Kierkegaard und die Journalisten


Wehe, wehe über die Tagespresse! Käme Christus jetzt zur Welt, so nähme er, so wahr ich lebe, nicht Hohepriester aufs Korn, sondern die Journalisten!

 

*

Gott im Himmel weiß: Blutdurst ist meiner Seele fremd, und eine Vorstellung von einer Verantwortung vor Gott glaube ich auch in furchtbarem Grade zu haben: aber dennoch, dennoch wollte ich im Namen Gottes die Verantwortung auf mich nehmen, Feuer zu kommandieren, wenn ich mich nur zuvor mit der ängstlichsten, gewissenhaftesten Sorgfalt vergewissert hätte, daß sich vor den Gewehrläufen kein einziger anderer Mensch, ja auch kein einziges anderes lebendes Wesen befände als — Journalisten.

Sören Kierkegaard, 1846.

 

Und nach siebzig Jahren, wo es um so viel siebzigmal wünschenswerter wäre, als es siebzigmal mehr Gewehrläufe und Journalisten gibt, stehen sie nicht vor ihnen, sondern dahinter, haben sie laden geholfen und sehen zu, man zeigt ihnen, wie es schießt und fließt, und wartet, bis sie kommen, es zu beschreiben. Welche Verantwortung nimmt die Erde, die solches will und erträgt, im Namen Gottes auf sich!

 

 

April, 1916.


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