Also Dichter und Denker, nicht Barbaren


Da die Chose, in der jetzt eine endgiltig hergestellte Mischung aus Landsknecht und Ingenieur triumphiert, von hervorragend weidmännischem Interesse ist, hat die deutsche Jagdzeitschrift »Wild und Hund« den folgenden instruktiven Bericht veröffentlicht:

 

Auf der Russenfährte

Von Frundsberg.

(Nachdruck verboten.)

... Dies Jahr zählt doppelt und dreifach gegen lummrige Friedensjahre und wird sich nie aus meinem Leben fortwischen lassen. — Und soll's auch nicht! Gut Gejaid allezeit und harte Kriegsarbeit gab's in Feindesland ...

Und es gab herrliche Tage, wenn man als Sieger dem geschlagenen Feind auf den Fersen saß, ihn zustande hetzte, bis er, zu Tode erschöpft, sich dem Sieger ergab ...

... Das alte Landsknechtsleben blühte wieder auf, reiten und streiten, essen und trinken, jagen und lieben. Es war wohl wie in alten Zeiten. Man fand sich furchtbarschnell darein. Krieg ist doch wohl die natürlichste Beschäftigung des Mannes ... Ein Jahr, ein schönes, langes Jahr hab ich's so getrieben ... Aber es gab damals auch einen Wundbalsam, der alles wieder gut machte, den ich mir kaum zu erträumen gewagt: das Kreuz von Eisen ohne Band I ...

... Ab und zu mußte man schon die alte Feldpulle zwischen die Zähne nehmen, um sich wenigstens innerlich etwas anzuwärmen. Man wird besinnlich in solchen Momenten und unsere Gedanken brauchten nicht weit zu reisen, um sich besserer Tage zu besinnen ... an den schönen lustigen Franzosenkrieg, wie wir ... die feindliche Kavallerie in den Dreck ritten, wo sie nur ein Pferdebein zeigte ... um schließlich in der sonnigen Champagne unsere Rosse zu tummeln. Man bekam ein verdächtiges Schlucken in den Hals, wenn man an all den guten Schampus dachte, der einem damals durch die Kehle gerieselt war. — Weiter führten einen die Gedanken mit einem kleinen Hupf in ein neues Feindesland: Belgien! Fruchtbare Felder, reiche Städte, dicht gedrängt erwarten uns da ... Einen himmelblauen Gurkha und zwei belgische Radler konnte ich damals in mein Schußbuch eintragen ... Und dann ... die Grenzpfähle nach Polenland wegzufegen. Und, beim großen Zeus, unsere Flinten und Lanzen sollten auch hier nicht rosten!

... Es war eine Kavalleriedivision, die wir schon aus Frankreich kannten, und die auch mit von der Partie sein wollte. Nichts ist spaßiger, als wenn sich bekannte Truppen auf einem anderen Kriegsschauplatz Wiedersehen. Und so jagte auch bald ein grober Witz den andern. Himmel, wie sahen die Jungens aber auch aus! Auch in einem Rutsch aus dem noch sommerlichen Frankenlande kommend, hatten sie ihre Wintersachen nicht mehr erhalten. Aber was macht das. Man weiß sich zu helfen. Aus Teppichen, Pelzen, Fellen waren im Nu warme Mäntel, Ohrenschützer, Handschuhe gemacht...

... Donnerwetter ja, in Polen sollen ja stramme Hirsche wachsen. Die alte Büchse zappelt ungeduldig auf dem Rücken, als ob sie sich nach Arbeit sehnte. Warte nur, mein Hase, du kommst auch noch ran!

Vorläufig gab's aber noch nichts zu schießen. Feind fehlte noch wegen Mangel an Beteiligung. Ein paar herumstreunende Kosaken waren schon von den Patrouillen aus dem Felde geschlagen oder vielmehr geschossen worden. Zu Pferde kriegt man die Lümmels schlecht, vorm Schießen haben sie aber einen Höllendampf. — Nach endlosem Marsch, als es schon völlig dunkel war, kamen wir ins Quartier. Au je, das war doch überwältigend! Wer eine solche Panjebude nicht kennt, der ahnt überhaupt nicht, was es alles gibt. Beschreiben läßt es sich nicht, das muß man sehen und fühlen ... Die Kosakis hatten sich nun doch ermannt und uns den Weg über eine Brücke verlegt. Es war allerdings auch dicke Infanterie dabei. Eine Schwadron von uns war schon beim Angreifen, erhielt aber ein wahnsinniges Feuer, das ziemlich schaurig durch die dustre Nacht gellte. Bei Tagesanbruch griff dann das ganze Regiment an und trieb die Brüder zu Paaren. Allerdings ging es ziemlich heiß her. Ein Leutnant von uns bekam eine Kugel durch beide Arme und mitten durch die Brust. Ist aber heute schon wieder quietschfidel. Ein anderer hatte einen Streifschuß am Kopf, dass die Knochensplitter man so flogen ...

Auf leisen Sohlen heranbirsehend, hatten wir bereits die Vorposten getötet ... peng, fällt ein Schuß, peng, peng, zweiter, dritter! Und dann ging eine maßlose Knallerei los! ... rumbums! spricht unsere Kanone; kladderadoms! die Handgranaten, die die albernen Russen aus den Fenstern zu schmeißen für gut befanden ... über die Straße laufen alle möglichen Leute, kein Schwein kann aber im Dunkel erkennen, von welcher Partei sie sind. — Wir drückten uns an ein großes Haus, um mal erst abzuwarten, wem die Siegesgöttin heute wohlgesinnt wäre. Der Skandal dauerte aber immer weiter, und die Kriegslage schien sich gar nicht klären zu wollen ...

