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XXVIII. VORLESUNG

Die analytische Therapie

Meine Damen und Herren! Sie wissen, worüber wir heute sprechen werden. Sie haben mich gefragt, warum wir uns in der psychoanalytischen Therapie nicht der direkten Suggestion bedienen, wenn wir zugeben, daß unser Einfluß wesentlich auf Übertragung, d. i. auf Suggestion, beruht, und haben daran den Zweifel geknüpft, ob wir bei einer solchen Vorherrschaft der Suggestion noch für die Objektivität unserer psychologischen Funde einstehen können. Ich habe versprochen, Ihnen ausführliche Antwort zu geben.

Direkte Suggestion, das ist Suggestion gegen die Äußerung der Symptome gerichtet, Kampf zwischen Ihrer Autorität und den Motiven des Krankseins. Sie kümmern sich dabei um diese Motive nicht, fordern vom Kranken nur, daß er deren Äußerung in Symptomen unterdrücke. Es macht dann keinen prinzipiellen Unterschied, ob Sie den Kranken in Hypnose versetzen oder nicht. Bernheim hat wiederum mit der ihn auszeichnenden Schärfe behauptet, daß die Suggestion das Wesentliche an den Erscheinungen des Hypnotismus sei, die Hypnose aber selbst schon ein Erfolg der Suggestion, ein suggerierter Zustand, und er hat mit Vorliebe die Suggestion im Wachen geübt, die dasselbe leisten kann wie die Suggestion in der Hypnose.

Was wollen Sie nun in dieser Frage zuerst anhören, die Aussagung der Erfahrung oder theoretische Überlegungen?

Beginnen wir mit der ersteren. Ich war Schüler von Bernheim, den ich 1889 in Nancy aufgesucht und dessen Buch über die Suggestion ich ins Deutsche übersetzt habe. Ich habe Jahre hindurch die hypnotische Behandlung geübt, zunächst mit Verbotsuggestion und später mit der Breuerschen Ausforschung des Patienten kombiniert. Ich darf also über die Erfolge der hypnotischen oder suggestiven Therapie aus guter Erfahrung sprechen. Wenn nach einem alten Ärztewort eine ideale Therapie rasch, verläßlich und für den Kranken nicht unangenehm sein soll, so erfüllte die Bernheimsche Methode allerdings zwei dieser Anforderungen. Sie ließ sich viel rascher, das heißt unsagbar rascher, durchführen als die analytische, und sie brachte dem Kranken weder Mühe noch Beschwerden. Für den Arzt wurde es auf die Dauer — monoton; bei jedem Fall in gleicher Weise, mit dem nämlichen Zeremoniell den verschiedenartigsten Symptomen die Existenz zu verbieten, ohne von deren Sinn und Bedeutung etwas erfassen zu können. Es war eine Handlangerarbeit, keine wissenschaftliche Tätigkeit und erinnerte an Magie, Beschwörung und Hokuspokus; aber das kam ja gegen das Interesse des Kranken nicht in Betracht. Am dritten fehlte es; verläßlich war das Verfahren nach keiner Richtung. Bei dem einen ließ es sich anwenden, bei dem anderen nicht; bei einem gelang vieles, beim anderen sehr wenig, man wußte nie warum. Ärger als diese Launenhaftigkeit des Verfahrens war der Mangel an Dauer der Erfolge. Nach einiger Zeit war, wenn man von den Kranken wieder hörte, das alte Leiden wieder da, oder es hatte sich durch ein neues ersetzt. Man konnte von neuem hypnotisieren. Im Hintergrunde stand die von erfahrener Seite ausgesprochene Mahnung, den Kranken nicht durch häufige Wiederholung der Hypnose um seine Selbständigkeit zu bringen und ihn an diese Therapie zu gewöhnen wie an ein Narkotikum. Zugegeben, manchmal gelang es auch ganz nach Wunsch; nach wenigen Bemühungen hatte man vollen und dauernden Erfolg. Aber die Bedingungen eines so günstigen Ausganges blieben unbekannt. Einmal geschah es mir, daß ein schwerer Zustand, den ich durch kurze hypnotische Behandlung gänzlich beseitigt hatte, unverändert wiederkehrte, nachdem mir die Kranke ohne mein Dazutun gram geworden war, daß ich ihn nach der Versöhnung von neuem und weit gründlicher zum Verschwinden brachte und daß er doch wiederkam, nachdem sie sich mir ein zweites Mal entfremdet hatte. Ein andermal erlebte ich, daß eine Kranke, der ich wiederholt von nervösen Zuständen durch Hypnose geholfen hatte, mir während der Behandlung eines besonders hartnäckigen Zufalles plötzlich die Arme um den Hals schlang. Das nötigte einen doch, sich mit der Frage nach Natur und Herkunft seiner suggestiven Autorität, ob man wollte oder nicht, zu beschäftigen.

