Abteilung V.
Skeptische Lösung dieser Zweifel.
Abschnitt II.
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Wenn der tote oder abwesende Sohn eines Freundes vor uns erschiene, so würde er offenbar die damit verbundenen Vorstellungen wach rufen und alle vergangenen Vertraulichkeiten und Freundschaften lebendiger in unser Denken zurückbringen, als es sonst geschehen wäre. Dies ist ein anderer Vorgang, welcher die obige Regel zu bestätigen scheint.
Bei diesen Fällen wird der Glaube an den bezogenen Gegenstand immer vorausgesetzt; ohnedem kann die Beziehung nicht wirksam sein. Die Wirkung des Gemäldes verlangt, dass wir glauben, unser Freund habe einmal existiert. Die Nachbarschaft kann unsere Vorstellung von der Heimat nur erwecken, wenn man glaubt, dass letztere wirklich besteht. Ich behaupte nun, dass, wenn dieser Glaube über das Gedächtnis oder die Wahrnehmung hinausgeht, er die gleiche Natur und den gleichen Ursprung hat, wie der hier erklärte Übergang der Gedanken und die Lebhaftigkeit des Vorstellens. Wenn ich ein Stück trockenes Holz in das Feuer werfe, so treibt es mich offenbar zur Vorstellung, dass es die Flamme nicht auslöscht, sondern vermehrt. Dieser Fortschritt der Gedanken von der Ursache zur Wirkung geht nicht von der Vernunft aus, sondern beruht gänzlich auf Gewohnheit und Erfahrung. Da er mit einem den Sinnen gegenwärtigen Gegenstande beginnt, so macht er die Vorstellung der Flamme stärker und lebendiger als der bloße schwankende Traum der Einbildung. Jene Vorstellung erhebt sich plötzlich; das Denken wendet sich augenblicklich ihr zu und gibt ihr alle Stärke des Wissens, die sich von dem sinnlichen Eindruck ableitet. Wenn man ein Schwert gegen meine Brust zückt, trifft mich da die Vorstellung von Wunden und Schmerzen nicht stärker, als wenn man ein Glas Wein vor mir erhebt, selbst wenn jene Vorstellung mit der Wahrnehmung des letzteren eintreten sollte?
Was Anderes kann nun in diesem Gebiete eine so starke Vorstellung erzeugen, als ein gegenwärtiger Gegenstand und der gewohnte Übergang zur Vorstellung eines andern Gegenstandes, welchen man mit dem ersten zu verbinden sich gewöhnt hat. Dies ist der einfache Vorgang in unserer Seele bei allen unsern Schlüssen von Tatsachen und Dasein. Es ist von Wert, einige ähnliche Verhältnisse aufzuzeigen, welche ihn erläutern. Die Gegenwart des Gegenstandes, von dem der Übergang ausgeht, gibt der zweiten Vorstellung immer die Stärke und Festigkeit. Hier besteht also eine Art von voraus bestimmter Harmonie zwischen dem Lauf der Natur und der Folge unserer Vorstellungen, und obgleich die Macht und Kräfte, welche in ersterer herrschen, uns ganz unbekannt sind, so sehen wir doch, dass unsere Gedanken und Vorstellungen denselben Lauf nehmen, wie die Werke der Natur. Gewohnheit ist das Prinzip, welches diese Vorstellungen bewirkt; sie ist für den Bestand unseres Geschlechts notwendig und leitet in allen Verhältnissen und Vorkommnissen des Lebens unser Benehmen. Erweckte nicht die Gegenwart eines Gegenstandes sofort die Vorstellung der mit ihm gewöhnlich verbundenen Dinge, so wäre all unser Wissen auf den engen Kreis des Gedächtnisses und der Wahrnehmung beschränkt; wir würden keine Mittel für Zwecke zurichten, noch unsere natürlichen Kräfte benutzen können, um Gutes zu erreichen und Übles zu meiden. Wer an der Entdeckung und Betrachtung der letzten Ursachen Vergnügen findet, hat hier volle Gelegenheit zum Staunen und zur Bewunderung.
Zu mehrerer Bestätigung der hier dargelegten Auffassung lässt sich noch geltend machen, dass diese Tätigkeit der Seele, wodurch man gleiche Wirkungen von gleichen Ursachen ableitet, und umgekehrt, in Anbetracht, dass sie so wesentlich für die Erhaltung des Menschengeschlechts ist, nicht wohl den trügerischen Begründungen unserer Vernunft anvertraut werden konnte. Deren Wirksamkeit ist langsam; in den ersten Jahren der Kindheit ist sie kaum bemerklich, und im besten Falle ist sie zu allen Zeiten und Perioden des Lebens dem Irrtume und Versehen sehr ausgesetzt. Es entspricht mehr der allgemeinen Weisheit der Natur, eine so notwendige Tätigkeit der Seele durch Instinkt oder einen mechanischen Trieb zu sichern, welcher in seiner Wirksamkeit frei vom Irrtum bleibt, gleich beim Beginn des Lebens und Denkens sich geltend macht und von den mühsamen Begründungen des Verstandes unabhängig ist. So wie die Natur uns den Gebrauch unserer Glieder gelehrt hat, ohne uns die Kenntnis der Muskeln und Nerven, durch die sie erfolgt, zu geben, so hat sie auch einen Instinkt uns eingepflanzt, welcher die Gedanken in derselben Richtung führt, die sie für äußere Gegenstände festgestellt hat; obgleich wir die Macht und Kräfte, von welchen dieser regelmäßige Lauf und Folge der Gegenstände abhängt, durchaus nicht kennen.
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