Bellini, Giovanni, gewöhnlich Giambellino genannt, der Sohn des Giacomo und jüngere Bruder des Gentile, war der Hauptmeister der venezianischen Schule in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts, deren Eigentümlichkeit in der freieren Auffassung kirchlicher Aufgaben, dem Streben nach Naturwahrheit der Darstellung in allen Teilen und rein sinnlicher Schönheit der Färbung, welche durch die rasche Verbreitung der durch Antonello von Messina in Venedig eingeführten Ölmalerei bedeutend gefördert wurde, bestand. Er wurde im Jahr 1426 zu Venedig geboren und erhielt seinen ersten Unterricht in der Kunst durch seinen Vater Giacomo, zog aber zugleich Beispiel und Lehre seines Schwagers, des Andr. Mantegna, zu Rat. Fleiß und Ausdauer entwickelten seine glücklichen Anlagen in raschem Fortschritt, so dass ihn sein Vater schon in früher Jugend zur Ausführung mehrerer gemeinschaftlich mit seinem Bruder Giovanni unternommenen Bilder verwenden konnte, durch die er sich, nebst verschiedenen anderen selbstständigen Werken, besonders trefflichen Bildnissen und kirchlichen Gemälden, in verhältnissmäßig sehr kurzer Zeit einen so geachteten Namen erwarb, dass ihm, gleichwie seinem Bruder, ein Teil der großen historischen Darstellungen im Ratsaal des Falazzo Ducale seiner Vaterstadt übertragen wurde. Er widmete dieser Arbeit, fünf figurenreichen Gemälden aus der venezianischen Geschichte, die seiner Zeit ungemein bewundert wurden, aber in dem Brand von 1577 leider zu Grunde gingen, zwölf Jahre seines Lebens, malte aber dazwischen noch viele andere Bilder, namentlich eine solch große Menge von Porträts, dass durch ihn eigentlich erst die Bildnismalerei zu Venedig recht in Gebrauch kam. Sein Ruf wuchs indessen nach jeder neuen künstlerischen Hervorbringung und er wurde bis an sein Lebensende so sehr mit Aufträgen überhäuft, dass er nicht alle ausführen konnte, wie er u. A. einmal (im Jahr 1505) das kunstliebende Fürstenpaar Francesco und Isabella von Gonzaga, das, während es Perugino, Mantegna und Lor. Costa, in seinem Palast zu Mantua beschäftigte, auch von Bellini einige Gemälde zu besitzen wünschte, nicht anders als durch die Übersendung einer kleinen Geburt des Heilandes (presepio) und das Versprechen, ihnen später einmal ein größeres Bild von „poetischer Erfindung" auszuführen, befriedigen konnte. Trotz diesen vielseitigen Beschäftigungen nimmt man in seinen Bildern den immerwährend Höheres erreichenden Stufengang seiner Entwicklung wahr, sieht, wie er, anfänglich selbst noch streng und trocken, erst nur bestrebt war, den venezianischen Stil größer und edller zu halten, allmälig aber in der Schönheit der Zeichnung, Behandlung und Färbung reissende Fortschritte machte, bis endlich, angeregt durch die staunenerregenden Leistungen seiner eigenen Schüler, Giorgione und Tizian, ein ganz neuer Schwung in seine Darstellungsweise kam, seine Gestalten beseelter, die Formen runder und gewählter und die Gewandungen geschmackvoller wurden, die Farbe in tieferei Glut und die Komposition freier und großartiger erschien, so dass gerade die letzten Werke seines vorgerückten Alters, zum Teil aus seinen achtziger Jahren, namentlich es sind, die den venezianischen Stil des XVI. Jahrhunderts, jene glänzendste Entfaltung und Blüte der von ihm eingeschlagenen Richtung, auf die würdigste Weise einleiteten. Wie hoch übrigens Bellini in der Achtung seiner Zeitgenossen gestanden, mag schon aus dem Umstände hervorgehen, dass, während in damaliger Zeit kontraktlich alle Einzelheiten eines Kunstwerks zwischen Bestellern und Künstlern festgesetzt wurden, und letztere allen Wünschen und Beschwerden der ersteren Rechnung tragen mussten Giovanni erwiesenermaßen sich nie über Anordnung und Ausführung seiner Bilder irgend etwas vorschreiben ließ. Ein anderes rühmendes Zeugnis hat ihm überdies der erste deutsche Maler seiner Zeit, Albr. Dürer, ausgestellt, der im Jahr 1506 aus Venedig an seinen Freund W. Pirckheimer u. A. von „Sammbellinus" schrieb: „Vnd sagen mir dy lewt alle, wy es so ein frumer Man sey, daz Ich Im gleich günstig pin. Ei ist ser alt vnd ist noch der pest Im gemell" (und ist doch der Beste in der Malerei).
Hochgeachtet und geehrt von seinen Landsleuten und Mitbürgern, welche ihm das Makleramt in der Kaufhalle der Deutschen, ein mit einem, ziemlich hohen Gehalt verbundenes Ehrenamt, welches der Rat immer dem besten Maler verlieh, übertragen hatten, von zeitgenössischen Dichtern schon bei Lebzeiten besungen und gepriesen, starb Bellini im Jahr 1516 in seinem 90. Jahre an Altersschwäche.