Nach Nestroy
»Mit Gewalt muß der Mensch melancholisch da wer’n«
Die hat mich erheitert, daß ich tanzen grad möcht’,
’s is a schöne Erfindung, das schöne Geschlecht.
Wann einer das g’ringste geg’n die Frau’nzimmer sagt,
So hat er’s mit mir z’tun. Gar mancher oft klagt,
Daß d’Weiber so schlimm sein, sie fahr’n ei’m in d’Haar,
Wann s’ bös wer’n, ich glaub’s nicht, o, das ist nit wahr,
Viele sagen, sie kratzen ei’m die Aug’n aus im Zorn,
Ah, so was tat’ keine, ’s ist ausg’sprengt nur wor’n.
Jodler, der abbricht
— Die Melancholie steigt herauf
Doch wann ich an mein Schicksal denk’, ’s is a stark’s Stuck,
Da kommt mir die Melancholie wieder z’ruck.
Da tröst’ mich kein Frau’nzimmer, all’s is umsunst,
Denn was d’Weiber red’n, is nur blauer Dunst.
In der Mod’ zeigt sich der Charakter vor all’n,
Von einem Extrem tun s’ ins andere verfall’n.
Früher konnten die Ärmel nit weit genug sein,
Bei der Tür haben s’ nur können nach der Seiten hinein,
Jetzt tragen sie s’ ganz eng, ohne Falb’ln, ohne Kraus’,
Mancher Arm nimmt sich wiar a Tabakröhrl aus.
D’Frisur war ganz g’schleckt auf chinesische Art,
Jetzt sein s’ wieder auf unbändige Locken vernarrt.
Solche Locken, die decken oft ’s ganze G’sicht zur,
’s schaut nix als a langmächtige Nasen hervur.
Ja, so was zu sehn, sei es auch nur von fern,
Mit Gewalt muß der Mensch melancholisch da wer’n.
Trauerjodler, der abbricht
— Die Melancholie versinkt
Doch gibt es ja Gottseidank außer ein’ Weib
In den heutigen Zeiten auch sonst Zeitvertreib.
Man kann sich bei Tag und bei Nacht jetzt zerstreu’n
Und sich täglich zweimal seines Lebens erfreu’n.
Die Welt steht am Kopf und der Papst hat a Freud’
Und gesagt hat er’s einem von unsere Leut’.
Man muß sich’s nur vorstell’n, so vergißt man es nie —
Die Freie Presse befreit von der Melancholie.
Jodler
— Die Melancholie steigt herauf
Drum les’ ich die Zeitung; doch ich geh’ in kein Stuck,
Sonst kommt mir die Melancholie wieder z’ruck.
Sitz’ ich im Theater, da is alles umsunst —
So Theater zu spielen, das is schon eine Kunst.
Jetzt spiel’n s’ ohne Kulissen; denn ohne Talent
Sie spielen zu sehn, das war man schon g’wöhnt.
Im Bühnenraum fallen sie durch und darum
Drehn sie ihn halt spielend in a Raumbühne um.
Das Kulturwandl g’wendet, is als a ganzer kein Rock,
Aber die Zeit hat ihre Kunst halt und die Zeitung ihr’n Schmock.
Nach allem, was ich von dem Zauber gehört,
Soll er faul sein: die Herrschaften zaubern verkehrt.
Das is nix für mich, nein vor so was mir graust
Und ich bin ja ein Magier auf eigene Faust.
Doch zum Nestroy ins Burgtheater — glaub’n S’, da geh ich gern?
Mit Gewalt muß der Mensch melancholisch dort wer’n!
Trauerjodler
— Die Melancholie versinkt
Doch das politische Theater reißt mich wieder ’raus —
Da kann ich mich kugeln, da spend’ ich Applaus!
Da gibt’s noch a Hetz’, da bedrückt uns kein Weh,
Und im rechten Moment haben s’ die rechte Idee.
Is die Republik betteltutti, da wissen s’ ein’ Trost:
Sie geben ihr ganz einfach die Habsburger in Kost.
Da pumpert mein Herz, ich kann gar nicht sagen wie —
Sehn S’, der Seipel saniert von der Melancholie!
Jodler
— Die Melancholie steigt herauf
Mir wird konfus bei dem Zauber, und wenn auf die Republik
Fällt mein Blick, kommt mir gleich die Melancholie wieder z’rück.
Ich denk’ mir, dafür hat’s einen Weltkrieg gegeben!
Sie wollen, was sie erlebt hab’n, halt wiederum erleben.
