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Paralogismus

Paralogismus (gr. paralogismos = Vernunftwidrigkeit von para = gegen u. logos = Vernunft) heißt im logischen Sinne ein in der Form unrichtiger Fehlschluß, der durch einen Irrtum entstanden ist, während ein Fehlschluß, der die Absicht zu täuschen hat, ein Trugschluß oder Sophisma (s. d.) heißt. Kant (1724-1804) unterscheidet vom logischen den transzendentalen Paralogismus. Der transzendentale Paralogismus ist ein Fehlschluß, der auf der natürlichen Beschaffenheit der menschlichen Vernunft, des Erkenntnisvermögens a priori, beruht, und der eine notwendige, wenn auch nicht eine unauflösliche Illusion mit sich führt. Kant kommt zu der Behauptung, daß es vier solcher transzendentalen Paralogismen gebe, durch folgenden Gedankengang: Ideen sind notwendige, auf das absolute Ganze aller möglichen Erfahrung gerichtete Begriffe, deren Gegenstand in keiner Erfahrung gegeben werden kann. Ihr Ursprung liegt in den Funktionen der drei Vernunftschlüsse, des kategorischen, des hypothetischen und des disjunktiven Schlusses. Die erste Idee ist die des vollständigen Subjekts oder der absoluten Einheit des denkenden Subjekts, die zweite die der vollständigen Reihe der Bedingungen, die dritte die eines vollständigen Inbegriffs alles Möglichen. Auf die erste Idee, die absolute Einheit des denkenden Subjekts, gründet sich die ganze rationale Psychologie. Diese entwickelt ihre Lehre auf Grund von vier Schlüssen, durch die nachgewiesen werden soll, daß die Seele Substanz, einfach, numerisch-identisch (Person) sei und im Verhältnisse zu möglichen Gegenständen im Räume stehe. Aber diese vier Schlüsse erweisen sich als Paralogismen. Der erste Paralogismus lautet: Dasjenige, dessen Vorstellung das absolute Subjekt unserer Urteile ist, ist Substanz. Ich, als ein denkendes Wesen, bin das absolute Subjekt aller meiner möglichen Urteile; also bin ich, als denkendes Wesen (Seele), Substanz ; der zweite : Dasjenige Ding, dessen Handlung niemals als die Konkurrenz vieler handelnden Dinge angesehen werden kann, ist einfach. Nun ist aber das denkende Ich ein solches; also ist die Seele einfach ; der dritte : Was sich der numerischen Identität seiner selbst in verschiedenen Zeiten bewußt ist, ist eine Person. Nun ist sich die Seele der numerischen Identität ihrer selbst in verschiedenen Zeiten bewußt, also ist die Seele eine Person; der vierte: Dasjenige, auf dessen Dasein nur als einer Ursache zu gegebenen Wahrnehmungen geschlossen werden kann, hat eine nur zweifelhafte Existenz. Nun sind alle unsere Erscheinungen derart, daß ihr Dasein nicht unmittelbar wahrgenommen, sondern auf sie als die Ursache gegebener Wahrnehmung allein geschlossen werden kann, also ist das Dasein aller Gegenstände äußerer Erscheinungen zweifelhaft (Idealismus ). Alle diese Schlüsse schließen einen Fehler in sich ein. Der erste verschiebt den Begriff des logischen Subjekts des Denkens zu dem Begriff des realen Subjekts der Inhärenz, der zweite den Begriff der Einheit des Bewußtseins zu dem Begriffe der substantiellen Einfachheit des Subjekts, der dritte den Begriff der Identität des Bewußtseins seiner selbst in verschiedenen leiten zu dem Begriff der objektiven Beharrlichkeit, der vierte den Standpunkt des transzendentalischen Idealismus zu dem des dogmatischen Idealismus. Alle vier schließen also den unabsichtlichen Fehler in sich ein, daß sie dasjenige auf das Objekt an sich beziehen, was nur das Subjekt und die Leistung desselben im immanenten Gebrauche angeht, daß sie von dem transzendentalen Begriffe des Subjekts, der nichts Mannigfaltiges enthält, auf die absolute Einheit dieses Subjektes selber schließen, von dem wir gar keinen Begriff haben. Mit den vier transzendentalen Paralogismen fällt die rationale Psychologie. (Vgl. Kant, Kritik d. reinen Vernunft S. 341-405. Prolegg. S. 134-142.)