Soweit die Erfahrungen. Sie zeigen uns, daß wir mit dem Verzicht auf die direkte Suggestion nichts Unersetzliches aufgegeben haben. Nun lassen Sie uns einige Erwägungen daran knüpfen. Die Ausübung der hypnotischen Therapie legt dem Patienten wie dem Arzt nur eine sehr geringfügige Arbeitsleistung auf. Diese Therapie ist in schönster Übereinstimmung mit einer Einschätzung der Neurosen, zu der sich noch die Mehrzahl der Ärzte bekennt. Der Arzt sagt dem Nervösen: Es fehlt Ihnen ja nichts, es ist nur nervös, und darum kann ich auch Ihre Beschwerden mit einigen Worten in wenigen Minuten wegblasen. Es widerstrebt aber unserem energetischen Denken, daß man durch eine winzige Kraftanstrengung eine große Last sollte bewegen können, wenn man sie direkt und ohne fremde Hilfe geeigneter Vorrichtungen angreift. Soweit die Verhältnisse vergleichbar sind, lehrt auch die Erfahrung, daß dieses Kunststück bei den Neurosen nicht gelingt. Ich weiß aber, dieses Argument ist nicht unangreifbar; es gibt auch „Auslösungen“.

Im Lichte der Erkenntnis, welche wir aus der Psychoanalyse gewonnen haben, können wir den Unterschied zwischen der hypnotischen und der psychoanalytischen Suggestion in folgender Art beschreiben: Die hypnotische Therapie sucht etwas im Seelenleben zu verdecken und zu übertünchen, die analytische etwas freizulegen und zu entfernen. Die erstere arbeitet wie eine Kosmetik, die letztere wie eine Chirurgie. Die erstere benützt die Suggestion, um die Symptome zu verbieten, sie verstärkt die Verdrängungen, läßt aber sonst alle Vorgänge, die zur Symptombildung geführt haben, ungeändert. Die analytische Therapie greift weiter wurzelwärts an, bei den Konflikten, aus denen die Symptome hervorgegangen sind, und bedient sich der Suggestion, um den Ausgang dieser Konflikte abzuändern. Die hypnotische Therapie läßt den Patienten untätig und ungeändert, darum auch in gleicher Weise widerstandslos gegen jeden neuen Anlaß zur Erkrankung. Die analytische Kur legt dem Arzt wie dem Kranken schwere Arbeitsleistung auf, die zur Aufhebung innerer Widerstände verbraucht wird. Durch die Überwindung dieser Widerstände wird das Seelenleben des Kranken dauernd verändert, auf eine höhere Stufe der Entwicklung gehoben und bleibt gegen neue Erkrankungsmöglichkeiten geschützt. Diese Überwindungsarbeit ist die wesentliche Leistung der analytischen Kur, der Kranke hat sie zu vollziehen, und der Arzt ermöglicht sie ihm durch die Beihilfe der im Sinne einer Erziehung wirkenden Suggestion. Man hat darum auch mit Recht gesagt, die psychoanalytische Behandlung sei eine Art von Nacherziehung.

Ich hoffe, Ihnen nun klargemacht zu haben, worin sich unsere Art, die Suggestion therapeutisch zu verwenden, von der bei der hypnotischen Therapie allein möglichen unterscheidet. Sie verstehen auch durch die Zurückführung der Suggestion auf die Übertragung die Launenhaftigkeit, die uns an der hypnotischen Therapie auffiel, während die analytische bis zu ihren Schranken berechenbar bleibt. Bei der Anwendung der Hypnose sind wir von dem Zustande der Übertragungsfähigkeit des Kranken abhängig, ohne daß wir auf diese selbst einen Einfluß üben könnten. Die Übertragung des zu Hypnotisierenden mag negativ oder, wie zu allermeist, ambivalent sein, er kann sich durch besondere Einstellungen gegen seine Übertragung geschützt haben; wir erfahren nichts davon. In der Psychoanalyse arbeiten wir an der Übertragung selbst, lösen auf, was ihr entgegensteht, richten uns das Instrument zu, mit dem wir einwirken wollen. So wird es uns möglich, aus der Macht der Suggestion einen ganz anderen Nutzen zu ziehen; wir bekommen sie in die Hand; nicht der Kranke suggeriert sich allein, wie es in seinem Belieben steht, sondern wir lenken seine Suggestion, soweit er ihrem Einfluß überhaupt zugänglich ist.