Den aufg’wärmten Kaiserschmarrn möchten s’ noch einmal essen,
Aber daß er ihnen im Magen g’leg’n, das hab’n s’ vergessen.
Ja, die Weisheit der Welt an dem Grundsatz sich spießt:
Aufs Gehabte gibt der Jud nix, dafür aber der Christ.
Zur Freiheit, sag’n s’ selber, sind sie halt noch nicht reif,
Und ich muß offen gestehn, daß ich den Stolz nicht begreif.
Denn ich glaub’ halt und ich bin es zu sagen so frei:
Sie sind nicht einmal reif noch zur Sklaverei.
Durch Schaden werd’n s’ dumm, können vom Krieg nicht g’nug kriegen
Und das Volk, sagt der Nestroy, is ein Ries’ in der Wieg’n.
Und der braucht einen Knirps halt zu seinem Herrn.
Mit Gewalt muß der Mensch melancholisch da wer’n!
Trauerjodler
— Die Melancholie versinkt
Trotz allem, ich g’freu mich, ’s wird alles wie früher,
Der Tod und die Not waren schlechte Erzieher.
Zu was brauchen wir diese republikanischen Faxen?
So lass’n mr dem Doppelaar die Flügerln halt wachsen!
’s is allerhöchste Zeit, daß er dasteht wie a Phönix.
Die hier harr’n des Kaisers, die drüben des Königs.
Krieg’n mr erst diesen Schirm wieder, is mit’n Mieterschutz aus
Und bei die Hausherrn da zieht die Melancholie aus’m Haus.
Jodler
— Die Melancholie steigt herauf
Doch auf einmal verstummt nun das Freudengeschrei:
Der Wirt hat die Rechnung g’macht ohne die Partei!
Die blast ihm zum Rückzug und feuert Decharge
Und statt ’n Doppeladlermarsch spiel’n s’ den Zinsgeiermarsch.
Statt mit dem Friedenszins friedlich herauszurücken,
Werden die Pultdeckel geschlagen als wie eine Brücken,
Daß in dem Schlachtengetös vergeht Hören und Sehn
Selbst dem edlen Ritter dem Prinz Vaugoen.
Und mit Trommeln und Pfeifen, Trompeten und Tschinell’n
Spiel’n s’ besser als die beste Militärkapell’n.
Die alte Musik war zur Begleitung der Toten;
Den Lebendigen spiel’n s’ auf nach ganz anderen Noten.
Denn die woll’n nix als daß zu des Vaterlands Ehren
Die Mütter auch ferner in Schmerzen gebären
Und der Zins sei erhöht an Gut und an Blut.
Nein, da wird selbst dem Teufel melancholisch zu Mut!
Trauerjodler
— Die Melancholie versinkt
Bläst man manchmal auch Trübsal in dem Land aus Passion,
So pfeift’s doch auch wieder aus ein’ ganz andern Ton.
Da gibt man den Glauben an den Staat noch nicht auf,
Denn der hat a Justiz und die nimmt ihren Lauf.
Sie ruckt aus, von die großen Dieb’ einen zu hängen —
Nein, da woll’n wir uns nicht in die Amtshandlung mengen!
Zwar, grad wie’s ihn fangen woll’n, is er auf und davon,
Aber wann er zurückkommt, da kriegen s’ ihn schon.
Jodler
— Die Melancholie steigt herauf
Ja, ein Frauenzimmer gibt es, die kenn’ ich vor allen,
Die ist eine G’fallene, aber mir tut s’ nicht gefallen.
Denn sie ist dem nur zu G’fallen, der von Rang und von Macht,
Und ich glaub’, sie geht unbefugt aus bei der Nacht.
Sie ist nicht sehr schön und ist längst schon kein Kind,
Aber sie spielt blinde Kuh und hat vor d’Augen a Bind’.
Mit die Großen spielt s’ Fangerl, aber die Kleinen tut s’ fangen;
Manch ein Fuß bleibt jetzt frei, manche Hand hat heut Spangen.
»Ohne Ansehn der Person« — das is reiner Hohn,
Man sieht bloß, ohne Ansehn steht s’ da, die Person!
Und seh’ ich, wie sie’s treibt im Namen der Republik,
Da kommt mir die Monarchie wieder z’rück.
Und der Castiglioni kommt z’rück und ’s is alles gerührt
Und sie sagen Hab’ die Ehre, wem Ehre gebührt,
Und der Staat kann ihn gern hab’n, wie er ihn hat gern.
Mit Gewalt muß der Mensch patriotisch da wer’n!