vii
Während er mit Genuß Aglaja betrachtete, die munter mit dem Fürsten N. und Jewgenij Pawlowitsch plauderte, nannte auf einmal der bejahrte Anglomane, der in einer anderen Ecke den „Würdenträger“ unterhielt und ihm mit großer Lebhaftigkeit etwas erzählte, den Namen Nikolai Andrejewitsch Pawlischtschew. Der Fürst wandte sich schnell nach ihrer Seite hin und begann zuzuhören.
Es war von der neuen Ordnung der Dinge die Rede und von gewissen Tumulten auf Gütern im Gouvernement ***. Die Erzählungen des Anglomanen mußten wohl ein heiteres Element enthalten, da der Alte schließlich über den galligen Eifer des Erzählers zu lachen anfing. Dieser erzählte flüssig, die Worte griesgrämig in die Länge ziehend und auf die Vokale einen leisen Nachdruck legend, wie er sich, speziell durch die jetzige Ordnung der Dinge, genötigt gesehen habe, ein ihm gehöriges prächtiges Gut im Gouvernement *** für den halben Preis zu verkaufen, obwohl er sich gar nicht in Geldverlegenheit befunden habe, und gleichzeitig ein heruntergekommenes, ertragloses, mit einem Prozeß belastetes Gut zu behalten, bei dem er sogar noch zuzahlen müsse. „Um noch einem Prozeß auch wegen des Pawlischtschewschen Landes zu entgehen, habe ich Reißaus genommen. Noch eine oder zwei solche Erbschaften und ich bin ruiniert. Ich habe dort übrigens dreitausend Deßjatinen1 vorzüglichen Bodens hinzubekommen.“
„Siehst du … Iwan Petrowitsch ist mit dem verstorbenen Nikolai Andrejewitsch Pawlischtschew verwandt … du suchtest ja wohl nach dessen Verwandten“, sagte Iwan Fjodorowitsch halblaut zum Fürsten; er hatte bemerkt, mit welcher Aufmerksamkeit der Fürst das Gespräch verfolgte, und war nun schnell zu ihm getreten. Er hatte bisher seinen Vorgesetzten, den General, unterhalten, aber schon längst die Isolierung Lew Nikolajewitschs bemerkt und wurde unruhig; nun wollte er ihn bis zu einem gewissen Grad in das Gespräch hineinziehen und ihn auf diese Weise zum zweitenmal den hohen Persönlichkeiten vorführen und präsentieren.
„Lew Nikolajewitsch ist nach dem Tod seiner Eltern ein Zögling Nikolai Andrejewitsch Pawlischtschews gewesen“, schaltete er ein, als er Iwan Petrowitschs Blick auf sich gerichtet sah.
„Se-ehr angene-ehm“, versetzte dieser, „ich erinnere mich sehr gut. Als Iwan Fjodorowitsch uns vorhin einander vorstellte, habe ich Sie sofort wiedererkannt, sogar am Gesicht. Sie haben sich wirklich äußerlich nur wenig verändert, obwohl Sie damals, als ich Sie sah, noch ein Kind waren; Sie mochten etwa zehn oder elf Jahre alt sein. Es ist in Ihren Gesichtszügen etwas, was bei mir eine Erinnerung wachruft …“
„Sie haben mich gesehen, als ich noch Kind war?“ fragte der Fürst sehr erstaunt.
„Oh, es ist schon recht lange her“, fuhr Iwan Petrowitsch fort, „in Slatowerchowo, wo Sie damals bei meinen Kusinen lebten. Ich kam früher ziemlich oft nach Slatowerchowo, Sie erinnern sich meiner nicht? Se-ehr leicht möglich, daß Sie sich nicht erinnern … Sie hatten damals … Sie hatten damals irgendeine Krankheit, so daß ich einmal sogar Ihretwegen einen Schreck bekam …“
„Ich kann mich an nichts erinnern!“ antwortete der Fürst eifrig.
Beide stellten nun mit noch ein paar Worten die Sache klar, Iwan Petrowitsch sehr ruhig, der Fürst sehr aufgeregt, und es ergab sich, daß die beiden alten Fräulein, die mit dem verstorbenen Pawlischtschew verwandt waren und auf seinem Gute Slatowerchowo lebten und seinerzeit von ihm mit der Erziehung des Fürsten betraut wurden, zugleich Iwan Petrowitschs Kusinen waren. Iwan Petrowitsch hatte ebensowenig wie alle andern Leute eine Erklärung dafür, weshalb Pawlischtschew so für den kleinen Fürsten, sein Pflegekind, gesorgt hatte. „Ich habe damals vergessen, mich danach zu erkundigen“, sagte er, aber es stellte sich doch heraus, daß er ein vorzügliches Gedächtnis hatte; denn er erinnerte sich, wie streng seine ältere Kusine, Marfa Nikitischna, gegen den kleinen Pflegling gewesen sei, „so daß ich einmal sogar mit ihr um Ihretwillen wegen des Erziehungssystems in Streit geriet, denn immer Schläge und Schläge für ein krankes Kind … das ist doch … das müssen Sie selbst sagen …“, und mit welcher Zärtlichkeit ganz im Gegensatz dazu die jüngere Kusine, Natalja Nikitischna, den armen Knaben behandelt habe … „Sie leben jetzt beide“, berichtete er weiter, „im Gouvernement *** (ich weiß nur nicht, ob sie zur Zeit wirklich noch leben), wo ihnen von Pawlischtschew ein sehr nettes kleines Gut durch Erbschaft zugefallen ist. Marfa Nikitischna beabsichtigte, wenn ich mich recht entsinne, in ein Kloster zu gehen; übrigens will ich es nicht behaupten, vielleicht habe ich es von jemand gehört … ja, ich hörte es neulich von der Frau eines Arztes …“
Die Augen des Fürsten glänzten vor Entzücken und Rührung, als er das hörte. Er erklärte seinerseits sehr eifrig, er werde es sich nie verzeihen, daß er in den sechs Monaten, während er in den inneren Gouvernements herumgereist sei, nicht die Gelegenheit benutzt habe, um seine früheren Pflegerinnen ausfindig zu machen und zu besuchen. Er habe alle Tage hinfahren wollen und sei immer durch Abhaltungen daran gehindert worden … aber jetzt nehme er es sich fest vor … unbedingt … wenn es auch im Gouvernement *** sei … „Also Sie kennen Natalja Nikitischna? Was ist das für eine prächtige, fromme Seele! Aber auch Marfa Nikitischna … verzeihen Sie, aber Sie irren sich wohl in bezug auf Marfa Nikitischna! Sie war ja streng, aber … man mußte ja mit einem solchen Idioten, wie ich es damals war, notwendig die Geduld verlieren (hihi!). Ich war ja damals vollständig ein Idiot, Sie werden es kaum glauben können (haha!). Übrigens … übrigens, Sie haben mich damals gesehen und … sagen Sie nur, wie geht es zu, daß ich mich an Sie nicht erinnere? Also Sie … ach, mein Gott, also Sie sind wirklich ein Verwandter Nikolai Andrejewitsch Pawlischtschews?“
„Ja, ich ver-si-che-re es Ihnen!“ erwiderte Iwan Petrowitsch, indem er den Fürsten lächelnd anblickte.