Die Kerls, die jetzt immer zahlreicher auf der Straße standen, waren doch Russen; wir mußten uns also möglichst gewandt hindurchschlängeln. Wenn einer nicht Platz machte, kriegte er einfach einen Tritt ... Ich müßte schamlos lügen, wenn ich dieses Situatiönchen besonders angenehm und lieblich nennen würde, aber wir kamen durch, und es sollte sich nachher bezahlt machen. 150 Schritt hinter der Stadt buddelten wir uns schnell bis an den Kragenknopf ein ... Wir warteten freudig erregt der Dinge und Russen, die da kommen sollten ... Wir acht Männerchen waren augenblicklich wohl die einzigen hier, die die Wacht am Rhein singen konnten. — Wir lagen mucksmäuschenstill, den Finger am Abzug. Meiner Kriegsknechte war ich mir ziemlich sicher. Ohne Befehl würde keiner knallen ... Neben mir schnatterte ein junger Kriegsfreiwilliger laut und ungeniert mit den Zähnen. Ich boxte ihm schnell noch in die Rippen ... »Lebhaft weiterfeuern«, kommandierte ich dann mit gellender Stimme, um den Brüdern da drüben mal den Wohlklang einer Preußischen Kommandostimme zu Gehör zu bringen. Und ich mußte auch laut schreien, denn auf die erste Salve ertönte drüben ein Geheul, so entsetzlich, markerschütternd, dass mir die Haare zu Berge standen, und als unsere Büchsen lustig in den dichten Knäuel knallten, da stürzten sie zurück, fielen über die Toten und Verwundeten ... und dazu fortwährend diese entsetzlichen Schreie höchster Todesnot! ... und schon waren wir mit brüllendem Hurra hinterher! ...

... Wie die Tiere drängte sich ein ganzer Haufen in die vorderste Haustür. Wir hätten sie in aller Ruhe abschießen können ... Sie waren noch total halali und konnten vor Angst keinen Ton sagen ... Die ganze Sache schien einzuschlafen.

Zur Belebung des Panoramas erschienen plötzlich zwei polnische Weiber von rückwärts ... Wir machten uns also etwas klein, griffen sie, als sie neben uns waren, und wollten sie harmlos lächelnd neben die Gefangenen setzen. Aber da fielen wir schön rein. Die Weiber bissen, kratzten, schrieen und strampelten wie wahnsinnig. Wer weiß, was die von deutschen Soldaten dachten! ...

... Da wir in der Eile nichts zu essen mitgenommen hatten, machten wir eine kleine Anleihe bei unseren neugewonnenen Freunden, und so futterten wir zusammen Brot und ausgezeichnete Fleischkonserven. Selbst die Damen zeigten sich jetzt von einer liebenswürdigen Seite und reichten die famosen russischen Bonbons herum. Leider konnten wir uns nicht recht verständigen, sonst hätte es ein gemütliches Schwätzchen gegeben. Das einzige was uns noch fehlte, war ein Alkohölchen ...

... Das ganze Theater von vorhin wiederholte sich. Auf 50 Schritt knatterten unsere wohlgezielten Schüsse dazwischen ...

...ich hatte aber doch so das Gefühl, dass sie noch irgend eine Biesterei vorhatten ... Den Feind hinten wollte ich mir mal selbst etwas näher besehen. Hier konnten nur noch einige sichere Kugeln helfen ...Da zog ich die Büchse an den Kopf, ein Tupf auf den Stecher: plautz, da lag der erste Kerl! Schnell repetiert und wieder gestochen. Nr. 2 und 3 fielen um wie die Säcke, bevor sie sich von ihrem ersten Schreck erholt hatten. Da kam Leben in die Gesellschaft, sie schienen nur noch nicht zu wissen, wohin sie sollten. Der nächste Russe, Nummer 4, erhielt die Kugel etwas zu kurz. Es war vielleicht für mich von Vorteil, denn der arme Kerl schrie ganz entsetzlich... Ich hatte schnell den Karabiner meines Begleiters genommen und ließ die nächsten fünf Kugeln in den dichten Klumpen am Gartenzaun. Einige Schreie zeigten, dass auch diese Kugeln nicht umsonst abgefahren waren. Diese letzten Schüsse waren mir ja etwas eklig, besonders weil ich gar nicht das Gefühl der Gefahr hatte, denn die Russen dachten gar nicht ans Schießen. Aber was hilfts; jeder ist sich selbst der nächste, und ich habe ja den Krieg nicht angefangen! Die Flanke war gesäubert; ich ging befriedigt zu meinen Knaben zurück ...

... Die russischen Offiziere machten ein recht dummes Gesicht, als sie uns sechs Männerchen da stehen sahen. Mein liebenswürdiges Benehmen besdiwichtigte aber ihre Bedenken. Wir schüttelten uns herzlich die Hände, ich mit einem gönnerhaften Siegerlächeln. Es war immerhin ein netter Augenblick, und der militärische Erfolg doch außerordentlich schön. Selbander zogen wir auf den Markt, wo alles voll von Russen stand ... Bei dem Artilleriekapitän bedankte ich mich für die gutsitzenden Schrapnells, dann mußte ich zur Division und berichten. Allgemeine Zufriedenheit. Meine sechs Soldaten bekamen gleich, wie sie gebacken waren, das Eiserne Kreuz ... Ich wurde zur ersten Klasse eingegeben, was aber erst nach beinahe einem Jahr in die Erscheinung trat.

 

 

Juni, 1916.


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