Nun werden Sie sagen, gleichgültig, ob wir die treibende Kraft unserer Analyse Übertragung oder Suggestion heißen, es besteht doch die Gefahr, daß die Beeinflussung des Patienten die objektive Sicherheit unserer Befunde zweifelhaft macht. Was der Therapie zugute kommt, bringt die Forschung zu Schaden. Es ist die Einwendung, welche am häufigsten gegen die Psychoanalyse erhoben worden ist, und man muß zugestehen, wenn sie auch unzutreffend ist, so kann man sie doch nicht als unverständig abweisen. Wäre sie aber berechtigt, so würde die Psychoanalyse doch nichts anderes als eine besonders gut verkappte, besonders wirksame Art der Suggestionsbehandlung sein, und wir dürften alle ihre Behauptungen über Lebenseinflüsse, psychische Dynamik, Unbewußtes leichtnehmen. So meinen es auch die Gegner; besonders alles, was sich auf die Bedeutung der sexuellen Erlebnisse bezieht, wenn nicht gar diese selbst, sollen wir den Kranken „eingeredet“ haben, nachdem uns in der eigenen verderbten Phantasie solche Kombinationen gewachsen sind. Die Widerlegung dieser Anwürfe gelingt leichter durch die Berufung auf die Erfahrung als mit Hilfe der Theorie. Wer selbst Psychoanalysen ausgeführt hat, der konnte sich ungezählte Male davon überzeugen, daß es unmöglich ist, den Kranken in solcher Weise zu suggerieren. Es hat natürlich keine Schwierigkeit, ihn zum Anhänger einer gewissen Theorie zu machen und ihn so auch an einem möglichen Irrtum des Arztes teilnehmen zu lassen. Er verhält sich dabei wie ein anderer, wie ein Schüler, aber man hat dadurch auch nur seine Intelligenz, nicht seine Krankheit beeinflußt. Die Lösung seiner Konflikte und die Überwindung seiner Widerstände glückt doch nur, wenn man ihm solche Erwartungsvorstellungen gegeben hat, die mit der Wirklichkeit in ihm übereinstimmen. Was an den Vermutungen des Arztes unzutreffend war, das fällt im Laufe der Analyse wieder heraus, muß zurückgezogen und durch Richtigeres ersetzt werden. Durch eine sorgfältige Technik sucht man das Zustandekommen von vorläufigen Suggestionserfolgen zu verhüten; aber es ist auch unbedenklich, wenn sich solche einstellen, denn man begnügt sich nicht mit dem ersten Erfolg. Man hält die Analyse nicht für beendigt, wenn nicht die Dunkelheiten des Falles aufgeklärt, die Erinnerungslücken ausgefüllt, die Gelegenheiten der Verdrängungen aufgefunden sind. Man erblickt in Erfolgen, die sich zu früh einstellen, eher Hindernisse als Förderungen der analytischen Arbeit und zerstört diese Erfolge wieder, indem man die Übertragung, auf der sie beruhen, immer wieder auflöst. Im Grunde ist es dieser letzte Zug, welcher die analytische Behandlung von der rein suggestiven scheidet und die analytischen Ergebnisse von dem Verdacht befreit, suggestive Erfolge zu sein. Bei jeder anderen suggestiven Behandlung wird die Übertragung sorgfältig geschont, unberührt gelassen; bei der analytischen ist sie selbst Gegenstand der Behandlung und wird in jeder ihrer Erscheinungsformen zersetzt. Zum Schlusse einer analytischen Kur muß die Übertragung selbst abgetragen sein, und wenn der Erfolg jetzt sich einstellt oder erhält, so beruht er nicht auf der Suggestion, sondern auf der mit ihrer Hilfe vollbrachten Leistung der Überwindung innerer Widerstände, auf der in dem Kranken erzielten inneren Veränderung.

Der Entstehung von Einzelsuggestionen wirkt wohl entgegen, daß wir während der Kur unausgesetzt gegen Widerstände anzukämpfen haben, die sich in negative (feindselige) Übertragungen zu verwandeln wissen. Wir werden es auch nicht versäumen, uns darauf zu berufen, daß eine große Anzahl von Einzelergebnissen der Analyse, die man sonst als Produkte der Suggestion verdächtigen würde, uns von anderer einwandfreier Seite bestätigt werden. Unsere Gewährsmänner sind in diesem Falle die Dementen und Paranoiker, die über den Verdacht suggestiver Beeinflussung natürlich hoch erhaben sind. Was uns diese Kranken an Symbolübersetzungen und Phantasien erzählen, die bei ihnen zum Bewußtsein durchgedrungen sind, deckt sich getreulich mit den Ergebnissen unserer Untersuchungen an dem Unbewußten der Übertragungsneurotiker und bekräftigt so die objektive Richtigkeit unserer oft bezweifelten Deutungen. Ich glaube, Sie werden nicht irregehen, wenn Sie in diesen Punkten der Analyse Ihr Zutrauen schenken.

