiter nachzuweisen gesucht, dass aus dem Streben der abändernden Nachkommen einer Art, so viele und verschiedene Stellen als möglich im Haushalte der Natur einzunehmen, eine beständige Neigung zur Divergenz der Charaktere entspringt. Diese letzte Folgerung wurde unterstützt durch die Betrachtung der großen Mannigfaltigkeit der Formen, die, auf irgend einem kleinen Gebiete, in Konkurrenz miteinander geraten, und durch die Wahrnehmung gewisser Tatsachen bei der Naturalisierung.
Ich habe ferner darzutun versucht, dass bei den an Zahl und an Divergenz des Charakters zunehmenden Formen ein fortwährendes Streben vorhanden ist, die früheren minder divergenten und minder verbesserten Formen zu unterdrücken und zu ersetzen. Ich ersuche den Leser, nochmals das Schema anzusehen, welches bestimmt war, die Wirkungsweise dieser verschiedenen Prinzipien zu erläutern, und er wird finden, dass die einem gemeinsamen Urerzeuger entsprossenen abgeänderten Nachkommen unvermeidlich immer weiter in Gruppen und Untergruppen auseinanderfallen müssen. In dem Schema mag jeder Buchstabe der obersten Linie eine Gattung bezeichnen, welche mehrere Arten enthält, und alle Gattungen dieser obern Linie bilden miteinander eine Klasse, denn alle sind von einem gemeinsamen alten Erzeuger entsprossen und haben mithin irgend etwas Gemeinsames ererbt. Aber die drei Gattungen auf der linken Seite haben diesem nämlichen Prinzip zufolge mehr miteinander gemein und bilden eine Unterfamilie, verschieden von derjenigen, welche die zwei rechts zunächstfolgenden einschließt, die auf der fünften Abstammungsstufe einem ihnen und jenen gemeinsamen Erzeuger entsprungen sind. Diese fünf Genera haben auch noch Vieles miteinander gemein, doch weniger, als wenn sie in Unterfamilien vereinigt werden; sie bilden miteinander eine Familie, verschieden von den die nächsten drei Gattungen weiter rechts umfassenden, welche sich in einer noch frühern Periode von den vorigen abgezweigt haben. Und alle diese von A entsprungenen Gattungen bilden eine von den aus I entsprossenen verschiedene Ordnung. So haben wir hier viele Arten von gemeinsamer Abstammung in mehrere Genera verteilt, und diese Genera bilden, indem sie zu immer größeren Gruppen zusammentreten, erst Unterfamilien, dann Familien, dann Ordnungen, sämtlich zu einer Klasse gehörig. So erklärt sich nach meiner Ansicht die Erscheinung der natürlichen Subordination aller organischen Wesen in Gruppen unter Gruppen, die uns freilich in Folge unserer Gewöhnung daran nicht immer genug aufzufallen pflegt. Die organischen Wesen lassen sich ohne Zweifel, wie alle anderen Gegenstände, in vielfacher Weise in Gruppen ordnen, entweder künstlich nach einzelnen Charakteren, oder natürlicher nach einer Anzahl von Merkmalen. Wir wissen z.B., dass man Mineralien und selbst Elementarstoffe so anordnen kann. In diesem Falle gibt es natürlich keine Beziehung der Klassifikation zu der genealogischen Aufeinanderfolge, und es lässt sich für jetzt kein Grund angeben, warum sie in Gruppen zerfallen. Bei organischen Wesen steht aber die Sache anders und die oben entwickelte Ansicht erklärt ihre natürliche Anordnung in Gruppen unter Gruppen; und eine andere Erklärung ist nie versucht worden.