Symbolische Reparaturen
werden jetzt im Burgtheater vorgenommen. Der gläubige Geist, der das Übel durch Besprechen zu heilen glaubte, hat sich zur Tat aufgerafft. Er entfernte den Punkt, der auf dem Theaterzettel hinter dem Wort Burgtheater stand, und hoffte, nun werde der Schlußpunkt der Burgtheaterherrlichkeit beseitigt sein. Die Sommerferien aber werden zu einer einschneidenden Reform benützt werden. Zwei Stufen, die vom Direktionszimmer zur Stiege führen und über die man leichter hinauf als hinunter kommt, sollen beseitigt werden. Da die Zukunft im Ungewissen liegt, will man für alle Fälle Vorkehrungen treffen. Diese Reparatur ist eine interne Angelegenheit und wird auf die Frequenz der Stiegen, die das Publikum benützt, keinen Einfluß haben. Es war ein verhängnisvoller Fehler, dass man bisher bei der Benützung der beiden Stufen so viel Vorsicht angewandt hat. So konnte es zum Beispiel geschehen, dass der Mann, der das Burgtheater erbaut hatte, sie nie betreten hat! Ihm war es bloß um die Akustik zu tun. Da man aber von vielen Plätzen den Souffleur überhaupt nicht hört, so beginnt sich das Obersthofmeisteramt Vorwürfe zu machen, und spät genug ringt sich die Erkenntnis durch, dass man beim Bau des Burgtheaters Millionen hätte ersparen können, wenn man statt ihrer den Baumeister hinausgeworfen hätte. Immerhin läßt sich, was man an ihm versäumt hat, an manchem Direktor noch gut machen. Indem die Hoftheaterbehörde die Beseitigung der beiden Stufen bewilligt hat, ist sie dem Publikum um zwei Schritte entgegengekommen. Wie verlautet, soll auch ventiliert worden sein, ob nicht das Signal der Wagenrufer am Schluß der Vorstellung: Aus is —! abzuschaffen wäre, da es den Direktor nervös macht und im Publikum zu übertriebenen Gerüchten Anlaß gibt. Doch ist man davon mit der berechtigten Erwägung abgekommen, dass man die letzte Einrichtung, die das Burgtheater noch mit der Tradition verbindet, nicht beseitigen dürfe.
Nr. 324-25, XIII. Jahr
2. Juni 1911.