„Oh, ich sagte es ja nicht in dem Sinne, als ob ich … als ob ich daran zweifelte … und kann man denn etwa irgendwie daran zweifeln (hehe!) … auch nur im geringsten zweifeln? (Hehe!) Ich sagte es deshalb, weil der verstorbene Nikolai Andrejewitsch Pawlischtschew ein so vortrefflicher Mensch war! Ein hochherziger Mensch, wahrhaftig, ich versichere Sie!“
Der Fürst war nicht nur außer Atem, sondern „erstickte sozusagen an seinen schönen Empfindungen“, wie sich über ihn am andern Morgen Adelaida im Gespräch mit ihrem Bräutigam, dem Fürsten Schtsch., ausdrückte.
„Ach, mein Gott!“ erwiderte Iwan Petrowitsch lachend, „warum sollte ich denn nicht sogar mit einem hoch-her-zi-gen Menschen verwandt sein können?“
„Ach, mein Gott!“ rief der Fürst verlegen und hastig, er wurde immer lebhafter. „Ich … ich habe wieder eine Dummheit gesagt; aber … es ist eben nicht anders möglich, weil ich … ich … ich … Übrigens, das gehört wieder nicht hierher! Und was liegt auch jetzt an mir, sagen Sie selbst, angesichts solcher Interessen … angesichts so gewaltiger Interessen! … Und im Vergleich mit einem so hochherzigen Menschen, nicht wahr? Nicht wahr?“
Der Fürst zitterte am ganzen Leibe. Warum er sich auf einmal so aufregte, warum er ohne äußeren Anlaß in eine solche Rührung und in ein solches Entzücken hineingeriet, die anscheinend gar nicht im richtigen Verhältnis zu dem Gegenstand des Gesprächs standen, das wäre schwer zu sagen. Er war nun einmal in solcher Stimmung und empfand sogar in diesem Augenblick für irgend jemand und irgend etwas die heißeste, innigste Dankbarkeit, vielleicht sogar für Iwan Petrowitsch und beinah auch für alle anderen Gäste. Er war nun einmal zu glücklich. Iwan Petrowitsch begann schließlich, ihn weit genauer zu betrachten als vorher; auch der Würdenträger musterte ihn sehr genau. Die alte Bjelokonskaja richtete einen zornigen Blick auf den Fürsten und preßte die Lippen aufeinander. Fürst N., Jewgenij Pawlowitsch, Fürst Schtsch. und die jungen Mädchen unterbrachen sämtlich ihre Gespräche und hörten zu. Aglaja schien erschrocken zu sein, Lisaweta Prokofjewna es geradezu mit der Angst zu bekommen. Das Verhalten der Jepantschinschen Damen, der Mutter wie der Töchter, war recht sonderbar: sie waren selbst der Ansicht gewesen, es sei am besten, wenn der Fürst den Abend über schweigend dasitze, und hatten ihm dies auch anempfohlen; aber sowie sie gesehen hatten, daß er völlig vereinsamt und mit seinem Schicksal ganz zufrieden in einer Ecke saß, waren sie auch sofort in Aufregung geraten. Alexandra hatte gerade vorgehabt, zu ihm hinzugehen und ihn vorsichtig quer durch das ganze Zimmer zur Gesellschaft heranzuholen, das heißt genauer zum Fürsten N., der neben der alten Bjelokonskaja saß. Und kaum hatte der Fürst von selbst zu reden angefangen, als sie noch unruhiger wurden.
„Daß er ein vortrefflicher Mensch war, darin haben Sie recht“, sagte Iwan Petrowitsch mit Nachdruck und nunmehr ohne zu lächeln, „ja, ja, er war ein prächtiger Mensch! Ein prächtiger, wertvoller Mensch!“ fügte er nach kurzem Stillschweigen hinzu. „Man kann sagen, ein höchst achtenswerter Mensch“, fuhr er nach einer neuen Pause mit noch größerem Nachdruck fort, „und … und es ist eine Freude zu sehen, daß Sie Ihrerseits …“
„Hatte dieser Pawlischtschew nicht so eine Affäre … eine sonderbare Affäre … mit einem Abbé … mit einem Abbé … ich habe vergessen, mit was für einem Abbé, aber es sprachen damals alle davon“, sagte der Würdenträger, indem er in seinem Gedächtnis nachsuchte.
„Mit dem Abbé Gouraud, einem Jesuiten“, kam ihm Iwan Petrowitsch zu Hilfe. „Ja, so geht es mit unsern vortrefflichsten, würdigsten Männern! Denn er war doch von guter Familie, besaß Vermögen, hatte den Rang eines Kammerherrn, und wenn er … im Dienst geblieben wäre … Und da ließ er nun Dienst und alles im Stich, um zum Katholizismus überzutreten und Jesuit zu werden, und noch dazu beinah ganz offen, mit einer Art von Begeisterung. Wirklich, er ist gerade zur rechten Zeit gestorben … ja, das wurde damals allgemein gesagt.“
Der Fürst war außer sich.
„Pawlischtschew … Pawlischtschew zum Katholizismus übergetreten? Das ist unmöglich!“ rief er erschrocken.
„Nun, nun, ‚unmöglich‘!“ lispelte Iwan Petrowitsch gelassen. „Das ist denn doch zuviel gesagt, mein lieber Fürst, das müssen Sie selbst zugeben … Übrigens, Sie schätzen den Verstorbenen so außerordentlich hoch … und er war auch wirklich der beste Mensch, und gerade diesem Umstand schreibe ich es in der Hauptsache zu, daß dieser Gauner Gouraud mit seinen Bemühungen Erfolg hatte. Aber ich könnte Ihnen ein Lied davon singen, wieviel Mühe und Schererei ich damals von dieser Geschichte gehabt habe … und besonders mit diesem Gouraud! Stellen Sie sich vor“, wandte er sich plötzlich zu dem Würdenträger, „sie wollten sogar Ansprüche auf die Hinterlassenschaft erheben, und ich mußte damals sogar zu den allerenergischsten Maßregeln greifen … um sie zur Räson zu bringen … denn auf solche Dinge verstehen sie sich meisterhaft! Geradezu mei-ster-haft! Aber die Geschichte spielte, Gott sei Dank, in Moskau, so daß ich mich gleich an den Grafen wenden konnte, und da haben wir sie … zur Räson gebracht …“
„Sie glauben nicht, was Sie mir für eine schmerzliche Überraschung bereitet haben!“ rief der Fürst wieder.
„Das tut mir leid, aber im Grunde sind das alles, streng genommen, harmlose Dinge, die auch einen harmlosen Ausgang genommen hätten, wie immer; davon bin ich überzeugt. Im vorigen Sommer“, wandte er sich wieder an den Würdenträger, „ist die Gräfin K., wie man sagt, ebenfalls im Ausland in ein katholisches Kloster gegangen; unsere Landsleute haben eben keine Widerstandskraft, wenn sie sich einmal mit diesen … geriebenen Kunden einlassen … namentlich im Ausland.“
„Ich meine, das ist alles eine Folge unserer … Schlaffheit“, murmelte unter Kaubewegungen der Alte in überlegenem Ton. „Na ja, sie haben so eine eigene Manier zu predigen … eine elegante Manier … und verstehen es, die Leute einzuschüchtern. Auch mich haben sie, als ich einunddreißig Jahre alt war, in Wien eingeschüchtert, das kann ich Ihnen sagen; nur ergab ich mich nicht, sondern lief ihnen davon, haha!“
„Ich habe gehört, Väterchen, daß Sie damals mit der schönen Gräfin Lewizkaja von Wien nach Paris durchgingen und Ihren Posten verließen und nicht vor einem Jesuiten flohen“, bemerkte die alte Bjelokonskaja.
