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§ 36. Das transzendentale Ego als Universum möglicher Erlebnisformen. Wesensgesetzliche Regelung der Kompossibilität der Erlebnisse in Koexistenz und Sukzession

Kehren wir nach der bedeutsamen Neufassung der Idee einer transzendentalen Phänomenologie durch die eidetisdie Methode zu der Erschließung der phänomenologischen Problematik zurück, so halten wir uns von jetzt an naturgemäß im Rahmen einer rein eidetischen Phänomenologie, in der das Faktum des transzendentalen Ego und der Sondergegebenheiten seiner transzendentalen Empirie nur die Bedeutung von Exempeln für reine Möglichkeiten hat. Auch die bisher aufgewiesenen Probleme verstehen wir als eidetische, indem wir die im Beispiel aufgewiesene Möglichkeit, sie eidetisch zu reinigen, überall verwirklicht denken. Der idealen Aufgabe einer wirklich systematischen Erschließung eines konkreten Ego überhaupt nach seinen Wesensbeständen genugzutun bzw. eine wirklich systematische Problematik und Untersuchungsfolge ins Spiel zu setzen, macht außerordentliche Schwierigkeiten. Erst im letzten Jahrzehnt beginnt sich diese Systematik zu klären und vor allem, weil wir neue Zugänge zu den spezifischen Universalproblemen der Konstitution des transzendentalen Ego gewonnen haben. Das universale Apriori, das zu einem transzendentalen Ego als solchem gehört, ist eine Wesensform, die eine Unendlichkeit von Formen in sich schließt, von apriorischen Typen möglicher Aktualitäten und Potentialitäten des Lebens mit den in ihm als wirklich seiend zu konstituierenden Gegenständen. Aber zu einem einheitlich möglichen Ego sind nicht alle einzelnen möglichen Typen kompossibel, sind es nicht in beliebiger Ordnung, an beliebigen Stellen seiner eigenen Zeitlichkeit. Bilde ich irgendeine wissenschaftliche Theorie, so ist diese komplizierte Vernunftaktivität und ihr vernunftgemäß Seiendes von einem Wesenstypus, der nicht in jedem möglichen Ego möglich ist, sondern nur in einem vernünftigen des besonderen Sinnes, desselben, der in der Verweltlichung des Ego in der Wesensform Mensch (animal rationale) auftritt. Sowie ich mein faktisches Theoretisieren eidetisch typisiere, habe ich, ob ich dessen inne bin oder nicht, mich selbst mitvariiert, aber nicht ganz beliebig, sondern im Rahmen des korrelativen Wesenstypus Vernunftwesen. Offenbar kann ich das jetzt geübte und zu übende Theoretisieren auch nicht in der Einheit meines Lebens beliebig verschoben denken, und auch das überträgt sich ins Eidetische. Eidetische Fassung meines kindlichen Lebens und seiner konstitutiven Möglichkeiten schafft einen Typus, in dessen Fortentwicklung, aber nicht in dessen eigenem Zusammenhang der Typus wissenschaftliches Theoretisieren auftreten kann. Solche Bindung hat ihre Gründe in einer apriorischen Universalstruktur, in universalen Wesensgesetzlichkeiten der egologisch-zeitlichen Koexistenz und Sukzession. Denn was immer in meinem Ego und eidetisch in einem Ego überhaupt auftritt — an intentionalen Erlebnissen, an konstituierten Einheiten, an ichlichen Habitualitäten — hat seine Zeitlichkeit und nimmt in dieser Hinsicht Anteil an dem Formensystem der universalen Zeitlichkeit, mit dem sich jedes erdenkliche Ego für sich selbst konstituiert.