Wir wollen jetzt unsere Darstellung vom Mechanismus der Heilung vervollständigen, indem wir sie in die Formeln der Libidotheorie kleiden. Der Neurotiker ist genuß- und leistungsunfähig, das erstere, weil seine Libido auf kein reales Objekt gerichtet ist, das letztere, weil er sehr viel von seiner sonstigen Energie aufwenden muß, um die Libido in der Verdrängung zu erhalten und sich ihres Ansturmes zu erwehren. Er würde gesund, wenn der Konflikt zwischen seinem Ich und seiner Libido ein Ende hätte und sein Ich wieder die Verfügung über seine Libido besäße. Die therapeutische Aufgabe besteht also darin, die Libido aus ihren derzeitigen, dem Ich entzogenen Bindungen zu lösen und sie wieder dem Ich dienstbar zu machen. Wo steckt nun die Libido des Neurotikers? Leicht zu finden; sie ist an die Symptome gebunden, die ihr die derzeit einzig mögliche Ersatzbefriedigung gewähren. Man muß also der Symptome Herr werden, sie auflösen, gerade dasselbe, was der Kranke von uns fordert. Zur Lösung der Symptome wird es nötig, bis auf deren Entstehung zurückzugehen, den Konflikt, aus dem sie hervorgegangen sind, zu erneuern und ihn mit Hilfe solcher Triebkräfte, die seinerzeit nicht verfügbar waren, zu einem anderen Ausgang zu lenken. Diese Revision des Verdrängungsprozesses läßt sich nur zum Teil an den Erinnerungsspuren der Vorgänge vollziehen, welche zur Verdrängung geführt haben. Das entscheidende Stück der Arbeit wird geleistet, indem man im Verhältnis zum Arzt, in der „Übertragung“, Neuauflagen jener alten Konflikte schafft, in denen sich der Kranke benehmen möchte, wie er sich seinerzeit benommen hat, während man ihn durch das Aufgebot aller verfügbaren seelischen Kräfte zu einer anderen Entscheidung nötigt. Die Übertragung wird also das Schlachtfeld, auf welchem sich alle miteinander ringenden Kräfte treffen sollen.

Alle Libido wie alles Widerstreben gegen sie wird auf das eine Verhältnis zum Arzt gesammelt; dabei ist es unvermeidlich, daß die Symptome von der Libido entblößt werden. An Stelle der eigenen Krankheit des Patienten tritt die künstlich hergestellte der Übertragung, die Übertragungskrankheit, an Stelle der verschiedenartigen irrealen Libidoobjekte das eine wiederum phantastische Objekt der ärztlichen Person. Der neue Kampf um dieses Objekt wird aber mit Hilfe der ärztlichen Suggestion auf die höchste psychische Stufe gehoben, er verläuft als normaler seelischer Konflikt. Durch die Vermeidung einer neuerlichen Verdrängung wird der Entfremdung zwischen Ich und Libido ein Ende gemacht, die seelische Einheit der Person wiederhergestellt. Wenn die Libido von dem zeitweiligen Objekt der ärztlichen Person wieder abgelöst wird, kann sie nicht zu ihren früheren Objekten zurückkehren, sondern steht zur Verfügung des Ichs. Die Mächte, die man während dieser therapeutischen Arbeit bekämpft hat, sind einerseits die Abneigung des Ichs gegen gewisse Richtungen der Libido, die sich als Verdrängungsneigung geäußert hat, und anderseits die Zähigkeit oder Klebrigkeit der Libido, die einmal von ihr besetzte Objekte nicht gerne verläßt.

Die therapeutische Arbeit zerlegt sich also in zwei Phasen; in der ersten wird alle Libido von den Symptomen her in die Übertragung gedrängt und dort konzentriert, in der zweiten der Kampf um dies neue Objekt durchgeführt und die Libido von ihm frei gemacht. Die für den guten Ausgang entscheidende Veränderung ist die Ausschaltung der Verdrängung bei diesem erneuerten Konflikt, so daß sich die Libido nicht durch die Flucht ins Unbewußte wiederum dem Ich entziehen kann. Ermöglicht wird sie durch die Ichveränderung, welche sich unter dem Einfluß der ärztlichen Suggestion vollzieht. Das Ich wird durch die Deutungsarbeit, welche Unbewußtes in Bewußtes umsetzt, auf Kosten dieses Unbewußten vergrößert, es wird durch Belehrung gegen die Libido versöhnlich und geneigt gemacht, ihr irgendeine Befriedigung einzuräumen, und seine Scheu vor den Ansprüchen der Libido wird durch die Möglichkeit, einen Teilbetrag von ihr durch Sublimierung zu erledigen, verringert. Je besser sich die Vorgänge bei der Behandlung mit dieser idealen Beschreibung decken, desto größer wird der Erfolg der psychoanalytischen Therapie. Seine Schranke findet er an dem Mangel an Beweglichkeit der Libido, die sich sträuben kann, von ihren Objekten abzulassen, und an der Starrheit des Narzißmus, der die Objektübertragung nicht über eine gewisse Grenze anwachsen läßt. Vielleicht werfen wir ein weiteres Licht auf die Dynamik des Heilungsvorganges durch die Bemerkung, daß wir die ganze der Herrschaft des Ichs entzogene Libido auffangen, indem wir durch die Übertragung ein Stück von ihr auf uns ziehen.

Es ist auch die Mahnung nicht unangebracht, daß wir aus den Verteilungen der Libido, die sich während und durch die Behandlung herstellen, keinen direkten Schluß auf die Unterbringung der Libido während des Krankseins ziehen dürfen. Angenommen, es sei uns gelungen, den Fall durch die Herstellung und Lösung einer starken Vaterübertragung auf den Arzt glücklich zu erledigen, so ginge der Schluß fehl, daß der Kranke vorher an einer solchen unbewußten Bindung seiner Libido an den Vater gelitten hat. Die Vaterübertragung ist nur das Schlachtfeld, auf welchem wir uns der Libido bemächtigen; die Libido des Kranken ist von anderen Positionen her dorthin gelenkt worden. Dies Schlachtfeld muß nicht notwendig mit einer der wichtigen Festungen des Feindes zusammenfallen. Die Verteidigung der feindlichen Hauptstadt braucht nicht gerade vor deren Toren zu geschehen. Erst nachdem man die Übertragung wieder gelöst hat, kann man die Libidoverteilung, welche während des Krankseins bestanden hatte, in Gedanken rekonstruieren.

