Auf dem Nachttisch
kann auch manchmal das Grammophon stehn. Ist die Grammophon eigentlich Masculinum oder Neutrum? Ich werde das nie lernen. Ich kann ihn, es nur aufdrehen – dann lauft er. Nachts lasse ich leise Jack Hylton spielen – das beruhigt ungemein. Was von Hylton bei Elektrola erschienen ist, ist beinah alles gut im Thema – immer ersten Ranges in der Wiedergabe. Wie die fetten Saxophone den Rhythmus zusammenhalten! wie die Geigen ziehn! die Klaviere klopfen! die kleinen Männerstimmen singen – so kann ich auch singen, aber ich tus nicht. Es ist zu schön. Manchmal zünde ich einen Walzer an: »Wie schön sind doch die Tränen einer Braut –«, nein: »Where are there tears in your eyes?«, das hat er schon dreihundertvierzehnmal spielen müssen. Der Doktor Lehmann hat auf seinen Lieblingsplatten einen kleinen Postzettel kleben: »eilt sehr« steht darauf. Ich fragte ihn, was es zu bedeuten hätte. »Eilt sehr meinem Herzen zu –« sagte er. Jack Hylton eilt meinem Herzen zu.
Ich habe ihn in Paris gesehn, zweimal in einer Woche. Der kleine, dicke Bauernjunge hampelte da vor seinem Orchester umher, und den Jungens machte das einen Spaß! Der weiß, was Musik ist.
Konservenmusik? Meinetwegen: ich kann ihn mir nicht engagieren – und im Radio muß ich mir die paar guten Jazz-Konzerte mit so viel dummen Vorträgen erkaufen – »Das Kaninchen als gesellschaftsbildendes Element im achtzehnten Jahrhundert« – oder »Der Kleinkalibersport als Abführmittel. Lassen Sie sich durch den Darm gesund schießen!« –, da drehe ich schon lieber den oder das Grammophon auf, den Zwitter. Ich kaufe mir in fremden Ländern, in die ich komme, immer Grammophonplatten, zur Erinnerung – aber »Grammophon« und die Sache mit Lola Elektrola sind wirklich gut gemacht. Horch, er spielt, der Hylton … na? Es wird dunkler und dunkler, jetzt läßt er nach, nun ist es ein Trauermarsch im Baß, er gurgelt, nun macht er wie Grock: »Boaaa –«, gleich hat er ausgeröchelt … Ich muß ihn aufziehen. À tout à l'heure –!
Peter Panter
Die Weltbühne, 20.11.1928, Nr. 47, S. 792.