„Na, eigentlich doch vor einem Jesuiten, es kommt doch so heraus, daß ich vor einem Jesuiten floh!“ erwiderte der Alte, bei der angenehmen Erinnerung lächelnd. „Sie sind, wie es scheint, sehr religiös, was man jetzt bei einem jungen Menschen so selten findet“, wandte er sich freundlich an den Fürsten Lew Nikolajewitsch, der mit offenem Mund zuhörte und immer noch ganz überrascht war; der Alte wünschte offenbar, den Fürsten näher kennenzulernen; dieser begann ihn aus gewissen Gründen sehr zu interessieren.
„Pawlischtschew war ein heller Geist und ein Christ, ein wahrer Christ“, sagte der Fürst plötzlich, „wie konnte er nur einen unchristlichen Glauben annehmen? Der Katholizismus, das ist genauso schlimm wie ein unchristlicher Glaube!“ fügte er mit blitzenden Augen hinzu, indem er vor sich hin schaute und alle Anwesenden gleichsam mit einem Blick zusammenfaßte.
„Na, das geht zu weit“, murmelte der Alte und blickte Iwan Fjodorowitsch erstaunt an.
„Wieso soll denn der Katholizismus ein unchristlicher Glaube sein?“ fragte Iwan Petrowitsch, sich auf seinem Stuhl umwendend. „Und was für ein Glaube ist er denn?“
„Erstens ist er ein unchristlicher Glaube!“ erwiderte der Fürst in großer Erregung und mit übermäßiger Schärfe. „Das ist das erste, und zweitens ist der römische Katholizismus sogar schlimmer als der Atheismus selbst, das ist meine Meinung! Ja, das ist meine Meinung! Der Atheismus predigt nur das Nichts, aber der Katholizismus geht weiter: er predigt einen entstellten Christus, einen von ihm verleumdeten und beschimpften Christus, das reine Gegenteil von Christus! Er predigt den Antichrist, das schwöre ich Ihnen, das versichere ich Ihnen! Das ist meine persönliche, langgehegte Überzeugung, die mir schon viel Qual bereitet hat … Der römische Katholizismus glaubt, daß ohne eine universale Herrschaft die Kirche auf Erden nicht bestehen kann, und ruft: ‚Non possumus!‘ Meiner Ansicht nach ist der römische Katholizismus überhaupt kein Glaube, sondern einfach eine Fortsetzung des weströmischen Kaisertums, und es ist bei ihm alles, vom Glauben angefangen, dieser Idee untergeordnet. Der Papst hat die Erde in Besitz genommen, einen irdischen Thron bestiegen und das Schwert ergriffen; seitdem geht alles in dieser Art weiter, nur haben sie zum Schwert noch die Lüge, die Intrige, den Betrug, den Fanatismus, den Aberglauben und das Verbrechen hinzugefügt; sie haben mit den heiligsten, aufrichtigsten, schlichtesten, wärmsten Empfindungen des Volkes gespielt, alles, alles haben sie für Geld, für gemeine weltliche Macht hingegeben. Und das wäre nicht die Lehre des Antichrists?! Wie hätte da nicht der Atheismus von ihnen ausgehen sollen? Der Atheismus ist von ihnen ausgegangen, direkt vom römischen Katholizismus! Der Atheismus hat zuallererst bei ihnen selbst angefangen: konnten sie denn auch sich selbst Glauben schenken? Er gewann dann Kraft aus dem gegen sie bestehenden Widerwillen; er ist ein Produkt ihrer Lüge und geistigen Kraftlosigkeit! Der Atheismus! Bei uns sind es bisher nur exklusive Schichten, die ihre Wurzel verloren haben und nicht mehr glauben, wie Jewgenij Pawlowitsch neulich sehr schön gesagt hat, aber dort in Westeuropa hören schon gewaltige Massen des eigentlichen Volkes auf zu glauben, vormals aus Unwissenheit und Unwahrhaftigkeit, aber jetzt schon aus Fanatismus und aus Haß gegen die Kirche und gegen das Christentum.“
Der Fürst hielt inne, um Atem zu schöpfen. Er hatte furchtbar schnell gesprochen. Er war blaß und rang nach Luft. Alle wechselten Blicke miteinander; aber endlich begann der Alte ganz offen zu lachen. Fürst N. nahm seine Lorgnette heraus und betrachtete den Fürsten unablässig. Der deutsche Dichter kam aus seiner Ecke hervorgekrochen und näherte sich mit einem unangenehmen Lächeln dem Tisch.
„Sie ü-ber-trei-ben sehr“, sagte Iwan Petrowitsch, dieses Wort in die Länge ziehend, in etwas gelangweiltem Ton; es klang sogar so, als ob ihm etwas unangenehm wäre, „auch in der dortigen Kirche gibt es höchst achtenswerte, tu-gend-hafte Vertreter …“
„Ich habe nie von einzelnen Vertretern der Kirche gesprochen. Ich rede von dem, was das Wesen des römischen Katholizismus ausmacht, ich rede von Rom. Kann denn eine Kirche vollständig verschwinden? Ich habe das nie gesagt!“
„Einverstanden, aber all das ist bekannt und braucht daher nicht gesagt zu werden, und … es gehört zur Theologie …“
„O nein, o nein! Nicht nur zur Theologie, ich versichere Sie, nein! Das geht uns weit mehr an, als Sie meinen. Gerade darin besteht unser ganzer Irrtum, daß wir noch nicht einsehen können, daß das nicht ausschließlich nur eine theologische Angelegenheit ist! Auch der Sozialismus ist ja eine Ausgeburt des Katholizismus und des katholischen Wesens! Auch er ist, ebenso wie sein Bruder, der Atheismus, aus der Verzweiflung hervorgegangen, als Gegensatz zum Katholizismus im moralischen Sinne, um einen Ersatz für die verlorengegangene moralische Macht der Religion zu bilden, um den geistigen Durst der lechzenden Menschheit zu stillen und sie zu retten, nicht durch Christus, sondern ebenfalls durch Gewalt! Das ist ebenfalls eine Freiheit durch Gewalt, das ist ebenfalls eine Vereinigung durch Schwert und Blut! ‚Erdreiste dich nicht, an Gott zu glauben, erdreiste dich nicht, Eigentum zu besitzen, erdreiste dich nicht, eine Persönlichkeit zu haben, fraternité ou la mort. zwei Millionen Köpfe!‘ An ihren Taten sollt ihr sie erkennen, heißt es in der Schrift. Und glauben Sie nicht, daß das alles so harmlos und für uns ungefährlich wäre; o nein, wir müssen Widerstand leisten, und auf das schnellste, auf das schnellste! Unser Christus muß als Schild dem Westen entgegenstrahlen, unser Christus, den wir uns bewahrt und den sie nicht gekannt haben! Wir dürfen uns nicht sklavisch von den Jesuiten angeln lassen, sondern müssen ihnen jetzt entgegentreten, indem wir ihnen unsere russische Zivilisation bringen, und man darf bei uns nicht sagen, daß ihre Predigt elegant sei, wie sich soeben jemand geäußert hat …“
„Aber erlauben Sie, erlauben Sie“, unterbrach ihn Iwan Petrowitsch, der sich unruhig umblickte und sogar ordentlich Angst bekam, „alle Gedanken, die Sie da vortragen, sind ja gewiß sehr löblich und patriotisch, aber es ist doch alles in höchstem Grade übertrieben, und … es wäre das beste, wenn wir dieses Gespräch abbrächen …“
„Nein, übertrieben ist es nicht, eher zu schwach ausgedrückt, ja, zu schwach ausgedrückt, weil ich nicht imstande bin, die richtigen Worte zu finden, aber …“
„Er-lau-ben Sie!“
Der Fürst schwieg. Er saß, gerade aufgerichtet, auf seinem Stuhl und blickte, ohne sich zu regen, Iwan Petrowitsch mit flammendem Blick an.
