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§ 40. Überleitung zur Frage des transzendentalen Idealismus

Mit der Reduktion der phänomenologischen Problematik auf den einheitlichen Gesamttitel der (statischen und genetischen) Konstitution der Gegenständlichkeiten möglichen Bewußtseins scheint die Phänomenologie sich rechtmäßig auch als transzendentale Erkenntnistheorie zu kennzeichnen. Kontrastieren wir die in diesem Sinne transzendentale mit der traditionellen Erkenntnistheorie.

Deren Problem ist das der Transzendenz. Sie will, auch wenn sie als empiristische auf der gewöhnlichen Psychologie fußt, nicht bloße Psychologie der Erkenntnis sein, sondern die prinzipielle Möglichkeit der Erkenntnis aufklären. Das Problem erwächst ihr in der natürlichen Einstellung und wird auch weiter in ihr behandelt. Ich finde mich vor als Mensch in der Welt, und zugleich als sie erfahrend und sie, mich eingeschlossen, wissenschaftlich erkennend. Nun sage ich mir: Alles, was für mich ist, ist es dank meinem erkennenden Bewußtsein, es ist für mich Erfahrenes meines Erfahrens, Gedachtes meines Denkens, Theoretisiertes meines Theoretisierens, Eingesehenes meines Einsehens. Erkennt man, F. Brentano folgend, die Intentionalität an, so sagt man: Intentionalität als Grundeigenheit meines psychischen Lebens bezeichnet eine reale, mir als Menschen wie jedem Menschen hinsichtlich seiner rein psychischen Innerlichkeit zugehörige Eigenheit, und schon Brentano hat sie in den Mittelpunkt der empirischen Psychologie des Menschen gerückt. Die Ich-Rede dieses Anfangs ist und bleibt die natürliche Ich-Rede, sie hält sich und auch die ganze Problemführung weiterhin auf dem Boden der gegebenen Welt. Und so heißt es nun, und ganz verständlich: Alles, was für den Menschen, was für mich ist und gilt, tut das im eigenen Bewußtseinsleben, das in allem Bewußthaben einer Welt und in allem wissenschaftlichen Leisten bei sich selbst verbleibt. Alle Scheidungen, die ich mache zwischen echter und trügender Erfahrung, und in ihr zwischen Sein und Schein, verlaufen in meiner Bewußtseinssphäre selbst, ebenso wenn ich in höherer Stufe zwischen einsichtigem und nicht einsichtigem Denken, auch zwischen a priori Notwendigem und Widersinnigem, zwischen empirisch Richtigem und empirisch Falschem unterscheide. Evident wirklich, denknotwendig, widersinnig, denkmöglich, wahrscheinlich usw., all das sind in meinem Bewußtseinsbereich selbst auftretende Charaktere am jeweiligen intentionalen Gegenstand. Jede Begründung, jede Ausweisung von Wahrheit und Sein verläuft ganz und gar in mir, und ihr Ende ist ein Charakter im cogitatum meines cogito.

Darin sieht man nun das große Problem. Daß ich in meinem Bewußtseinsbereich, im Zusammenhang der mich bestimmenden Motivation zu Gewißheiten, ja zu zwingenden Evidenzen komme, das ist verständlich. Aber wie kann dieses ganze, in der Immanenz des Bewußtseinslebens verlaufende Spiel objektive Bedeutung gewinnen? Wie kann die Evidenz (die clara et distincta perceptio) mehr beanspruchen, als ein Bewußtseinscharakter in mir zu sein? Es ist (unter Beiseitelegung der vielleicht nicht so gleichgültigen Ausschaltung der Seinsgeltung der Welt) das Cartesianische Problem, das durch die göttliche veracitas gelöst werden sollte.