FURIAE, árum,
1 §. Name. Diesen haben sie von Furor, die Raserei, von welcher böse Leute durch ihr böses Gewissen umgetrieben werden; Nat. Com. l. III. c. 10. oder auch von dem hebräische Worte fara, Rache, welche sie an den Bösen ausübten. Voss. Theol. gent. l. VIII. c. 18. Nach dem Griechischen heißen sie insbesondere Erinnyen und Eumeniden, sonst aber bei den Lateinern auch Diræ; und zwar sollen sie im Himmel Dirä, auf der Erde Furien und in der Hölle Eumeniden heißen. Serv. ad Virgil. Aen. IV. 691. Es ist aber solches nicht so ganz ausgemacht und sie führen diese Namen vielmehr nach Beschaffenheit ihrer Verrichtungen. Barnes. ad Eurip. Herc. fur. 878.
2 §. Eltern. Diese waren, nach einigen, Aether und die Erde, Hygin. Præf. p. 3. nach anderen, Acheron und die Nacht, Nat. Com. l. III. c. 10. nach den dritten Pluto und Proserpina, Orpheus Hymn. in Eumen. v. 2. nach den vierten Saturnus und Evonyme, Epimenides ap. Nat. Cam. l. c. nach den fünften die Erde und skotos oder das Dunkle, Sophocl. Oedip. Colon. 40. wogegen die sechsten wenigstens für ihre Mutter die Nacht angeben. Lycophr. v. 437. Aesch. Eumen. v. 419. Wenn aber gesagt wird, dass einige sie auch für Töchter der Zänkerei oder Zwietracht Eris hielten: Nat. Com. l. c. Ban. Erl. der Götterl. IV B. 110 S. so hat man die Stelle nicht recht verstanden, worauf man sich bezieht; weil darin nur gesagt wird, dass sie den fünften Tag jedes Mondes herumgehen, den Hortus zu rächen, welchen Eris geboren hat. Hesiod. Dies 803. Einige melden auch, sie sei aus dem Blute entsprossen, welches Cölus vergossen, als ihm Saturn die Mannheit nahm. Hesiod. Theog. v. 185. Apollod. l. I. c. 1. §. 3. & Barnes. aa Eurip. Herc. furent. v. 843.
3 §. Anzahl und besondere Namen. Insgemein werden ihrer drei gezählt, nämlich Alekto. Megära und Tisiphone; Apollod. l. I. c. I. §. 3. & Phurnut. de N.D. c. 10. jedoch setzen manche noch die vierte, Lyssa, darzu. Euripid. Herc. fur. v. 878. Andere nehmen überhaupt nur eine an, welche sie Adrastea nennen und für eine Tochter der Notwendigkeit und Jupiters angeben. Plutarch. de sera num. vind. p. 564. T. II. Opp. Man sehe von ihnen insgesamt an ihren Orten besonders nach.
4 §. Wesen. Sie waren Straf- oder Plagegöttinnen, welche diejenigen nach Verdienste peinigten, die etwas böses begangen hatten und darüber mit den Göttern nicht wieder waren ausgesöhnt worden. Nat. Com. l. III. c. 10. Die Götter brauchten sie auch, die Menschen mit Krieg, der Pest und anderen Plagen heimzusuchen: und es scheint, dass solche dergestalt unter sie verteilt gewesen, dass Alekto den Krieg und Tisiphone die ansteckenden Seuchen zu erregen und zu befördern gehabt: Megära aber gebraucht worden, wenn jemand zum Tode sollte gebracht werden. Ban. Erl. der Götterl IV B. 115 S. Ihre eisernen Betten hatten sie im Eingang der Hölle stehen: Virg. Aen. VI. 280. sonst aber befanden sie sich selbst in dem Tartarus, wo sie die Verdammten quälten und unter anderen dergestalt mit ihren Schlangenpeitschen auf solche zuschlugen, dass man es weit und breit hören konnte. Id. ib. l. XII. v. 557. & ad eum Cerda l. c. Jedoch sollen sie sich auch bei Jupiters Thron befinden und dessen Willen und Wink beobachten, wo er sie etwa brauchen wolle, um der Menschen Bosheit zu bestrafen. Id. ib. l. XII. v. 845. Sie waren daher allezeit nüchtern, um dessen Befehl und Rache ausüben zu können: Suidas in Nêphalios, allein, auch stets Jungfrauen, weil sie sich mit nichts bestechen und von ihrer Rache abhalten ließen. Id. in Aeiparthenos.
