Randbemerkung
Gesprochen am 14. Dezember
Nun folgt die Szene »Wilhelm und die Generale«. Leser und Hörer waren vielfach der Meinung, diese Zeichnung des gekrönten Scheusals beruhe auf Erfindung. Wer aber, frage ich, könnte derlei erfinden? Und wie müßig wäre solche Anstrengung der Phantasie vor der Leistung der Natur! Nun, da die »Randbemerkungen«, die er uns an den Abgrund schrieb, erschienen sind, wird man der Natur dieses Meisterstück glauben. Mir waren sie keine Enthüllung. Aber auch das, was in der folgenden Szene enthalten ist, war mir, als ich’s erfuhr, keine Enthüllung. Denn ich wußte längst, wie dieser Mensch sprach, ich hörte sein Wolfslachen, ich konnte bellen wie er, ohne dass ich ihn bellen gehört hatte. Ich wußte, er bellte. Einmal tönte mir einer, der ihn gehört hat, seine Stimme vor, und es war ein Erlebnis, daß es eben dieselbe Stimme war, die ich mir vorgestellt hatte. So mußte ich recht gehört haben, was ich nicht hörte; so war jener ein guter Darsteller; und diese Wilhelms Stimme. Ich hatte ihr stets den Weltkrieg zugetraut, ja selbst daß sie zu Hans Müllern in der Hofburg sprechen könnte! Meine Szene aber, die nur in der Komposition erfunden ist, beruht teils auf den gedruckten Aussagen des Kontreadmirals Persius, teils auf Berichten über Gastspiele in Donau-Eschingen und Schönbrunn, die ich selbst von schaudernden Ohren- und Augenzeugen erhalten habe. Denn es ist so, dass auch jene, die es sahen und hörten, es nicht glaubten und noch heute nicht glauben können, wie all das Unglaubliche, das wir erfahren haben und dass ein Volk von solchem Monstrum die Fasson für Leben und Sterben empfing und ihm zuliebe Haß und Hunger von der Welt übernahm. Nur ich habe es geglaubt; und eben darum will man mir’s nicht glauben. Ich habe eigentlich nichts verändert als, zum Teil, die Namen des von der majestätischen Gunst betroffenen, der Gnade wehrlos preisgegebenen Hof- und Militärgesindes. Jede Gebärde, jedes Wort ist von jener grauenhaften Echtheit, ohne die ja auch dieser Weltkrieg nicht glaublich wäre. Es ist, nehmt alles nur in allem, die Gestalt, die die Menschheit regiert und geschlagen hat und um deren Konterfei, Andenken und womöglich Wiederkehr die Jugend dieses hoffnungslosen Deutschland Schule und Staat stürzen will.
Nr. 521-530, XXI. Jahr
Januar 1920.