Deutsche Soldaten in der pariser Oper
Kein sehr pazifistischer Film – aber ein anständiger Film. Schlachtszenen in durchgehender Handlung: Verdun von 1915 bis 1918. Der Deutsche darf anmerken: In keinem Falle wird der deutsche Soldat anders als mit höchstem Respekt dargestellt – hier gibt es keine Schießbudenfiguren, keine Kinderfresser und Uhrenräuber … gezeigt werden Männer und junge Leute, die ihr Leben in gutem Glauben einsetzen. Fast alle Szenen sind dargestellt: der Regisseur Léon Poirier hat auch mit Deutschen gearbeitet: die Rolle eines jungen Soldaten wird von Hans Brausewetter gegeben.
Daß der Film von Franzosen gemacht worden ist, wird niemand an der Tendenz merken: sie ist nicht vorhanden, der Film ist aus einer sauberen und anständigen Gesinnung geboren. Der Deutsche wird den französischen Ursprung in den kleinen Einzelheiten merken, die für unser Auge nicht stimmen: Offiziere geben bei einer Besprechung im Stab kein Mienenspiel von sich, wenn ihnen der General etwas eröffnet. Dieser General (die einzige mißglückte Figur auf deutscher Seite) ist eine Karikatur des Feldmarschalls Hülsen-Haeseler, der in Wahrheit nur noch ein ehrwürdiges Dekorationsstück gewesen ist – er hat zwar ausgesehen wie eine alte Frau, ist aber ein Edelmann gewesen, und nicht, wie hier, ein alter Schauspieler. Was übrigens die Franzosen nur mit dem Nietsche haben, dem sie nicht nur das »z« amputiert haben, sondern den sie beharrlich mit dem deutschen Offizier in Verbindung bringen, das wissen die Götter. Sie können sich jene Kälte wohl sonst nicht erklären, die sie von diesem Lager her verspürt haben. Aber die Lektüre der Kasinos ist wohl eher Ganghofer und Otto Ernst gewesen. Die französischen Soldatengesichter sind gut – das etwas weiche Schauspielergesicht Brausewetters wird kein Frontsoldat als mit der Wirklichkeit übereinstimmend ansehen: Nichts ist darüber hinweggebraust, so glatt und offen und ruhig liegt dieses Gesicht vor einem … Es ist nicht einmal eine verfehlte Maske.
Die Kriegsszenen sind gestellt. Die grauenhaften Anstrengungen, das Leiden, die Not, die tierische Existenz verkleideter Angestellter und Arbeiter, die Sinnlosigkeit dieses Lebens – das kommt einigermaßen heraus. Die Kämpfe um die Forts Vaux und Douaumont sind bestes Kollektivdrama. Der Augenblick, in dem die Franzosen das Fort Vaux verlassen, während die Deutschen vor den Tapferen das Gewehr präsentieren, ist von höchster dramatischer Spannung. Dazwischen einmal – als Vision des alten Generals – gespenstisch anmutende Szenen aus dem Jahre 1913: das Militär zieht Unter den Linden auf mit einem Polizeioffizier im Vordergrund.
Auch der Kaiser ist zu sehen, ein alter Mann. Es blieb totenstill in dem riesigen Theater, als er erschien, totenstill auch, als die englischen Truppen gezeigt wurden. Keine Hand rührte sich. Bei den Bildern einiger französischer Generale gab es einige Pfiffe. Nach angstvollem Schweigen klatschten die Leute manchmal vorwiegend vor »Schön gestorben!«, »Schön gefilmt«, »Bravo!«, »Nochmals siegen!« –
Wirkt nun solch ein Film, der in der pariser Oper vom Präsidenten der französischen Republik mit den Generalen und der pariser Gesellschaft eingeweiht wird, pazifistisch? Wir haben so viele Kriegsfilme gesehen … Ihre Wirkung hängt offenbar von den Zwischentiteln ab, weil ja die ersten Roheiten nicht auf dem Film zu sehen sind. Wenn nicht hinter jeder Schreckensszene zu lesen steht oder noch besser zu sehen ist, wofür das alles stattgefunden hat, dann wirken diese Filme nicht pazifistisch. Der Film schließt nicht mit einer Parade der Sieger, er schließt mit dem Bild eines Mannes, der Samen auf seinen Acker streut, mit einem, der das zerstörte Leben wiederaufbaut …
Peter PanterVossische Zeitung, 09.11.1928.