„Mir scheint, daß der Vorfall mit Ihrem Wohltäter Sie gar zu sehr beeindruckt hat“, bemerkte der Alte freundlich und ohne seine Ruhe zu verlieren. „Sie sind etwas hitzig … vielleicht infolge Ihres einsamen Lebens. Wenn Sie mehr unter Menschen lebten — und ich hoffe, daß man sich in der guten Gesellschaft über Sie als über einen beachtenswerten jungen Mann freuen wird —, so wird sich Ihre Lebhaftigkeit gewiß mildern, und Sie werden sehen, daß das alles weit einfacher ist … und zudem gehen solche seltenen Fälle meiner Ansicht nach teils aus unserer Übersättigung hervor, teils aus … einem inneren Unfrieden.“
„Ganz richtig, ganz richtig!“ rief der Fürst. „Ein vortrefflicher Gedanke! Jawohl, aus einem inneren Unfrieden, aus unserem inneren Unfrieden! Nicht aus Übersättigung, sondern im Gegenteil aus Durst … nicht aus Übersättigung, darin haben Sie sich geirrt! Aus Durst ist noch zuwenig gesagt: aus brennendem, fieberhaftem Durst! Und … und glauben Sie nicht, das geschehe in so geringem Ausmaß, daß man darüber lachen dürfe; verzeihen Sie, man muß verstehen vorauszufühlen! Wenn unsere Landsleute das Ufer erreicht haben und zu der Überzeugung gelangt sind, daß das das Ufer ist, dann freuen sie sich darüber gleich dermaßen, daß sie sofort weitergehen, so weit wie nur irgend möglich; woher kommt das? Da wundern Sie sich über Pawlischtschew und schreiben alles seiner Verdrehtheit oder seiner Herzensgüte zu, aber dem ist nicht so! Und nicht uns allein, sondern ganz Europa setzt in solchen Fällen unsere russische Leidenschaftlichkeit in Erstaunen: wenn bei uns jemand zum Katholizismus übertritt, dann wird er unfehlbar auch gleich Jesuit und gleich einer der schlimmsten, und wenn einer Atheist wird, dann fordert er unfehlbar sofort eine gewaltsame Ausrottung des Gottesglaubens, das heißt also eine Ausrottung mit dem Schwert. Woher kommt das? Woher auf einmal ein solcher Fanatismus? Wissen Sie es wirklich nicht? Das kommt daher, daß der Betreffende ein Vaterland gefunden hat, das er hier übersah, und sich darüber freut; er hat ein Ufer gefunden, Land gefunden und hat sich hingeworfen, um es zu küssen! Nicht aus bloßer Eitelkeit, nicht immer nur aus häßlichen, eitlen Motiven werden die Russen Atheisten oder Jesuiten, sondern auch aus seelischem Schmerz, aus seelischem Durst, aus Sehnsucht nach Höherem, nach einem festen Ufer, nach einer Heimat, an die sie aufgehört haben zu glauben, weil sie sie niemals gekannt haben! Atheist zu werden ist für einen Russen so überaus leicht, leichter als für alle übrigen Menschen in der ganzen Welt! Und unsere Landsleute werden nicht einfach Atheisten, sondern glauben unfehlbar an den Atheismus wie an einen neuen Glauben, ohne zu bemerken, daß sie an ein Nichts glauben. So groß ist unser seelischer Durst! ‚Wer keinen Boden unter sich hat, der hat auch keinen Gott!‘ Dieser Ausdruck rührt nicht von mir her, sondern von einem altgläubigen Kaufmann, mit dem ich auf einer Reise zusammentraf. Er drückte sich allerdings nicht ganz so aus, sondern sagte: ‚Wer sich von seiner Heimat losgesagt hat, der hat sich auch von seinem Gott losgesagt.‘ Man braucht nur daran zu denken, daß bei uns die gebildetsten Leute sogar in die Sekte der Geißler eintraten … Und inwiefern ist übrigens in solchem Fall das Geißlerwesen schlechter als der Nihilismus, das Jesuitentum und der Atheismus? Man kann vielleicht sogar sagen, daß es mehr Tiefe besitzt! Aber da sieht man, wie weit jener innere Unfriede geht! … Man zeige den fieberhaft dürstenden Gefährten des Kolumbus das Gestade der Neuen Welt, man zeige dem Russen das wahre Russentum, man lasse ihn dieses Gold, diesen Schatz finden, der seinen Augen bisher in der Erde verborgen ist! Man zeige ihm, wie sich in der Zukunft die Erneuerung und Auferstehung der ganzen Menschheit vielleicht einzig und allein durch den russischen Gedanken, durch den russischen Gott und den russischen Christus vollziehen wird, und man wird sehen, welch ein starker, wahrheitsliebender, weiser, sanfter Riese vor den Augen der erstaunten Welt heranwachsen wird; erstaunt und erschrocken wird die Welt allerdings sein, weil sie von uns nur das Schwert erwartet, das Schwert und die Gewalt, denn da sie nach sich selbst urteilt, kann sie sich uns nicht ohne Barbarentum vorstellen. So ist das bisher gewesen, und dieses Sehnen wird, je länger es dauert, immer stärker! Und …“
Aber hier trat plötzlich ein Ereignis ein, und die Rede des Fürsten wurde in einer ganz unerwarteten Weise unterbrochen.
