Drittes Kapitel.
Erster Abschnitt.
Vom Eigentumsvertrag
1) Das Urrecht beschrieben wir als eine fortdauernde, lediglich durch den Zweckbegriff der Person bestimmte Wechselwirkung derselben mit der Sinnenwelt: Niemand darf ihm weder unmittelbar entgegenwirken noch mittelbar. In dieser Welt ist Jeder frei wie ein Gott.
2) Der Eigentumsvertrag gründet sich auf dieses Urrecht; denn er weist einem Jeden seine Sphäre, sein Quantum ausschließenden Freiheitsgebrauches an: dies und sonst Nichts. Er bestimmt Jedem seine Sphäre als sein Recht, sein ausschließendes Recht, oder besser, als sein Eigentum. Die Naturobjekte sind für sich ohne Streit: erst wenn der Mensch in seinem höheren Zweckbegriffe sie fasst, streiten in ihnen diese Objekte. Da liegt der Punkt des Streites, da die Scheidung. Der Grund der Verwirrung ist die nicht scharfe Erfassung des Rechtsbegriffes, und das Mittel dagegen ist eben diese Schärfe. (Man redete wohl vom Rechte Gottes auf die Natur, vom Rechte des isolierten Menschen auf dieselbe; warum nicht auch vom Rechte des Menschen auf seine Gedanken und sein Wollen? Recht ist ein Wechselbegriff der Freiheit Mehrerer, ihre sie vertragende Synthesis. Nur wo Streit der Freiheit ist, da ist Recht).
Satz: Im Eigentumsvertrag ist die zugestandene Freiheit das bestimmende erste prius: nach ihr wird das Objekt bestimmt, nicht aber umgekehrt. So weit die Freiheit geht, so weit geht das Recht auf das Objekt oder das Eigentum; nicht aber etwa: die Freiheit geht so weit, als das Objekt geht.
Ich will dies Objekt unterwerfen meinen Zwecken. Welchen? fragt der Vertrag. Der Zweck ist der Grund, darum der Maßstab des Rechtes. Ich bin Ackerbauer; darum darfst du mir nicht die Viehzucht verbieten; - ich bin Fischer, darum nicht das Schiffen u.s.f. Mein Recht auf Handlungen und auf die Objekte wird zugestanden nur, inwiefern die Objekte in der Vollziehung der zugestandenen Handlung mitbegriffen sind. Dies ist wichtiger, als man denkt, und ein Grundmittel für alle Vorurteile und falschen Ansichten: darum sehen Sie es scharf ein.
3) Die Wechselwirkung der Person auf das Objekt im Urrecht ist eine fortdauernde. Der Vertrag bestimmt und beschränkt bloß den Freiheitsgebrauch auf eine gewisse Sphäre, sich gründend auf das Urrecht; also er setzt fest eine fortdauernde bestimmte Wechselwirkung. Der Eigentumsvertrag wird geschlossen auf alle Zeit, als ein gerechter Vertrag, und für das in dieser Gemeinde Jedem gebührende Eigentum. Es sind darum in diesem Vertrage auf einmal für immer abgeschlossen alle Streitigkeiten, die späterhin durch die Veränderung der Lage, und durch die Unzulänglichkeit der ausgesprochenen Worte entstehen könnten. Nicht die aus der gegenwärtigen Zeit hergenommenen Formeln gelten, (denn der Vertrag ist ja ein ewiger und auf alle Zeit;) sondern der Geist gilt, dass Jedem das Seinige in dieser Gemeinde werde, und zu allen Zeiten sei. Es sind in ihm enthalten alle künftigen Verträge über Akquisition und Dereliktion, welche stets nur scheinbar sein können, indem sie eigentlich nur ein Wechsel der bleibenden Sphäre der Freiheit in den Objekten sind.
Dieser Vertrag ist also eigentlich ein Vertrag über das Gesetz, das gegenseitige Eigentum immerfort zu ordnen, und zu erhalten; er ist nicht sowohl die Bestimmung der Wirkungssphäre eines Jeden, als das Grundgesetz, nach welchem diese Sphären immerfort bestimmt werden wollen.
Da nun, wie wir wissen, ein Wille des Rechtes, als Staat, errichtet werden muss, so ist in diesem Staate eben dieses ordnende Gesetz als auf alle Zeiten gültig niedergelegt.
Denn was einmal gerecht war in einer Zeit, und in dieser Rücksicht des Eigentums, das ist es nicht immerfort. Es war darum selbst damals, als es gerecht war, nur bedingt gerecht für diese Lage des Ganzen. Aber es soll herrschen das absolute Recht, d.i. das durch die Zeit in seinem Objekte wandelbare, aber in Hinsicht der Bestimmung der Freiheit alle Zeit in sich tragende. Jene Andern fassen den Begriff des Rechts auf als einen toten; wir als einen lebendigen, bildenden, umzubildenden. Die großen Unterschiede in der Anwendung werden sich finden.
4) Die Zwecke der Freiheit können verschieden sein; jedem Einzelnen wird der seine zugesichert. Gibt es nun etwa einen Zweck der Freiheit, den Alle haben müssen, und notwendig haben, der darum Jedem zugesichert werden müsste, so gewiss gesetzt werden soll, es sei auf seine Freiheit überhaupt gedacht? Wenn sich ein solcher gemeinschaftlicher Zweck Aller ergäbe, so wäre eine qualitative Bestimmung des Eigentumsvertrags angegeben; es ist dieses also die oben versprochene Untersuchung über den notwendigen Inhalt des Eigentumsvertrages. Ich sage: es gibt einen solchen Zweck, den Jeder schlechthin als sein absolut persönliches Recht hat, das kein teilender Vertrag ihm nehmen kann, und woran dieser selbst gebunden ist. Wir machen hier also eine noch tiefere Analyse des persönlichen Rechts durch eine Synthesis.
Jeder hat das Recht der Selbsterhaltung. Die Natur hat dieselbe aber bedingt durch die Tätigkeit, nur um sicher zu gehen, den gegenwärtigen Schmerz geknüpft an die Bedrohung derselben in der Zukunft.
Wer das Recht zum Bedingten hat, hat es auch zur Bedingung. Jeder darum hat als Recht eine Sphäre der Tätigkeit, als Eigentum, und dadurch auch das Recht der Erhaltung desselben. Jeder soll seine Tätigkeit üben können, ohne alle Rücksicht auf diese und jene.
So überhaupt, nicht mehr; Jeder hat das Recht einer ihm möglichen Tätigkeit, als dadurch erhaltend sein Eigentum. Z.B. in Hirten- oder Jagdvölkern darf Keiner sagen: Ich will dies Stück deiner Herden oder deiner Wälder. Geht nicht, diese Tätigkeit ist schon Jenen zugestanden. Treibe du Ackerbau. Die Natur drängt die Menschen zusammen, weil nur dadurch ihre Ausbildung möglich ist; auf Wegen, die wir sehen werden. Was in einem Hirtenstaate zu finden wäre, ist in einem ackerbauenden nicht zu finden. Wodurch ist er genötigt, etwas Anderes zu treiben? Durch die Zusammendrängung so Vieler in diesen Raum. (Ursprünglich wollen das die Menschen nicht, sie wollen sich nicht teilen in ihrem Geschäfte; sie wollen auch nicht Fabriken: aber die Natur treibt, und das Recht als Grenze des Eigentumsvertrages bestätigt).