Vom Standpunkt der Libidotheorie können wir auch noch ein letztes Wort über den Traum sagen. Die Träume der Neurotiker dienen uns wie ihre Fehlleistungen und ihre freien Einfälle dazu, den Sinn der Symptome zu erraten und die Unterbringung der Libido aufzudecken. Sie zeigen uns in der Form der Wunscherfüllung, welche Wunschregungen der Verdrängung verfallen sind und an welche Objekte sich die dem Ich entzogene Libido gehängt hat. Die Deutung der Träume spielt darum in der psychoanalytischen Behandlung eine große Rolle und ist in manchen Fällen durch lange Zeiten das wichtigste Mittel der Arbeit. Wir wissen bereits, daß der Schlafzustand an sich einen gewissen Nachlaß der Verdrängungen herbeiführt. Durch diese Ermäßigung des auf ihr lastenden Druckes wird es möglich, daß sich die verdrängte Regung im Traume einen viel deutlicheren Ausdruck schafft, als ihn während des Tages das Symptom gewähren kann. Das Studium des Traumes wird so zum bequemsten Zugang für die Kenntnis des verdrängten Unbewußten, dem die dem Ich entzogene Libido angehört.

Die Träume der Neurotiker sind aber in keinem wesentlichen Punkte von denen der Normalen verschieden; ja sie sind von ihnen vielleicht überhaupt nicht unterscheidbar. Es wäre widersinnig, von den Träumen Nervöser auf eine Weise Rechenschaft zu geben, welche nicht auch für die Träume Normaler Geltung hätte. Wir müssen also sagen, der Unterschied zwischen Neurose und Gesundheit gilt nur für den Tag, er setzt sich nicht ins Traumleben fort. Wir sind genötigt, eine Anzahl von Annahmen, die sich beim Neurotiker infolge des Zusammenhanges zwischen seinen Träumen und seinen Symptomen ergeben, auch auf den gesunden Menschen zu übertragen. Wir können es nicht in Abrede stellen, daß auch der Gesunde in seinem Seelenleben das besitzt, was allein die Traumbildung wie die Symptombildung ermöglicht, und müssen den Schluß ziehen, daß auch er Verdrängungen vorgenommen hat, einen gewissen Aufwand treibt, um sie zu unterhalten, daß sein System des Unbewußten verdrängte und noch energiebesetzte Regungen verbirgt und daß ein Anteil seiner Libido der Verfügung seines Ichs entzogen ist. Auch der Gesunde ist also virtuell ein Neurotiker, aber der Traum scheint das einzige Symptom zu sein, das zu bilden er fähig ist. Unterwirft man sein Wachleben einer schärferen Prüfung, so entdeckt man freilich — was diesen Anschein widerlegt —, daß dies angeblich gesunde Leben von einer Unzahl geringfügiger, praktisch nicht bedeutsamer Symptombildungen durchsetzt ist.

Der Unterschied zwischen nervöser Gesundheit und Neurose schränkt sich also aufs Praktische ein und bestimmt sich nach dem Erfolg, ob der Person ein genügendes Maß von Genuß- und Leistungsfähigkeit verblieben ist. Er führt sich wahrscheinlich auf das relative Verhältnis zwischen den freigebliebenen und den durch Verdrängung gebundenen Energiebeträgen zurück und ist von quantitativer, nicht von qualitativer Art. Ich brauche Sie nicht daran zu mahnen, daß diese Einsicht die Überzeugung von der prinzipiellen Heilbarkeit der Neurosen, trotz ihrer Begründung in der konstitutionellen Anlage, theoretisch begründet.

Soviel dürfen wir aus der Tatsache der Identität der Träume bei Gesunden und bei Neurotikern für die Charakteristik der Gesundheit erschließen. Für den Traum selbst ergibt sich aber die weitere Folgerung, daß wir ihn nicht aus seinen Beziehungen zu den neurotischen Symptomen lösen dürfen, daß wir nicht glauben sollen, sein Wesen sei durch die Formel einer Übersetzung von Gedanken in eine archaische Ausdrucksform erschöpft, daß wir annehmen müssen, er zeige uns wirklich vorhandene Libidounterbringungen und Objektbesetzungen.

