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§ 39. Assoziation als Prinzip der passiven Genesis

Das universale Prinzip der passiven Genesis für die Konstitution aller im aktiven Bilden vorgegebenen Gegenständlichkeiten trägt den Titel Assoziation. Es ist, wohlgemerkt, ein Titel der Intentionalität, als das in seinen Urgestalten deskriptiv aufweisbar, und in seinen intentionalen Leistungen unter Wesensgesetzen stehend, aus denen alle und jede passive Konstitution, sowohl diejenige der Erlebnisse als immanenter Zeitgegenstände als diejenige aller realen Naturgegenstände der objektiven raumzeitlichen Welt verständlich zu machen ist. Assoziation ist ein transzendental-phänomenologischer Grundbegriff (wie auch in der psychologischen Parallele Grundbegriff einer rein intentionalen Psychologie). Der alte Begriff der Assoziation und der von Assoziationsgesetzen, obschon auch er seit Hume in der Regel auf die Zusammenhänge des reinen Seelenlebens bezogen gedacht war, ist nur eine naturalistische Verzerrung der entsprechenden echten intentionalen Begriffe. Durch die Phänomenologie, die sehr spät Zugänge zur Erforschung der Assoziation gefunden hat, erhält dieser Begriff ein völlig neues Gesicht, eine wesensmäßig neue Umgrenzung mit neuen Grundformen, wohin z. B. die sinnliche Konfiguration in Koexistenz und Sukzession gehört. Phänomenologisch evident, aber für den Traditionsbefangenen befremdlich ist, daß Assoziation nicht ein bloßer Titel für eine empirische Gesetzlichkeit der Komplexion von Daten einer Seele ist, nach dem alten Bilde so etwas wie eine innerseelische Gravitation, sondern ein, und zudem höchst umfassender, Titel für eine intentionale Wesensgesetzlichkeit der konkreten Konstitution des reinen Ego, ein Reich des eingeborenen Apriori, ohne das also ein Ego als solches undenkbar ist. Erst durch die Phänomenologie der Genesis wird das Ego als ein unendlicher, in der Einheit universaler Genesis verknüpfter Zusammenhang von synthetisch zusammengehörigen Leistungen verständlich — in Stufen, die sich durchaus der universalen verharrenden Form der Zeitlichkeit fügen müssen, weil diese selbst sich in einer beständigen passiven und völlig universalen Genesis aufbaut, die wesensmäßig alles Neue mit umgreift. Dieser Stufenbau erhält sich im entwickelten Ego als ein verharrendes Formensystem der Apperzeption und somit der konstituierten Gegenständlichkeiten, darunter eines objektiven Universums von fester ontologischer Struktur, und dieses Sich-Erhalten ist selbst nur eine Form der Genesis. In alldem ist das jeweilige Faktum irrational, aber nur möglich in dem ihm als egologisches Faktum zugehörigen Formensystem des Apriori. Dabei ist aber nicht zu übersehen, daß Faktum und seine Irrationalität selbst ein Strukturbegriff im System des konkreten Apriori ist.