Viktor Hehn
Viktor Hehn war der erste, der die ethnographische Sprachwissenschaft mit großem und populärem Erfolge kritisiert hat. Sein Buch "Kulturpflanzen" usw. liest sich heute noch sehr gut. Überall, wo er an dem vermeintlich festen Besitz der neuen Wissenschaft rüttelt, wirkt er überzeugend. Aber nur seine Negationen stehen fest, alle seine positiven Aufstellungen sind vergnügte Hypothesen. Alle Gelehrsamkeit und die geschmackvolle Darstellung können zu keiner Gewißheit führen. Dass die Gleichheit gewisser Worte nicht beweise, das Urvolk habe bereits Pferde zum Reiten oder Ziehen verwandt, habe bereits die Ziege als Haustier verwandt, hat uns Hehn gelehrt; dass aber das Sanskritwort açva das wilde Pferd bedeute, wie Viktor Hehn es beinahe dichterisch schildert, dass der alte Inder gar dabei die Wurzel ak zur Bezeichnung eines "schnellen" Tieres benutzt habe, das ist eine Doktorfrage, eine Tonne zum Spielen für philologische Walfische. Und wie bei allen diesen Untersuchungen ist auch bei Hehn nicht der leiseste Versuch gemacht, für die von ihm angenommene Wanderang von Dingen und Worten nur entfernt irgendeine Zeit zu bestimmen. Wie etwa ein Dichter aus den Quellen den Hintergrund zu einem historischen Roman entnimmt, so glaubt noch Hehn berechtigt zu sein, aus seiner Kritik verglichener Worte den Kulturzustand der Arier bestimmen zu können. Es ist nicht mehr das Idealvolk seiner Vorgänger; es ist ein wanderndes Hirtenvolk, das in Sitte und Gewerbe auf einer primitiveren Stufe steht, die Hehn oft recht genau beschreibt. Je schärfer er den früheren ethnographischen Linguisten auf die Finger sieht, desto gläubiger ist er für seine eigenen Einfälle.
So konnte es kommen, dass das Werk Viktor Hehns bei denselben Leuten für klassisch gilt, welche die neue Auflage Kapitel für Kapitel mit Bemerkungen versehen müssen, durch die die Aufstellungen Hehns in Zweifel gezogen werden. Es geht eben in den Geisteswissenschaften ähnlich zu wie in der Theologie, wo nicht so leicht jemand kritischen Ernst beweist, aus Angst, er könnte dem ganzen wissenschaftlichen Treiben seiner eigenen Disziplin die Grundlage entziehen, er könnte den Ast absägen, auf welchem er sitzt.