Wir sind nun bald zu Ende gekommen. Vielleicht sind Sie enttäuscht, daß ich Ihnen zum Kapitel der psychoanalytischen Therapie nur Theoretisches erzählt habe, nichts von den Bedingungen, unter denen man die Kur einschlägt, und von den Erfolgen, die sie erzielt. Ich unterlasse aber beides. Das erstere, weil ich Ihnen ja keine praktische Anleitung zur Ausübung der Psychoanalyse zu geben gedenke, und das letztere, weil mehrfache Motive mich davon abhalten. Ich habe es zu Eingang unserer Besprechungen betont, daß wir unter günstigen Umständen Heilerfolge erzielen, die hinter den schönsten auf dem Gebiete der internen Therapie nicht zurückstehen, und ich kann etwa noch hinzusetzen, daß dieselben durch kein anderes Verfahren erreicht worden wären. Würde ich mehr sagen, so käme ich in den Verdacht, daß ich die laut gewordenen Stimmen der Herabsetzung durch Reklame übertönen wollte. Es ist gegen die Psychoanalytiker wiederholt, auch auf öffentlichen Kongressen, von ärztlichen „Kollegen“ die Drohung ausgesprochen worden, man werde durch eine Sammlung der analytischen Mißerfolge und Schädigungen dem leidenden Publikum die Augen über den Unwert dieser Behandlungsmethode öffnen. Aber eine solche Sammlung wäre, abgesehen von dem gehässigen, denunziatorischen Charakter der Maßregel, nicht einmal geeignet, ein richtiges Urteil über die therapeutische Wirksamkeit der Analyse zu ermöglichen. Die analytische Therapie ist, wie Sie wissen, jung; es hat lange Zeit gebraucht, bis man ihre Technik feststellen konnte, und dies konnte auch nur während der Arbeit und unter dem Einfluß der zunehmenden Erfahrung geschehen. Infolge der Schwierigkeiten der Unterweisung ist der ärztliche Anfänger in der Psychoanalyse in größerem Ausmaße als ein anderer Spezialist auf seine eigene Fähigkeit zur Fortbildung angewiesen, und die Erfolge seiner ersten Jahre werden nie die Leistungsfähigkeit der analytischen Therapie beurteilen lassen.

Viele Behandlungsversuche mißlangen in der Frühzeit der Analyse, weil sie an Fällen unternommen waren, die sich überhaupt nicht für das Verfahren eignen und die wir heute durch unsere Indikationsstellung ausschließen. Aber diese Indikationen konnten auch nur durch den Versuch gewonnen werden. Von vornherein wußte man seinerzeit nicht, daß Paranoia und Dementia praecox in ausgeprägten Formen unzugänglich sind, und hatte noch das Recht, die Methode an allerlei Affektionen zu erproben. Die meisten Mißerfolge jener ersten Jahre sind aber nicht durch die Schuld des Arztes oder wegen der ungeeigneten Objektwahl, sondern durch die Ungunst der äußeren Bedingungen zustande gekommen. Wir haben nur von den inneren Widerständen gehandelt, denen des Patienten, die notwendig und überwindbar sind. Die äußeren Widerstände, die der Analyse von den Verhältnissen des Kranken, von seiner Umgebung bereitet werden, haben ein geringes theoretisches Interesse, aber die größte praktische Wichtigkeit. Die psychoanalytische Behandlung ist einem chirurgischen Eingriff gleichzusetzen und hat wie dieser den Anspruch, unter den für das Gelingen günstigsten Veranstaltungen vorgenommen zu werden. Sie wissen, welche Vorkehrungen der Chirurg dabei zu treffen pflegt: geeigneter Raum, gutes Licht, Assistenz, Ausschließung der Angehörigen usw. Nun fragen Sie sich selbst, wie viele dieser Operationen gut ausgehen würden, wenn sie im Beisein aller Familienmitglieder stattfinden müßten, die ihre Nasen in das Operationsfeld stecken und bei jedem Messerschnitt laut aufschreien würden. Bei den psychoanalytischen Behandlungen ist die Dazwischenkunft der Angehörigen geradezu eine Gefahr, und zwar eine solche, der man nicht zu begegnen weiß. Man ist gegen die inneren Widerstände des Patienten, die man als notwendig erkennt, gerüstet, aber wie soll man sich gegen jene äußeren Widerstände wehren? Den Angehörigen des Patienten kann man durch keinerlei Aufklärung beikommen, man kann sie nicht dazu bewegen, sich von der ganzen Angelegenheit fernzuhalten, und man darf nie gemeinsame Sache mit ihnen machen, weil man dann Gefahr läuft, das Vertrauen des Kranken zu verlieren, der — übrigens mit Recht — fordert, daß sein Vertrauensmann auch seine Partei nehme. Wer überhaupt weiß, von welchen Spaltungen oft eine Familie zerklüftet wird, der kann auch als Analytiker nicht von der Wahrnehmung überrascht werden, daß die dem Kranken Nächsten mitunter weniger Interesse daran verraten, daß er gesund werde, als daß er so bleibe, wie er ist. Wo, wie so häufig, die Neurose mit Konflikten zwischen Familienmitgliedern zusammenhängt, da bedenkt sich der Gesunde nicht lange bei der Wahl zwischen seinem Interesse und dem der Wiederherstellung des Kranken. Es ist ja nicht zu verwundern, wenn der Ehemann eine Behandlung nicht gerne sieht, in welcher, wie er mit Recht vermuten darf, sein Sündenregister aufgerollt werden wird; wir verwundern uns auch nicht darüber, aber wir können uns dann keinen Vorwurf machen, wenn unsere Bemühung erfolglos bleibt und vorzeitig abgebrochen wird, weil sich der Widerstand des Mannes zu dem der kranken Frau hinzuaddiert hat. Wir hatten eben etwas unternommen, was unter den bestehenden Verhältnissen undurchführbar war.

