1. Einzelnes und Allgemeines
Der Erkenntnis des Allgemeinen muß vorangehen die Sinnenwahrnehmung der Einzeldinge. Aus ihr bildet sich, mit Hilfe der Induktion, das der Zeit und Veranlassung nach zuerst von uns Erkannte (proteron pros hêmas), wohl zu unterscheiden von dem »von Natur« oder »an sich« Ersten (proteron haplôs oder proteron tê physei). Wir Menschen, mit unserem beschränkten Erkenntnisvermögen, beginnen mit dem proteron pros hêmas, um im Laufe unseres Forschens immer tiefer in das proteron tê physei einzudringen. Worin kann dies Wesen (physis), dies an sich Erste anders bestehen als in der Idee? fragt der Platoniker mit Recht. Wäre auch Aristoteles, wie Trendelenburg meint, dieser Ansicht, so wäre er in der Tat von Platos kath' hauto, idea und ousia nicht weit entfernt gewesen und hätte gegen den Idealismus nicht Sturm zu laufen brauchen. Aber es verhält sich tatsächlich anders. Nur das bestimmte Einzelding (tode ti), der Mensch hier (ho tis anthrôpos), das Pferd dort (ho tis hippos) ist für ihn wirklich, ist Substanz (ousia) im eigentlichen Sinne. Die Gattungsbegriffe (der Mensch schlechthin, das lebende Wesen) bedeuten nur sprachlich etwas Einzelnes, sind in Wahrheit bloß uneigentliche, sekundäre Substanzen (deuterai ousiai). Ihrem wahren Sinne nach bezeichnen sie nur eine Eigenschaft (poion ti) und drücken die Übereinstimmung vieler Einzeldinge in bezug auf dies aus. Andereits wird die Substanz freilich auch wieder als das »An sich« (kath' hauto), das Wesentliche, im Gegensatz zu dem Akzidentiellen (kata to symbebêkos), d. i. dem den Dingen zufällig Anhaftenden gebraucht: sodass selbst ein so konservativer, im ganzen mehr auf Aristoteles' als auf Platos Seite stehender Forscher wie Zeller zugibt, hier sei »ein Widerspruch« vorhanden, »dessen Folgen sich durch das ganze aristotelische System hindurchziehen«.