Diese ganze wilde Tirade, dieser ganze Schwall seltsamer, aufgeregter Worte und ungeordneter, enthusiastischer Gedanken, die in wirrem Durcheinander sich drängten und übereinander hinwegsprangen, alles dies ließ ahnen, daß in der Verfassung des so plötzlich und anscheinend ohne jeden Anlaß in Hitze geratenen jungen Mannes eine besondere Gefahr lauerte. Von den im Salon Anwesenden waren alle, die den Fürsten kannten, von ängstlichem (bei manchen sogar mit Scham gepaartem) Erstaunen über seine Extravaganz ergriffen, die so gar nicht zu seiner ständigen, geradezu schüchtern zu nennenden Zurückhaltung, zu dem in manchen Fällen von ihm bewiesenen besonders feinen Takt und zu seinem instinktiven Gefühl für die höchsten Anstandsregeln passen wollte. Es war unbegreiflich, woher das gekommen war: die Mitteilung über Pawlischtschew konnte doch nicht die Ursache sein. Die Damen blickten aus ihrer Ecke auf ihn hin wie auf einen Irrsinnigen, und die alte Bjelokonskaja gestand später, wenn die Sache noch eine Minute länger gedauert hätte, so hätte sie sich durch die Flucht gerettet. Die alten Herren waren zuerst vor Staunen ganz fassungslos; Iwan Fjodorowitschs Vorgesetzter, der General, sah den Fürsten von seinem Stuhl aus mit unzufriedener, strenger Miene an. Der Oberst saß völlig regungslos da. Der Deutsche war ganz blaß geworden, lächelte aber immer noch heuchlerisch und betrachtete die andern, wie sie jetzt wohl reagieren würden. Übrigens hätte die ganze Sache und der „ganze Skandal“ durch ein sehr gewöhnliches, natürliches Mittel erledigt werden können, vielleicht sogar in einem Augenblick; Iwan Fjodorowitsch nämlich, der sehr erstaunt war, aber sich schneller als die übrigen gefaßt hatte, hatte schon mehrmals den Fürsten zu hemmen versucht; da seine Bemühungen keinen Erfolg gehabt hatten, so ging er jetzt mit einer entschiedenen und festen Absicht auf ihn zu. Noch ein Augenblick, und er hätte nötigenfalls vielleicht den Fürsten in freundschaftlicher Weise unter dem Vorwand seiner Krankheit hinausgeführt, was vielleicht sogar wirklich die Wahrheit war und wovon auch Iwan Fjodorowitsch im stillen fest überzeugt war … Aber die Sache nahm eine andere Wendung.
Gleich zu Anfang, als der Fürst in den Salon getreten war, hatte er sich möglichst weit entfernt von der chinesischen Vase hingesetzt, mit der ihm Aglaja eine solche Angst eingejagt hatte. Konnte man wohl glauben, daß nach Aglajas gestrigen Worten sich bei ihm eine unauslöschliche Überzeugung, eine sonderbare, wunderliche Ahnung festgesetzt hatte, er werde unbedingt morgen diese Vase zerbrechen, möge er sich auch noch so sehr von ihr fernhalten und das Unglück zu vermeiden suchen? Und doch war es so. Im Laufe des Abends hatten sich andere starke, aber lichte Empfindungen in seine Seele eingedrängt; wir haben davon bereits gesprochen. Er hatte seine Ahnung vergessen. Als er von Pawlischtschew reden hörte und Iwan Fjodorowitsch ihn von neuem zu Iwan Petrowitsch führte und diesen auf ihn aufmerksam machte, da hatte er sich näher an den Tisch herangesetzt und zufällig gerade auf den Sessel neben der gewaltigen, schönen chinesischen Vase, die auf einem Sockel stand, beinah neben seinem Ellbogen, ganz dicht hinter ihm.
Bei seinen letzten Worten erhob er sich plötzlich von seinem Platz, machte eine unvorsichtige Bewegung mit dem Arm und mit der Schulter, und … es ertönte ein allgemeiner Schrei! Die Vase schwankte, anfangs gleichsam noch unschlüssig, ob sie nicht einem der alten Herren auf den Kopf fallen sollte, aber auf einmal neigte sie sich nach der entgegengesetzten Seite, nach der Seite des im letzten Augenblick entsetzt wegspringenden Deutschen, und fiel zu Boden. Ein Gepolter, ein Aufschrei, die kostbaren Scherben zerstreut auf dem Teppich, Bestürzung, Erstaunen, — oh, und was in der Seele des Fürsten vorging, das läßt sich schwer schildern, doch ist eine solche Schilderung auch kaum nötig! Aber wir dürfen eine sonderbare Empfindung nicht unerwähnt lassen, die ihn gerade in diesem Augenblick überkam und ihm auf einmal aus der Menge all der anderen unklaren und seltsamen Empfindungen mit aller Deutlichkeit entgegentrat: weder das Gefühl der Scham noch der Verdruß über das erregte Ärgernis, noch die Furcht vor den Folgen, noch die Plötzlichkeit des Ereignisses, nichts wirkte auf ihn so stark wie der Gedanke, daß die Prophezeiung nun doch eingetroffen sei! Was eigentlich an diesem Gedanken ihn so sehr packte, das hätte er sich selbst nicht klarmachen können; er fühlte nur, daß er im tiefsten Herzen ergriffen war, und stand da wie von einer mystischen Angst erfaßt. Noch ein Augenblick, und es war ihm, als ob sich alles vor ihm weitete und an die Stelle der Angst Licht und Freude und Entzücken träten; sein Atem stockte, und … aber der kritische Augenblick ging vorüber. Gott sei Dank, das Befürchtete war nicht eingetreten! Er schöpfte wieder Atem und blickte rings um sich.
Lange schien es, als verstünde er das wirre Treiben nicht, das um ihn herum entstanden war, das heißt, er verstand es vollkommen und sah alles, aber er stand da, als sei er dabei ganz unbeteiligt, als gehe ihn die Sache in keiner Weise etwas an, als sei er wie der Unsichtbare im Märchen in das Zimmer getreten und beobachtete dort ihm fremde, aber interessante Menschen. Er sah, wie die Scherben weggeräumt wurden, hörte hastige Gespräche, sah Aglaja, die blaß war und ihn sonderbar anblickte, sehr sonderbar: in ihren Augen war gar kein Haß, gar kein Zorn sichtbar; sie schaute ihn mit einem erschrockenen, aber von freundlicher Teilnahme zeugenden Blick an, während sie den andern einen funkelnden Blick zuwarf … sein Herz wurde plötzlich von einem seligen Schmerz erfüllt. Endlich sah er mit befremdetem Erstaunen, daß alle sich wieder hingesetzt hatten und sogar lachten, als ob nichts geschehen wäre! Noch ein Augenblick und das Gelächter steigerte sich: sie lachten jetzt über ihn, wie er stumm und starr dastand, aber sie lachten gutmütig und heiter; viele begannen mit ihm zu reden und redeten so freundlich, vor allem Lisaweta Prokofjewna: sie sprach lachend und sagte etwas sehr, sehr Herzliches. Auf einmal fühlte er, daß Iwan Fjodorowitsch ihm freundschaftlich auf die Schulter klopfte; auch Iwan Petrowitsch lachte; aber noch netter, reizender und liebenswürdiger benahm sich der Alte, er faßte den Fürsten bei der Hand, drückte sie sanft und schlug mit der flachen andern Hand leise darauf, wobei er ihm zuredete, wieder zu sich zu kommen, wie man das mit einem erschrockenen kleinen Jungen macht, was dem Fürsten sehr gefiel, und endlich forderte er ihn auf, sich unmittelbar neben ihn zu setzen. Der Fürst blickte ihm mit einem seligen Gefühl ins Gesicht und war immer noch nicht imstande, etwas herauszubringen, da ihm der Atem stockte; das Gesicht des Alten gefiel ihm außerordentlich.
„Wie?“ murmelte er endlich, „Sie verzeihen mir wirklich? Auch … auch Sie, Lisaweta Prokofjewna?“
Das Gelächter nahm zu; dem Fürsten kamen die Tränen in die Augen; er traute seinen Augen nicht und war wie verzaubert.