Ich will Ihnen anstatt vieler Fälle nur einen einzigen erzählen, in dem ich durch ärztliche Rücksichten zu einer leidenden Rolle verurteilt wurde. Ich nahm — vor vielen Jahren — ein junges Mädchen in analytische Behandlung, welches schon seit längerer Zeit aus Angst nicht auf die Straße gehen und zu Hause nicht allein bleiben konnte. Die Kranke rückte langsam mit dem Geständnis heraus, daß ihre Phantasie durch zufällige Beobachtungen des zärtlichen Verkehres zwischen ihrer Mutter und einem wohlhabenden Hausfreund ergriffen worden sei. Sie war aber so ungeschickt — oder so raffiniert —, der Mutter einen Wink von dem zu geben, was in den Analysenstunden besprochen wurde, indem sie ihr Benehmen gegen die Mutter änderte, darauf bestand, von keiner anderen als der Mutter gegen die Angst des Alleinseins beschützt zu werden, und ihr angstvoll die Türe vertrat, wenn sie das Haus verlassen wollte. Die Mutter war früher selbst sehr nervös gewesen, hatte aber in einer Wasserheilanstalt vor Jahren die Heilung gefunden. Setzen wir dafür ein, sie hatte in jener Anstalt die Bekanntschaft des Mannes gemacht, mit dem sie ein sie nach jeder Richtung befriedigendes Verhältnis eingehen konnte. Durch die stürmischen Anforderungen des Mädchens stutzig gemacht, verstand die Mutter plötzlich, was die Angst ihrer Tochter bedeutete. Sie ließ sich krank werden, um die Mutter zur Gefangenen zu machen und ihr die für den Verkehr mit dem Geliebten notwendige Bewegungsfreiheit zu rauben. Rasch entschlossen machte die Mutter der schädlichen Behandlung ein Ende. Das Mädchen wurde in eine Nervenheilanstalt gebracht und durch lange Jahre als „armes Opfer der Psychoanalyse“ demonstriert. Ebensolange ging mir die üble Nachrede wegen des schlechten Ausganges dieser Behandlung nach. Ich bewahrte das Schweigen, weil ich mich durch die Pflicht der ärztlichen Diskretion gebunden glaubte. Lange Zeit nachher erfuhr ich von einem Kollegen, der jene Anstalt besucht und das agoraphobische Mädchen dort gesehen hatte, daß das Verhältnis zwischen ihrer Mutter und dem vermögenden Hausfreund stadtbekannt sei und wahrscheinlich die Billigung des Gatten und Vaters habe. Diesem „Geheimnis“ war also die Behandlung geopfert worden.

In den Jahren vor dem Kriege, als der Zulauf aus vieler Herren Ländern mich von der Gunst oder Mißgunst der Vaterstadt unabhängig machte, befolgte ich die Regel, keinen Kranken in Behandlung zu nehmen, der nicht sui juris, in seinen wesentlichen Lebensbeziehungen von anderen unabhängig wäre. Das kann sich nun nicht jeder Psychoanalytiker gestatten. Vielleicht ziehen Sie aus meiner Warnung vor den Angehörigen den Schluß, man solle die Kranken zum Zwecke der Psychoanalyse aus ihren Familien nehmen, diese Therapie also auf die Insassen von Nervenheilanstalten beschränken. Allein ich könnte Ihnen hierin nicht beistimmen; es ist weit vorteilhafter, wenn die Kranken — insoferne sie nicht in einer Phase schwerer Erschöpfung sind — während der Behandlung in jenen Verhältnissen bleiben, in denen sie mit den ihnen gestellten Aufgaben zu kämpfen haben. Nur sollten die Angehörigen diesen Vorteil nicht durch ihr Benehmen wettmachen und sich überhaupt nicht der ärztlichen Bemühung feindselig widersetzen. Aber wie wollen Sie diese für uns unzugänglichen Faktoren dazu bewegen! Sie werden natürlich auch erraten, wieviel von den Aussichten einer Behandlung durch das soziale Milieu und den kulturellen Zustand einer Familie bestimmt wird.

