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Abteilung XII.
 
Über die Akademische oder Skeptische Philosophie
Abschnitt I.

 

Es ist eine Tatfrage, ob die Wahrnehmungen der Sinne durch äußere ihnen gleichende Gegenstände hervorgebracht werden. Wie will man diese Frage entscheiden? Offenbar durch Erfahrung, wie bei allen andern Fragen dieser Art. Aber hier schweigt die Erfahrung, und muss es. Die Seele hat immer nur die Vorstellung gegenwärtig und kann nie deren Verknüpfung mit den Gegenständen durch Erfahrung erreichen. Die Annahme einer solchen Verknüpfung hat deshalb keinen Vernunftgrund für sich. Die Zuflucht zur Wahrhaftigkeit eines höchsten Wesens, um daraus die Wahrhaftigkeit unserer Sinne zu beweisen, ist ein überraschender Irrweg. Wenn jenes Wesens Wahrhaftigkeit hier überhaupt beteiligt wäre, so müssten unsere Sinne ganz untrüglich sein, weil es ja auch nicht einmal betrügen darf. Ich will nicht einmal erwähnen, dass, wenn die äußere Welt einmal in Frage steht, wir schwerlich Gründe finden werden, um das Dasein eines solchen Wesens oder einer seiner Eigenschaften zu beweisen.

Dies ist daher ein Gebiet, in welchem die gründlicheren und tiefer blickenden Skeptiker immer triumphieren werden, wenn sie einen allgemeinen Zweifel über alle Gegenstände des menschlichen Wissens und Forschens erheben. Wollt ihr dem Instinkt und dem Naturtrieb folgen, werden sie sagen, und der Wahrhaftigkeit der Sinne zustimmen? Aber diese führen euch zu dem Glauben, dass die bloße Vorstellung oder das empfundene Bild der äußere Gegenstand sei. Verleugnet ihr diesen Grundsatz, um die vernünftigere Meinung anzunehmen, dass die Empfindungen nur die Vorstellungen von irgend etwas Äußerlichem seien? Dann verlasst ihr euren Naturtrieb und die unmittelbare Empfindung und könnt doch eure Vernunft nicht befriedigen, welche niemals einen überzeugenden Grund aus der Erfahrung dafür entnehmen kann, dass die Empfindungen mit äußeren Gegenständen verknüpft seien.

Es gibt noch eine andere ähnliche skeptische Wendung, die sich aus der tiefsten Forschung ableitet, und die unsere Aufmerksamkeit verdiente, wenn es nötig wäre, so tief zu tauchen, um Gründe und Beweise zu entdecken, die doch für einen ernsten Zweck von so geringem Nutzen sind. Alle neuern Forscher erkennen einstimmig an, dass die sinnlichen Eigenschaften der Gegenstände, wie Härte, Weichheit, Hitze, Kälte, Weiße, Schwärze u.s.w. nur von mittelbarer Natur sind, nicht in den Dingen selbst bestehen, sondern bloß als Vorstellungen in der Seele, ohne dass ein äußeres Urbild oder Muster ihnen entspricht. Wenn dies für diese Eigenschaften anerkannt wird, so muss es auch von den angeblichen ursprünglichen Eigenschaften der Ausdehnung und Undurchdringlichkeit gelten, und letztere haben nicht mehr Recht auf diesen Namen als die ersteren. Die Vorstellung der Ausdehnung wird nur durch Sehen und Fühlen erworben, und wenn alle von den Sinnen wahrgenommenen Eigenschaften nur in der Seele und nicht in dem Gegenstande sind, so gilt derselbe Schluss auch für den Begriff der Ausdehnung, welcher ganz von den Wahrnehmungen oder Vorstellungen der mittelbaren Eigenschaften abhängig ist.

Nichts kann uns vor diesem Schlusse schützen, als die Behauptung, dass die Vorstellungen dieser Ureigenschaften durch reines Denken gewonnen werden; eine Meinung, welche indes bei genauerer Untersuchung als unverständlich, ja widersinnig sich ausweist. Eine Ausdehnung, welche weder sichtbar noch fühlbar ist, kann nicht gedacht werden, und eine fühlbare oder sichtbare Ausdehnung, welche weder weich noch hart, weder weiß noch schwarz ist, geht ebenso über die menschlichen Begriffe. Ein Mensch soll versuchen, sich ein Dreieck überhaupt vorzustellen, welches weder gleichseitig noch ungleichseitig, weder in der Länge, noch in dem Verhältnis der Seiten bestimmt ist, und er wird bald die Widersinnigkeit der scholastischen Begriffe von reinem Denken und allgemeinen Vorstellungen bemerken.* Also beruht der erste philosophische Einwand gegen das Zeugnis der Sinne oder gegen die Annahme äußerer Gegenstände darauf, dass eine solche Meinung, wenn sie auf den Natur-Instinkt gestützt wird, der Vernunft widerspricht; und wenn sie auf Vernunft gegründet wird, dem Natur-Instinkt zuwider ist, und dabei keinen genügenden Beweisgrund mit sich führt, um einen unparteiischen Forscher zu überführen. Der zweite Einwand geht weiter und zeigt, dass diese Meinung sogar der Vernunft widerspricht, wenigstens wenn es als Vernunftsatz gilt, dass alle sinnlichen Eigenschaften nur in der Seele und nicht in dem Gegenstande seien. Nimmt man aber dem Gegenstande alle seine fassbaren Eigenschaften überhaupt, sowohl die ursprünglichen wie die vermittelten, so ist er gewissermaßen vernichtet, und es bleibt nur ein gewisses unbekanntes und unsagbares Etwas als Ursache unserer Wahrnehmungen, ein Begriff, der so mangelhaft ist, dass kein Skeptiker ihn des Streites wert halten wird.

 

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* Dieser Beweisgrund ist von Dr. Berkeley aufgestellt. Die Schriften dieses geistreichen Mannes gehen von allen alten und modernen Philosophen die beste Anleitung zum Skeptizismus, selbst Bayle nicht aus genommen. Er erklärt indes auf dem Titelblatt (und sicherlich aufrichtig), dass er sein Werk sowohl gegen die Skeptiker wie gegen die Atheisten und Freidenker gerichtet habe.

Seine Gründe sind vielleicht anders gemeint; allein sie führen in Wahrheit nur zu dem Skeptizismus, wie daraus erhellt, dass sie keine Antwort gestatten und keine Überzeugung hervorbringen. Ihre einzige Wirkung ist jenes plötzliche Erstaunen, jene Unentschlossenheit und Verwirrung, welche das Ergebnis des Skeptizismus sind.

 


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