„Gewiß, es war eine schöne Vase. Ich erinnere mich, sie hier schon seit ungefähr fünfzehn Jahren gesehen zu haben, ja … seit fünfzehn Jahren …“, begann Iwan Petrowitsch.
„Ach was! Was ist das schon für ein Unglück! Ein Mensch lebt auch nicht ewig, wie wird man da um einen irdenen Topf viel Wesens machen!“ sagte Lisaweta Prokofjewna laut. „Hast du denn wirklich einen solchen Schreck bekommen, Lew Nikolajitsch?“ fügte sie in besorgtem Ton hinzu. „Laß es gut sein, mein Täubchen, laß es gut sein! Du ängstigst mich sonst wirklich.“
„Und Sie verzeihen mir alles? Alles, auch abgesehen von der Vase?“ sagte der Fürst und wollte sich von seinem Platz erheben, aber der Alte zog ihn sogleich an der Hand wieder nieder. Er wollte ihn nicht loslassen.
„C'est très curieux et c'est très sérieux!“ flüsterte er über den Tisch Iwan Petrowitsch zu, übrigens ziemlich laut. Der Fürst konnte es durchaus gehört haben.
„Ich habe also niemand von Ihnen beleidigt? Sie glauben gar nicht, wie glücklich mich dieser Gedanke macht! Aber es konnte ja auch nicht anders sein! Konnte sich denn hier jemand durch mich beleidigt fühlen? Ich beleidige Sie wieder, indem ich so etwas auch nur denke.“
„Beruhigen Sie sich, mein Freund, das ist Übertreibung. Sie haben auch gar keinen Grund, sich so zu bedanken; das ist ein schönes, aber übertriebenes Gefühl.“
„Ich danke Ihnen auch gar nicht, ich sehe Sie nur … voller Freude an und fühle mich bei Ihrem Anblick so glücklich. Vielleicht rede ich dumm, aber … ich muß reden, ich muß Ihnen alles erklären … wenn auch nur aus Selbstachtung.“
Alles an ihm war aufgeregt, unklar und fieberhaft; sehr möglich, daß die Worte, die er herausbrachte, oft nicht die waren, die er hatte sagen wollen. Er schien mit seinen Augen zu fragen, ob er reden dürfe. Sein Blick fiel auf die alte Bjelokonskaja.
„Meinetwegen, lieber Freund, fahr nur fort, fahr nur fort, nur komm nicht außer Atem!“ bemerkte diese. „Du hast auch vorhin schon Atemnot gehabt, und du siehst ja, wie arg es damit geworden ist. Aber fürchte dich nicht zu reden: diese Herren haben schon wunderlichere Käuze gesehen, als du einer bist; du setzt sie weiter nicht in Erstaunen. Und du bist ja auch gar nicht Gott weiß was für ein Sonderling, du hast nur eine Vase zerbrochen und uns einen Schreck eingejagt.“
Der Fürst lächelte, als er sie das sagen hörte.
„Sie waren es doch“, wandte er sich plötzlich an den Alten, „Sie waren es doch, der vor drei Monaten den Studenten Podkumow und den Beamten Schwabrin vor der Verschickung rettete?“
Der Alte errötete sogar ein wenig und murmelte, er möge sich doch beruhigen.
„Und über Sie habe ich im Gouvernement *** gehört“, wandte er sich sofort an Iwan Petrowitsch, „daß Sie Ihren abgebrannten Bauern, obwohl sie schon freigelassen waren und Ihnen Unannehmlichkeiten bereitet hatten, umsonst Holz zum Bauen gegeben haben?“
„Nun, das ist eine Ü-ber-treibung“, murmelte Iwan Petrowitsch, nahm aber, angenehm berührt, eine würdevolle Haltung an. Diesmal jedoch hatte er vollkommen recht damit, daß das „eine Übertreibung“ sei, es war nur ein falsches Gerücht gewesen, das dem Fürsten zu Ohren gekommen war.
„Und Sie, Fürstin“, wandte er sich auf einmal mit strahlendem Lächeln an die alte Bjelokonskaja, „haben Sie mich nicht vor einem halben Jahr in Moskau auf Lisaweta Prokofjewnas Brief hin wie einen leiblichen Sohn aufgenommen und mir wirklich wie einem leiblichen Sohn einen Rat gegeben, den ich nie vergessen werde? Erinnern Sie sich?“
„Was redest du für tolles Zeug zusammen?“ erwiderte die alte Bjelokonskaja ärgerlich. „Du bist ein guter, aber komischer Mensch: wenn man dir zwei Groschen schenkt, bist du so dankbar, als ob man dir das Leben gerettet hätte. Du denkst, das sei lobenswert, aber es ist widerwärtig.“
Sie wollte schon ernstlich zornig werden, brach aber plötzlich in ein Gelächter aus, und es war diesmal ein gutmütiges Gelächter. Auch Lisaweta Prokofjewnas Gesicht glänzte; nicht minder strahlte Iwan Fjodorowitsch.
„Ich habe es ja gesagt, Lew Nikolajitsch ist ein Mensch … ein Mensch … mit einem Wort, wenn er nur nicht außer Atem käme, wie die Fürstin richtig bemerkt hat …“, murmelte der General in einer Art von Freudenrausch, indem er die Worte der alten Bjelokonskaja, die ihn frappiert hatten, wiederholte.
Nur Aglaja schien traurig zu sein, aber ihr Gesicht glühte immer noch, vielleicht vor Unwillen.
„Er ist wirklich sehr liebenswürdig“, sagte der Alte wieder leise zu Iwan Petrowitsch.
„Ich kam hierher mit tiefem Weh im Herzen“, fuhr der Fürst fort, mit immer wachsender Erregung, immer schneller und schneller, mit immer seltsamerer Begeisterung, „ich … fürchtete mich vor Ihnen, fürchtete mich vor mir selbst. Am meisten vor mir selbst. Als ich hierher nach Petersburg zurückkehrte, hatte ich mir vorgenommen, jedenfalls unsere ersten, ältesten Familien kennenzulernen, zu denen ich selbst gehöre, unter denen ich selbst durch meine Herkunft einer der ersten Vertreter bin. Nun sitze ich ja jetzt mit ebensolchen Fürsten zusammen, wie ich einer bin, nicht wahr? Ich wollte Sie kennenlernen, und das war notwendig, sehr, sehr notwendig! … Ich hatte über Sie immer sehr viel Schlechtes gehört, mehr als Gutes: über die Kleinlichkeit und Exklusivität Ihrer Interessen, über Ihre Rückständigkeit, über Ihre geringe Bildung, über Ihre lächerlichen Gewohnheiten — oh, es wird ja so viel über Sie geschrieben und geredet! Ich bin voller Neugier und Erregung heute hierhergekommen: ich wollte mich persönlich davon überzeugen, ob wirklich diese ganze obere Schicht des russischen Volkes nichts mehr taugt, sich überlebt hat, keine Kraft zum Leben mehr besitzt, zu weiter nichts mehr fähig ist, als zu sterben, aber doch immer noch in kleinlichem Neid einen Kampf gegen die Männer … der Zukunft führt, sich ihnen in den Weg stellt, ohne zu merken, daß sie selbst im Absterben begriffen ist. Ich habe diese Meinung auch früher nicht ganz für richtig gehalten, weil es bei uns eine höhere Gesellschaftsklasse eigentlich nie gegeben hat, außer etwa der Hofgesellschaft, zu der mancher durch seine Uniform oder … durch irgendwelche Zufälle gehörte, und jetzt ist auch die ganz verschwunden, nicht wahr, nicht wahr?“
„Nun, das verhält sich ganz und gar nicht so!“ bemerkte Iwan Petrowitsch spöttisch lachend.
