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Positivismus

Positivismus nennt der Franzose Aug. Comte (1798 bis 1857) sein System, welches sich, unter Verwerfung jeder Theologie und Metaphysik, mit der Erkenntnis der die Erscheinungen regelnden Gesetze der Koexistenz und Aufeinanderfolge begnügt. Die positive oder exakte Philosophie, die in Hume (1711-1776) ihren Vorläufer hat, sucht sensualistisch durch Beobachtung die im Bereiche der Erscheinungen selber liegenden festen Verhältnisse zu erkennen und den Begriff der Ursache durch den der konstanten Folge zu ersetzen. Ihr Ziel ist: „Sehen, um vorauszusehen, und forschen, was ist, um zu schließen, was sein wird.“ Die Naturwissenschaft ist nach ihr die Grundlage aller Philosophie, und der Unterschied zwischen physikalischen und moralischen Wissenschaften ist hinfällig (vgl. dagegen Natur und Geschichte!). Die Tätigkeit des Menschen ist nur ein Produkt der unendlichen Mannigfaltigkeit äußerer Eindrücke und der Wechselwirkung zwischen ihnen und inneren Reaktionen. Dem positiven Stadium der Wissenschaft, welches da anfängt, wo man die Erscheinungen in Gesetze faßt, geht das theologische, welches die Ereignisse der Welt von Willensakten übernatürlicher Wesen ableitet, und das metaphysische voran, das den Erscheinungen abstrakte Begriffe unterschiebt; und nach dem Maße, wie die einzelnen Wissenschaften sich in dieser dreifachen Gestaltung entwickelt haben, bestimmt sich selbst ihre Ordnung und Stufenleiter. Die Hierarchie der Wissenschaften ist hiernach: 1. Mathematik (Arithmetik, Geometrie, Mechanik), 2. Astronomie, 3. Physik (Lehre von der Schwere, der Wärme, Akustik, Optik, Elektrizitätslehre), 4. Chemie, 6. Biologie (oder Physiologie), 6. Soziologie. Besonderen Nachdruck legt Comte auf die Soziologie. Sie zur exakten Wissenschaft zu erheben, ist sein Ziel. Vgl. Comte, Cours de philosophie positive (1830-1842). Lewes, Comte’s philosophy 1874. G. E. Schneider, Einl. in d. posit. Philos. 1880. Auch E. Dübring (Natürliche Dialektik. Berl. 1865; Kursus der Philosophie. 1875) hat eine materialistische „Philosophie der Wirklichkeit“ aufgestellt. Als deutsche Positivisten bezeichnet man E. Laas (1837-1885) und Al. Riehl (geb. 1844). Nach Laas ist der Positivismus diejenige Philosophie, die keine anderen Grundlagen als positive Tatsachen (Wahrnehmung und logische Gesetze) anerkennt. Die Grundlage dieser Philosophie bilden drei Lehren: 1. die korrelative Tatsache, daß Subjekt und Objekt nur miteinander bestehen und entstehen, 2. die Variabilität der Wahrnehmungsobjekte und 3. der Sensualismus. Auch Laas verwirft jede Metaphysik und fordert für die Ethik, daß sie aus menschlichen Verhältnissen begründet werde. – Riehl stellt die von der Grundlage der Empfindung ausgehende Erkenntnistheorie als wissenschaftliche Philosophie der Metaphysik der unwissenschaftlichen entgegen und verweist die Lehre von den praktischen Idealen aus der Wissenschaft in die Nähe der Kunst und Religion. Vgl. Laas, Idealismus und Positivismus (1879 bis 1884). Riehl, der philosophische Kritizismus (1876-1887). Falckenberg, Geschichte der neueren Philosophie 1898 S. 515 f.