Nicht wahr, das gibt für die Wirksamkeit der Psychoanalyse als Therapie einen trüben Prospekt, selbst wenn wir die überwiegende Mehrzahl unserer Mißerfolge durch solche Rechenschaft von den störenden äußeren Momenten aufklären können! Freunde der Analyse haben uns dann geraten, einer Sammlung von Mißerfolgen durch eine von uns entworfene Statistik der Erfolge zu begegnen. Ich bin auch darauf nicht eingegangen. Ich machte geltend, daß eine Statistik wertlos sei, wenn die aneinandergereihten Einheiten derselben zu wenig gleichartig seien, und die Fälle von neurotischer Erkrankung, die man in Behandlung genommen hatte, waren wirklich nach den verschiedensten Richtungen nicht gleichwertig. Außerdem war der Zeitraum, den man überschauen konnte, zu kurz, um die Haltbarkeit der Heilungen zu beurteilen, und von vielen Fällen konnte man überhaupt nicht Mitteilung machen. Sie betrafen Personen, die ihre Krankheit wie ihre Behandlung geheimgehalten hatten und deren Herstellung gleichfalls verheimlicht werden mußte. Die stärkste Abhaltung lag aber in der Einsicht, daß die Menschen sich in Dingen der Therapie höchst irrationell benehmen, so daß man keine Aussicht hat, durch verständige Mittel etwas bei ihnen auszurichten. Eine therapeutische Neuerung wird entweder mit rauschartiger Begeisterung aufgenommen, wie z. B. damals, als Koch sein erstes Tuberkulin gegen die Tuberkulose in die Öffentlichkeit brachte, oder mit abgrundtiefem Mißtrauen behandelt, wie die wirklich segensreiche Jennersche Impfung, die heute noch ihre unversöhnlichen Gegner hat. Gegen die Psychoanalyse lag offenbar ein Vorurteil vor. Wenn man einen schwierigen Fall hergestellt hatte, so konnte man hören: Das ist kein Beweis, der wäre auch von selbst in dieser Zeit gesund geworden. Und wenn eine Kranke, die bereits vier Zyklen von Verstimmung und Manie absolviert hatte, in einer Pause nach der Melancholie in meine Behandlung gekommen war und drei Wochen später sich wieder zu Beginn einer Manie befand, so waren alle Familienmitglieder, aber auch die zu Rate gezogene hohe ärztliche Autorität, überzeugt, daß der neuerliche Anfall nur die Folge der an ihr versuchten Analyse sein könne. Gegen Vorurteile kann man nichts tun; Sie sehen es ja jetzt wieder an den Vorurteilen, die die eine Gruppe von kriegführenden Völkern gegen die andere entwickelt hat. Das Vernünftigste ist, man wartet und überläßt sie der Zeit, welche sie abnützt. Eines Tages denken dieselben Menschen über dieselben Dinge ganz anders als bisher; warum sie nicht schon früher so gedacht haben, bleibt ein dunkles Geheimnis.

Möglicherweise ist das Vorurteil gegen die analytische Therapie schon jetzt in Abnahme begriffen. Die stete Ausbreitung der analytischen Lehren, die Zunahme analytisch behandelnder Ärzte in manchen Ländern scheint es zu verbürgen. Als ich ein junger Arzt war, geriet ich in einen ebensolchen Entrüstungssturm der Ärzte gegen die hypnotische Suggestivbehandlung, die heute von den „Nüchternen“ der Psychoanalyse entgegengehalten wird. Der Hypnotismus hat aber als therapeutisches Agens nicht gehalten, was er anfangs versprach; wir Psychoanalytiker dürfen uns für seine rechtmäßigen Erben ausgeben und vergessen nicht, wie viel Aufmunterung und theoretische Aufklärung wir ihm verdanken. Die der Psychoanalyse nachgesagten Schädigungen schränken sich im wesentlichen auf vorübergehende Erscheinungen von Konfliktsteigerung ein, wenn die Analyse ungeschickt gemacht oder wenn sie mittendrin abgebrochen wird. Sie haben ja Rechenschaft darüber gehört, was wir mit den Kranken anstellen, und können sich ein eigenes Urteil darüber bilden, ob unsere Bemühungen geeignet sind, zu einer dauernden Schädigung zu führen. Mißbrauch der Analyse ist nach verschiedenen Richtungen möglich; zumal die Übertragung ist ein gefährliches Mittel in den Händen eines nicht gewissenhaften Arztes. Aber vor Mißbrauch ist kein ärztliches Mittel oder Verfahren geschützt; wenn ein Messer nicht schneidet, kann es auch nicht zur Heilung dienen.

Ich bin nun zu Ende, meine Damen und Herren. Es ist mehr als die gebräuchliche Redensart, wenn ich bekenne, daß die vielen Mängel der Vorträge, die ich Ihnen gehalten habe, mich selbst empfindlich bedrücken. Vor allem tut es mir leid, daß ich so oft versprochen habe, auf ein kurz berührtes Thema an anderer Stelle wieder zurückzukommen, und dann hat der Zusammenhang es nicht ergeben, daß ich mein Versprechen halten konnte. Ich habe es unternommen, Ihnen von einer noch unfertigen, in Entwicklung begriffenen Sache Bericht zu geben, und meine kürzende Zusammenfassung ist dann selbst eine unvollkommene geworden. An manchen Stellen habe ich das Material für eine Schlußfolgerung bereitgelegt und diese dann nicht selbst gezogen. Aber ich konnte es nicht beanspruchen, Sie zu Sachkundigen zu machen; ich wollte Ihnen nur Aufklärung und Anregung bringen.