„Na, nun ist er richtig wieder in Zug gekommen!“ sagte die alte Bjelokonskaja verdrießlich.
„Laissez le dire, er zittert ja am ganzen Leibe“, sagte der Alte wieder halblaut in warnendem Ton.
Der Fürst hatte sich augenscheinlich nicht mehr in der Gewalt.
„Und was fand ich? Ich sah elegante, gutherzige, verständige Menschen; ich sah einen alten Herrn, der einen jungen Menschen wie mich freundlich anhört; ich sehe Menschen, die imstande sind zu verstehen und zu verzeihen, gute, echte russische Menschen, die fast ebenso gut und herzlich sind wie die, mit denen ich in andern Schichten zusammengekommen bin, fast in gleichem Maße. Urteilen Sie selbst, wie freudig ich erstaunt sein mußte! Oh, erlauben Sie mir, diesem Gefühl Ausdruck zu geben! Ich habe oft gehört und selbst fest geglaubt, in der vornehmen Welt sei alles nur Schein, alles nur abgelebte Form, der eigentliche Kern sei vertrocknet; aber nun sehe ich ja selbst, daß das bei uns nicht zutrifft; anderswo mag das so sein, bei uns ist es nicht so. Sind Sie denn sämtlich jetzt Jesuiten und Betrüger? Ich habe vorhin den Fürsten N. etwas erzählen hören: war das nicht gutherziger, sprudelnder Humor? War das nicht wahre Herzensgüte? Können denn solche Worte von den Lippen eines … geistig gestorbenen Menschen kommen, dessen Herz eingeschrumpft, dessen Talent versiegt ist? Könnten denn gestorbene Menschen mit mir so umgehen, wie Sie mit mir umgegangen sind? Ist das nicht Material … für die Zukunft, ein Material, auf das man seine Hoffnungen setzen darf? Können etwa solche Menschen verständnislos und rückständig sein?“
„Ich bitte Sie noch einmal, sich zu beruhigen, mein Lieber“, sagte der Würdenträger lächelnd. „Wir wollen über all das ein andermal reden, und ich werde mit dem größten Vergnügen …“
Iwan Petrowitsch räusperte sich und drehte sich auf seinem Sessel um; Iwan Fjodorowitsch wurde unruhig; sein hoher Vorgesetzter, der General, unterhielt sich mit der Gemahlin des Würdenträgers, ohne dem Fürsten auch nur die geringste Aufmerksamkeit zu schenken; aber die Gemahlin des Würdenträgers hörte häufig nach diesem hin und blickte zu ihm herüber.
„Nein, wissen Sie, es wird schon das beste sein, wenn ich rede!“ fuhr der Fürst in einem neuen fieberhaften Impuls fort, indem er sich besonders zutunlich und geradezu mit einer gewissen Vertraulichkeit an den Alten wandte. „Aglaja Iwanowna hat mir gestern verboten zu reden und mir sogar die Themen genannt, über die ich nicht reden dürfe; sie weiß, daß ich bei Erörterung dieser Themen lächerlich werde! Ich bin siebenundzwanzig Jahre alt, aber ich weiß ja, daß ich noch wie ein Kind bin. Ich habe kein Recht, meine Gedanken auszusprechen, das habe ich schon immer gesagt; ich habe nur in Moskau mit Rogoshin ganz offenherzig gesprochen … Wir haben zusammen Puschkin gelesen, ihn ganz durchgelesen; er kannte nichts davon, nicht einmal den Namen Puschkin … Ich fürchte immer, durch mein komisches Wesen den Gedanken und die Hauptidee zu kompromittieren. Ich verstehe mich nicht auf Gesten. Ich mache immer Handbewegungen, die den richtigen entgegengesetzt sind, und das ruft Gelächter hervor und schadet der Idee. Ich habe auch kein Gefühl für das rechte Maß, und das ist das wichtigste; das ist sogar das allerwichtigste … Ich weiß, daß ich am besten täte, stillzusitzen und zu schweigen. Wenn ich das durchsetze und schweige, dann mache ich sogar den Eindruck eines ganz vernünftigen Menschen und denke außerdem im stillen über dies und jenes nach. Aber jetzt ist es doch besser, wenn ich rede. Ich habe zu reden angefangen, weil Sie mich so nett ansehen; Sie haben ein so nettes Gesicht! Ich habe gestern Aglaja Iwanowna mein Wort darauf gegeben, heute den ganzen Abend zu schweigen.“
„Vraiment?“ fragte der Alte lächelnd.
„Aber in manchen Augenblicken denke ich, daß ich unrecht tue, wenn ich so denke: Offenherzigkeit ist doch wohl ebensoviel wert wie eine schöne Geste, nicht wahr? Nicht wahr?“
„Manchmal.“
„Ich will Ihnen alles erklären, alles, alles, alles! O ja! Sie denken, ich sei ein Utopist, ein Ideologe? O nein, weiß Gott, meine Gedanken sind immer ganz einfach … Sie glauben es nicht? Sie lächeln? Wissen Sie, ich bin manchmal ein gemeiner Mensch, weil ich den Glauben verliere. Vorhin ging ich hierher und dachte: Na, wie werde ich mit ihnen reden? Womit muß ich anfangen, damit sie wenigstens etwas verstehen? Was hatte ich für Furcht; aber ich fürchtete in der Hauptsache für Sie; es war schrecklich, ganz schrecklich! Aber durfte ich denn Furcht haben? Mußte ich mich nicht schämen, Furcht zu haben? Was tut es denn, daß auf einen Vorgeschrittenen eine solche Menge von Zurückgebliebenen, Schlechten kommt? Und das ist für mich nun gerade ein Grund zur Freude, daß ich jetzt die Überzeugung gewonnen habe, daß es sich gar nicht um eine solche tote Menge handelt, sondern daß das lauter lebensvolles Material ist! Wir dürfen uns auch dadurch nicht beirren lassen, daß wir komisch sind, nicht wahr? Es ist ja freilich wirklich so: wir sind komisch, leichtsinnig, haben schlechte Angewohnheiten, langweilen uns, verstehen nicht zu sehen, verstehen nicht zu begreifen, wir sind ja alle von dieser Art, alle, Sie und ich und alle andern! Sie fühlen sich doch nicht beleidigt dadurch, daß ich Ihnen ins Gesicht sage, Sie seien komisch? Wenn dem aber so ist, sind Sie denn dann nicht lebensvolles Material? Wissen Sie, meiner Ansicht nach ist es manchmal sogar gut, komisch zu sein, sogar das beste: man kann einander leichter verzeihen und sich leichter miteinander versöhnen; man kann doch auch nicht alles auf einmal verstehen, nicht gleich mit der Vollkommenheit anfangen! Um Vollkommenheit zu erreichen, muß man vorher gar vieles nicht verstanden haben! Und wenn man etwas gar zu schnell versteht, so ist Gefahr, daß man es nicht ordentlich versteht. Das sage ich Ihnen, die Sie es schon fertiggebracht haben, so vieles zu verstehen und … nicht zu verstehen. Ich fürchte jetzt nicht für Sie; Sie sind ja doch nicht böse darüber, daß ein so junger Mensch solche Worte zu Ihnen spricht? Sie lachen, Iwan Petrowitsch? Sie denken, ich fürchtete für die andern Schichten, sei ihr Advokat, ein Demokrat, ein Gleichheitsapostel?“ Hier lachte er krampfhaft (er stieß alle Augenblicke ein kurzes, entzücktes Lachen aus). „Ich fürchte für Sie, für Sie alle, für Sie alle zusammen. Ich bin ja selbst ein Fürst aus einem alten Geschlecht und sitze hier unter Fürsten. Ich rede hier, um uns alle zu retten; ich rede, damit nicht unser Stand, ohne etwas gewirkt zu haben, im Dunkel verschwindet, weil er nichts begriffen, sich um alles herumgestritten und alles verspielt hat. Wozu sollen wir verschwinden und andern unsern Platz einräumen, wenn wir die Vordersten und Obersten bleiben können? Wenn wir die Vordersten sein werden, dann werden wir auch die Obersten sein. Wir wollen Diener sein, um die Obersten zu werden.“
Er versuchte wieder, von seinem Sessel aufzuspringen, aber der Alte hielt ihn beständig fest, betrachtete ihn jedoch mit wachsender Unruhe.