5 §. Verehrung. Sie wurden dergestalt gefürchtet, dass man sich kaum getraute, sie zu nennen. Euripid. Orest. v. 37. Indessen hatten sie hin und wieder ihre Tempel, und erbaute ihnen unter anderen Orestes dergleichen zu Cerynea, in Achaja, in welchem alle die, welche in denselben kamen, und etwas böses begangen hatten, sogleich von Sinnen kamen. Paus. Ach. c. 25. p. 448. Sie hatten auch einen zu Telphiusa, in Arkadien, woselbst ihnen vornehmlich ein schwarzes trächtiges Schaf geopfert wurde. Tzetz. ap. Nat. Com. l. III. c. 10. p. 219. Zu Kolonus schöpfte man aus drei Brunnen mit Bechern, deren Handhaben mit Wolle von einem jungen Lamm umwunden waren, Wasser, vermischte solches mit Honig, wandte sich gegen Morgen, goß solches aus, warf darauf neun Ölzweige dreimal zu Erde und betete dabei ganz sacht. Es durfte durchaus kein Wein dazu kommen. Überhaupt mußte ihr Opfer mit einem allgemeinen Stillschweigen verrichtet werden. Sophocl. Oedip. Colon. 482. sqq. & Schol. ad h. l. Einige wollen, dass bei demselben durchaus kein Feuer angezündet werden dürfe, welches aber ohne Grund vorgegeben wird. Spanhem. ad Callim. Hymn. in Pallad. v. 107. Sonst wurden ihnen weiße Turteltauben geopfert, Aelian. H. A. l. X. c. 46. und von Blumen waren ihnen besonders die Narzissen, von Bäumen die Zedern, Erlen und Rhamni, imgleichen der Wacholder, von anderen Gewächsen aber Safran heilig. Voss. Theol. gent. l. IX. c. 39.
6 §. Bildung. Sie werden als häßliche Frauenpersonen vorgestellt, die keine Ähnlichkeit mit den Menschengestalten haben sollen und auch unter den Göttinnen nicht gesehen worden. Aeschyl. Eumen. v. 413. Sie hatten scheußliche, gräuliche, blutige und flammende Gesichter, lederne Flügel, lange, dürre und hagere Schenkel und Beine, nebst welken und lang herabhängenden Brüsten. Barnes. ad Eurip. Herc. fur. v. 882. Anstatt der Haare hatten sie auf den Köpfen lauter Schlangen. Aeschyl. Chartar. Imag. 43. & Phurnut. de N.D. c. 10. Sie waren auch mit dergleichen umgürtet. Ovid. Metam. IV. 480. In der einen Hand führten sie eine brennende Fackel, Seneca in Hercule furente v. 980. in der anderen aber einen Bündel Schlangen statt einer Peitsche. Ihre Kleidung war dabei schwarz und ging bis auf die Erde, wobei sie aber in der einen Hand, an statt der Fackel, auch wohl einen Stab führten. Suidas ap. Chartar. l. c. Einige gaben ihnen noch einen Schlüssel, eine Peitsche, ein Schwert und Hunde zu. Nummus Seguini ap. Thom. Gale ad Phurnut. l. c. Ihre Gefährten sollen Furcht, Schrecken und Unsinn sein. Ovid. l. c. Ihre Geschwister aber sollen Zwietracht, Hunger, Krankheit, Alter, Neid, Trauren, Kühnheit u.s.f. sein. Claudian. in Ruf. l. I. v. 26. In den ältern Zeiten hatten ihre Bildnisse noch nichts schreckliches, sondern waren wie der anderen Göttinnen ihre. Pausan. Attic. p. 52. Von alten Denkmalen, auf welchen sie vorkommen, außer einigen Gemmen und Münzen, hat man wenig oder gar keine: jedoch will man sie auf einer alten Lampe unter vielen anderen Figuren antreffen Zwei davon stehen mit strobeligen Haaren und häßlichen Gesichtern an dem Bett eines Sterbenden oder Toten, und die dritte soll sich auf der anderen Seite an dem Nachen des Charons hinter dessen Rücken befinden Montf. antiq. expliq. T. V. p. 234. Gleichwohl macht der erste Herausgeber derselben eine ganz andere Auslegung davon. Licet. de lucern. antiq. p. 603, 645 & 657.
7 §. Deutung. Sie sind an sich nichts, als das böse Gewissen. Cicer. pro Rosc. c. 26. Man hält sie für der Nacht Töchter, weil die Laster, die danach das Gewissen peinigen, teils von der Finsternis der Unwissenheit herkommen, oder auch im Finstern begangen werden; Omeis Mythol. in Furiæ. s. p. 108. oder auch für Töchter des Pluto als des Gottes des Reichtums, weil dieser zu vielen Lastern Ursache und Gelegenheit gibt. Nat. Com. l. III. c. 10. Jedoch werden sie auch für Strafen Gottes gehalten; und es sind ihrer drei, weil der Hauptplagen insbesondere drei sind, nämlich Pest, Hunger und Krieg. Omeis. l. c. Sie wohnen in der finstern Hölle, weil der Ursprung solcher Plagen oft unbekannt ist. Phurnut. de N.D. c. 10. Sie führen Schlangen und brennende Fackeln, den nagenden Wurm und das brennende Feuer der Verdammten anzuzeigen. Omeis l. c. Noch andere deuten ihre gedritte Zahl auf die drei Hauptaffekte der Menschen, den Zorn, den Geiz und die Wollust, als durch welche der Menschen Gemüter geplagt und zerrüttet werden Lactant. Instit. l. VI. c. 19. & Isidor. ap. Gyrald. Synt. VI. p. 210. Man will auch eine dunkle Nachricht von dem Fall der Engel und ihrer Strafe zu der Erfindung der Furien angeben, weil sie doch gleichfalls eine Art Teufel sind, die zur Bestrafung der Bösen dienen. Ban. Erl. der Götterl. IV B. 111 S. Ein mehrers siehe unter ihren besondern Namen, imgleichen unter Eumenides, Erinnyes und Dirä.