Französische Frauen
Und willst du wissen, was sich ziemt,
So frage nur bei den Majoren an …
Walter Flex
»Der edlere Teil der Wissenschaft macht neuerdings jedes Wissensgebiet in asketischer Weise und aus der mystischen Tendenz dieser säkularen Epoche zu einer Sakramentangelegenheit der Idee.« Was ist das –? Der Aufsatz eines hornbrillenden Literasten? Ein neuer Spengler? Eine Kulturgeschichte? Mit nichten.
Manchmal erscheinen Bücher, die eigentlich sonst nicht erscheinen. Kuriosa: ich besitze das Werk jenes ehrlich Verrückten, das Freud einmal untersucht hat; Gedichtsammlungen von Dilettanten, denen die bezahlten Verlagskosten aus allen Versen gucken; Gelegenheitsdrucke, Seltenheiten aus Gefangenenlagern … Solch ein Buch habe ich aufgetrieben, es heißt ›Französische Frauen‹, bei Ernst Guenther in Freiburg erschienen, als Verfasser ist ein Maximilian Delmar angegeben. »So einen Kerl«, sprach der Wirt, »hab ich zeit meines Lebens nicht gesehen.«
Dieser hier stand im Kriege als Major in Frankreich und hat es sich nicht nehmen lassen, seine Erfahrungen über die dortigen Frauen aufzuzeichnen. Das Buch ist vollständig toll, von der ersten bis zur letzten Zeile. Man denke sich ein Gemisch aus Clauren, Kasinoferkelei, falsch angelesener Bildung und komplettem Rassewahnsinn – und man hat den Mann noch lange nicht. Da muß man hineingetreten sein.
Zunächst hat der Franzosenkenner eine fixe Idee: er ist Erotomane. Er kann nichts in Frankreich sehen, was ihn nicht ›daran‹ erinnert. So:
»Um aber auf die Klimatik Frankreichs und seine Jahrestemperatur … zu kommen, haben wir vornehmlich in den für die menschliche Brunst entscheidenden Frühjahrsmonaten den allen verliebten Launen schöner Frauen so angenehmen Wechsel zwischen lauen Tagen und abkühlenden Nächten zu beobachten, der das seinen Honigmond feiernde Paar unermüdlich aus dichtem Heckenbusch in die heimliche Kammer und aus dieser wieder morgens zu den erfrischenden Lauben eines neuen Lebenstages hinführt.«
Und als der Major die französischen Schlafzimmer beschreibt, fällt er glatt aus dem Stahlhelm.
»Überreste orientalischer Einflüsse sind die Springbrunnen der Wintergärten, die so kühl und träumerisch die heiße Glut des sommerlichen Leibes umplätschern. Vielleicht kann man sogar nach den Theorien des Meisters Freud aus dem Aufstieg des Strahls ein Sexualsymbol empfinden.«
Doch, das kann man. Aber nun:
»Am tiefsten trägt aber das Bett den Eindruck der Frau. Ich habe in den Quartieren der vergangenen Kriegszeit wahre Wunderwerke der Federung und Vibration kennengelernt. Die natürliche Anlage der an diesem Körperteil vom Schöpfer so vorsorglich mit Fettpolstern versehenen Frau wird dadurch noch bedeutend erhöht. Die mechanischen Nebengeräusche übertönen niemals die animalischen Töne der Liebe und stören ihre Weltvergessenheit nicht mit der kreischenden Litanei höhnischer Spiralfedern. Die Überlegenheit der französischen Kultur läßt sich im Hinblick auf die glänzende Mechanik des Ehebetts, die bei aller Gründlichkeit doch eine sehr diskrete Behandlung der Umarmung ermöglicht, nicht verleugnen.«
Und wer suchet, der wird finden, und wer da öffnet – besonders Nachttischschubladen – dem wird aufgetan, und so findet er denn eines Tages zu seinem »Entzücken das erotische Handwerkszeug der geflüchteten Schönen«. Was der Bursche mit dem Konsolateur treibt, wie er an unanständigen Fotos, die ein offenbar seltsames Paar hatte anfertigen lassen, herumschmatzt: das hat Clauren auch nicht besser gekonnt.
»Das war mein erster Einblick, den ich mit eigenen Augen in das Schlafzimmer einer französischen Frau der vornehmen Gesellschaft getan habe.«
Man hört ordentlich: »'rrnanz! Noch ne Pulle Rotspon! Was ich sagen wollte, meine Herren: die Französinnen – das sind ja tolle Nummern!«
Der Major sieht aber immer nur ›das‹ und nichts als das. Jeder vernünftige Mann weiß, dass die Durchschnittsfranzösin eher etwas kalt, gutbürgerlich, erotisch wenig neugierig, dass sie natürlich ist – dieser weiß es anders. In Paris ist er ja ›leider‹ nicht eingezogen. Aber man kann ihm da nichts erzählen. Welch eine »erotische Metropole« –!
»Gekrönte Häupter und berühmte Proletarierführer aller Länder begegnen sich dort mit dem Lächeln der Auguren.«
Das kann man hier in Paris alle Tage sehen. Neulich erst, auf der Place Pigalle: der Prinz von Wales und Hermann Müller. »Na, oller Augur?« sagt der Prinz von Wales. »Königliche Hoheit!« antwortete unser großer Proletarierführer, »ich bin hier, um mit den Französinnen einen Kompromiß zu schließen.« Ja, und wovon Paris alles strotzt!
»Alle Gegenstände der Mode, auf Liebesreiz verrucht abgestimmte Wäscheausstattungen, elegante Bekleidungsstücke, kokette Strümpfe, Hüte, Schmuck, Schminken, Puder … alle Instrumente der Körperpflege, sämtliche Mittel zur Verhütung der Empfängnis, Mobiliar, Teppiche, Vitrinenbibelots –« und?
»– und wie die Notwendigkeiten der Aufmachung zum Geschlechtertanz alle heißen mögen.«
Denn wer möchte etwa ohne Bibelots tanzen? Ich nicht.
Dabei hat er manchmal einen lichten Moment, erkennt auch an, dass Paris schließlich eine europäische Hauptstadt sei wie jede andere auch – und doch übertreffen seine Schilderungen noch die Komik des Stiesels der Nike, der auf der Place de la Concorde Frauen mit Einholekörben herumlaufen sieht.
Überhaupt Frankreich! »Nur einem Barbaren mit der imponierenden Kraft des Bären könnte es heute noch gelingen, die ›elegante‹ Pariserin im Beischlaf zu schwängern. Das würde ihre letzte Sensation. Schon schaut sie nach dem Neger.«
Das täte ich auch, wenn ich zwischen ihm und einem solchen Major zu wählen hätte. Nein, Frankreich und seine eleganten Weiber – aber die sind …
»Je erlesener sich die Französin die Glieder bekleidet, um so lieber, mein Freund, steigt sie dir nackt ins Bett.«
Im Pentameter. Man sollts nicht für möglich halten.
Ignaz Wrobel
Die Literarische Welt, 1926, Nr. 21, S. 7.