„Hören Sie! Ich weiß, daß es nicht gut ist, bloß zu sprechen: besser ist es, wenn man einfach ein gutes Beispiel gibt und einfach selbst den Anfang macht … ich habe bereits den Anfang gemacht … und … und ist es denn wirklich möglich, unglücklich zu sein? Oh, was will mein Kummer und mein Leid besagen, wenn ich imstande bin, glücklich zu sein? Wissen Sie, ich verstehe nicht, wie man an einem Baum vorbeigehen kann, ohne darüber glücklich zu sein, daß man ihn sieht, wie man mit einem Menschen reden und nicht darüber glücklich sein kann, daß man ihn liebt! Oh, ich verstehe nur nicht, es auszudrücken … aber wie viele schöne Dinge begegnen einem auf Schritt und Tritt, die sogar der verkommenste Mensch schön findet! Sehen Sie ein Kind an, sehen Sie die Morgen- und Abendröte an, betrachten Sie ein Gräschen, wie es wächst, schauen Sie in Augen, die liebevoll auf Sie blicken …“
Er war schon längst während des Redens aufgestanden. Der Alte sah ihn jetzt erschrocken an. Lisaweta Prokofjewna, die früher als alle andern merkte, was vorging, rief: „Ach, mein Gott!“ und schlug die Hände zusammen. Aglaja lief schnell zu ihm hin, fing ihn noch gerade in ihren Armen auf und hörte voller Angst mit schmerzverzerrtem Gesicht den wilden Schrei des Dämons, der den Unglücklichen schüttelte und niederwarf. Der Kranke lag auf dem Teppich. Jemand hatte noch Zeit gefunden, ihm schnell ein Kissen unter den Kopf zu schieben.
Das hatte niemand erwartet. Eine Viertelstunde darauf versuchten Fürst N., Jewgenij Pawlowitsch und der Alte das Zusammensein wieder etwas lebendiger zu gestalten, aber schon nach einer weiteren halben Stunde brachen alle Gäste auf. Dabei erfolgten zahlreiche Äußerungen der Teilnahme und des Bedauerns, manche sprachen auch ihre Meinung über den Vorfall aus. Iwan Petrowitsch sagte unter anderm, der junge Mann sei ein Sla-wo-philer oder etwas Ähnliches, indes sei das nicht weiter gefährlich. Der Alte äußerte sich gar nicht. Nachher allerdings, am nächsten und übernächsten Tage, waren alle in etwas ärgerlicher Stimmung; Iwan Petrowitsch fühlte sich sogar beleidigt, wenn auch nur ein wenig. Der General, der Iwan Fjodorowitschs Chef war, benahm sich eine Zeitlang gegen diesen etwas kühl. Der „Patron“ der Familie, der Würdenträger, murmelte dem Oberhaupt der Familie unter Kaubewegungen ein paar tröstende Worte zu, wobei er in schmeichelhafter Weise zum Ausdruck brachte, daß er an Aglajas Geschick sehr, sehr großen Anteil nehme. Er war wirklich ein ganz gutherziger Mensch; aber unter den Gründen, aus denen er bei der Abendgesellschaft dem Fürsten seine Aufmerksamkeit zugewandt hatte, spielte eine besondere Rolle das Verhältnis, in dem der Fürst unlängst zu Nastasja Filippowna gestanden hatte; er hatte davon etwas gehört, interessierte sich sehr dafür und wollte sogar danach fragen.
Die alte Bjelokonskaja sagte, als sie am Abend wegfuhr, zu Lisaweta Prokofjewna:
„Na ja, er hat sein Gutes und sein Schlechtes; aber wenn du meine Meinung wissen willst, so muß ich sagen: das Schlechte überwiegt. Du siehst ja selbst, was er für ein Mensch ist, ein kranker Mensch!“
Lisaweta Prokofjewna kam zu der endgültigen Überzeugung, daß er als Bräutigam „unmöglich“ sei, und nahm sich beim Schlafengehen vor, solange sie lebe, solle der Fürst nicht der Mann ihrer Aglaja werden. Mit diesem Entschluß stand sie auch am Morgen auf. Aber noch an demselben Vormittag, zwischen zwölf und ein Uhr, beim Frühstück, setzte sie sich in einen wunderlichen Widerspruch zu sich selbst.
Auf eine übrigens sehr behutsame Frage der Schwestern antwortete Aglaja kalt und hochmütig, als wolle sie die Sache damit abtun: „Ich habe ihm nie mein Wort gegeben und ihn nie in meinem Leben als meinen Bräutigam betrachtet. Er steht mir ebenso fern wie jeder andere.“
Da fuhr Lisaweta Prokofjewna plötzlich auf.
„Das hatte ich nicht von dir erwartet“, sagte sie gekränkt. „Daß er als Bräutigam unmöglich ist, weiß ich, und Gott sei Dank, daß es so gekommen ist; aber von dir hätte ich solche Reden nicht erwartet. Ich hatte geglaubt, du würdest dich anders dazu stellen. Ich würde am liebsten alle, die gestern hier waren, fortjagen und ihn allein dabehalten, so ein Mensch ist das! …“
Hier brach sie plötzlich ab, da sie über das, was sie gesagt hatte, selbst einen Schreck bekam. Aber wenn sie gewußt hätte, wie sehr sie ihrer Tochter in diesem Augenblick unrecht tat! Aglaja hatte sich in ihrem Kopf schon alles zurechtgelegt; auch sie wartete auf ihre Stunde, die alles entscheiden sollte, und jede Andeutung, jede unvorsichtige Berührung schlug ihrem Herzen eine tiefe Wunde.
- 1 Deßjatine = 1,092 Hektar.↩