[Unterlassungsvertrag und Leistungsvertrag;
Tausch- und Handelsverträge]
Wir haben hier das Wesen des Vertrags bestimmt: er wird geschlossen, damit man zu seinem Rechte komme, also nur aus einem eigennützigen Grunde: er ist die Vereinigung des streitenden Willens. Eben so haben wir den Grund seiner Verbindlichkeit gefunden, er ist das Rechtsgesetz selbst.
Der Vertrag in seiner allgemeinen Form ist hier beschrieben worden als ein bloß negativer Unterlassungsvertrag: als die Beschränkung zweier Willen, die da Anspruch machen auf dieselbe Wirkungssphäre: die Teilung derselben, und die gegenseitige Enthaltung eines Jeden von dem dem Andern überlassenen Teile; also zugleich als Eigentumsvertrag. Wir haben aber auch eines positiven Leistungsvertrages erwähnt, die Vereinigung mit Allen zur Errichtung einer Staatsgewalt, dass dieser denselben Grund, nämlich das Rechtsgesetz selbst, habe, ist klar geworden. Aber ihn schließt kein Einzelner mit einem Einzelnen, sondern jeder Einzelne schlechthin mit Allen. Seine Form hat darum ganz andere Gesetze, die an ihrem Orte werden untersucht werden müssen. Der Eigentumsvertrag aber ist nur ein negativer Unterlassungsvertrag. Wenn Keiner in die Sphäre des Andern eingreift, so geht es ihn durchaus Nichts an, was Jeder in der seinigen tue oder nicht tue. In dieser hat Keiner Etwas zu suchen.
Diesem aufgestellten Satze widerspricht nun die gewöhnliche Ansicht, und es ist gut, gleich hier, wo noch Alles höchst einfach ist, uns mit derselben auseinander zu setzen. Sie stellt Eigentumsverträge über Mein und Dein in Formeln auf, in denen sie aussehen, als wären es positive Leistungsverträge; als da sind: facio, ut facias; do, ut des; facio, ut des; do, ut facias.
Der Ausdruck ist dabei nicht gleichgültig. Denn 1) die Wissenschaft gewinnt durch die Einfachheit ihrer Formeln. Bleibt der Eigentumsvertrag durchaus ein negativer, so ist das Objekt ihrer Analyse ein einzelner strenger Grundsatz. 2) Führt diese Strenge sogar auf wichtige Folgerungen, die bei jener Laxität verloren gehen, wie sich gleich zeigen wird.
Ich erinnere darum bei jenen Formeln fürs Erste: sie ließen sich, indessen die affirmative Form zugegeben, auf Eine zurückbringen. Das Geben nämlich, wovon in den drei folgenden Formeln: do, ut des, facio, ut des, do, ut facias, die Rede ist, ist es denn nicht auch ein Tun, und bedeuten denn alle drei etwas Anderes, als die erste, facio, ut facias? ob nun dieses mein oder dein Thun bestehen mag in einem fortfliessenden wirklichen Schaffen und Wirken, oder in einem mit einem Male vollendeten Geben und Übergeben eines früher geschaffenen und vollendeten Produktes meiner oder deiner Arbeit, ist doch wohl ganz gleich. Der Grund dieser leeren Unterscheidung ist der, dass nicht gleich von vorn herein das Eigentum richtig bestimmt worden ist, als eine ausschließend eigene Sphäre für das freie Wirken, sondern nur auf eine blödsichtige Weise durch die Objekte dieses freien Wirkens. Daher ihr do. Hinterher konnte sich ihnen freilich nicht verbergen, dass das Objekt es nicht allein tue, sondern dass es der Bearbeitung bedürfe, dass darum die Arbeit allerdings auch einen Wert habe; und nun bekommen sie zwei Arten des Eigentums: Eigentum, welches auf Sachen geht, und Eigentum, welches auf Kräfte geht, da es doch nur Ein Eigentum gibt, das des freien Kraftgebrauchs. Ist dieses bestimmt, so führt es sein Objekt wohl bei sich, denn es kann nur durch sie bestimmt werden.
2) Sage ich, ist überhaupt der affirmative Ausdruck falsch, und lässt sich zurückführen auf die Unterlassungsformel: non facio, ne facias. In allen diesen Fällen habe ich mein unbezweifeltes, durch den ursprünglichen Eigentumsvertrag mir zugesprochenes Recht, mein Eigentum zu behalten. Der Andre begehrt, dass ich auf dieses Recht Verzicht leiste, es nicht behalte; er hat gleichfalls Etwas, woran mir liegt, dass er es nicht behalte; wir werden einig, und so tauschen wir. Ich bestehe nicht auf meinem Rechte, damit er nicht auf dem seinen bestehe. Sehen Sie es noch von dieser Seite an. Wird denn durch diesen Vertrag bei Einem von den Beiden, die sich vertragen, Erwerbung oder Verlassung vom Eigentum gesetzt? Wird dadurch das Eigentum Eines von Beiden größer, das des Andern kleiner? Ich denke, wohl nach dem Rechte nicht. Es ist darum lediglich ein Tausch der Objekte des Eigentums, nach dessen Abschließung das Eigentum Jedes in seinem vorherigen Werte bleibt, darum nicht verändert worden ist.
Jedem soll sein Eigentum ungeschmälert bleiben, wie es durch den ursprünglichen Eigentumsvertrag ihm zugesprochen wurde. So will es die Grundlage alles Rechts. Kann dieses darum zugeben, dass in diesem Tausche Einer bevorteilt werde, und würde ein Vertrag, der dies zum Erfolg hätte, gültig sein können? Durchaus nicht.
Also allen diesen Tauschverträgen liegt zu Grunde, als höheres Gesetz und als Grenze, innerhalb welcher sie geschlossen werden können, der bloße negative Unterlassungsvertrag, der die Verletzung fremden Eigentums verbietet, und Alles in statu quo erhält. Dies nun grade ist dadurch, dass diese Verträge zu absoluten gemacht und die eigentliche Basis, auf der sie ruhen, übersehen wurde, vernachlässigt. Bin ich denn rechtlich verbunden, wenn ich übervorteilt bin, den Vertrag gelten zu lassen? Wie könnte ich, da ja der ursprüngliche Rechtsvertrag an mir verletzt ist? Man möchte vielleicht mir den Satz entgegenstellen: volenti non fit iniuria, tue die Augen selbst auf u.s.f. Was heißt das aber? Schütze selber dein Recht; denn du bist in dieser Rücksicht im gesetzlosen Naturzustand, und unter dem Reiche der List und des Betruges geblieben! Das wusste ich aber nicht, denn ich habe ja den Selbstschutz durch Unterwerfung unter den Staat aufgegeben, und trage bei zur schützenden Gewalt; darum ist diese schuldig, alles mein Recht mir zu sichern.
Die Praxis mag anders sein; dies aber will das Recht. Alle Tausch- und Handelsverträge stehen unter der Bedingung, und sind nur unter ihr verbindlich, dass Jeder den Werth seines Eigentums behalte. Ins Unendliche fortgetauscht, werden Alle dadurch nicht reicher, noch ärmer. Wie nun eine solche Gesetzgebung genauer durchzuführen sei, und woher sie einen Maßstab des Wertes erhalten solle, ist eine ganz andre Untersuchung, welche zu ihrer Zeit abgehandelt werden wird.