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Abteilung I.
 
Über die verschiedenen Arten der Philosophie.

 

     Selbst wenn keine andere Frucht aus diesen Studien reifte, als die Befriedigung einer unschuldigen Wissbegierde, so wäre auch dies nicht zu verachten; denn sie vermehrt jene wenigen heilsamen und harmlosen Freuden, welche dem Menschengeschlecht zugeteilt sind. Der sanfteste und unschädlichste Gang dieses Lebens führt durch die Pfade der Wissenschaft und Erkenntnis; Jeder, der ein Hindernis von diesen Pfaden wegräumt oder eine neue Aussicht eröffnet, muss als ein Wohltäter der Menschen gelten. Diese Untersuchungen mögen peinlich und ermüdend sein; aber es verhält sich hier mit der Seele, wie mit dem Körper; sind sie mit Kraft und üppiger Gesundheit ausgerüstet, so verlangen sie nach anstrengenden Übungen und finden ihr Vergnügen in dem, was den meisten Menschen schwer und mühevoll erscheint. Die Dunkelheit ist für den Geist so schmerzlich wie für das Auge; Licht aus der Dunkelheit zu entnehmen, sei diese Arbeit auch noch so schwer, muss notwendig erfreulich und ergötzend sein.

     Man hat indes diese Dunkelheit der tiefern und eindringenderen Philosophie nicht bloß als peinlich und ermüdend getadelt, sondern auch als eine Quelle unvermeidlichen Schwankens und Irrtums dargestellt. Dies ist allerdings der gerechteste und annehmbarste Vorwurf gegen einen großen Teil der metaphysischen Untersuchungen; man sagt, sie seien keine wahre Wissenschaft, sondern nur das Ergebnis nutzloser Anstrengungen menschlicher Eitelkeit, welche in Gegenstände eindringen will, die entweder dem Verstand unzugänglich oder das Werk eines listigen Aberglaubens sind, welcher auf ebenem Boden sich nicht verteidigen kann, und deshalb in dieses verworrene Gestrüpp sich verkriecht, um seine Blöße zu decken und zu schützen. Verjagt vom freien Felde, fliehen diese Räuber in den Wald und liegen auf der Lauer, um durch jeden unbewachten Zugang in den Geist einzubrechen und ihn durch religiöse Furcht und Vorurteile zu überwältigen. Der stärkste Gegner wird besiegt, wenn er einen Augenblick in seiner Wachsamkeit nachlässt, und Viele öffnen aus Feigheit und Torheit den Feinden die Tore und empfangen sie freiwillig mit Ehrfurcht und Unterwürfigkeit als ihre legitimen Herrscher.

     Ist dies indes ein hinreichender Grund für den Philosophen, um von solchen Untersuchungen abzustehen und den Aberglauben in den Besitz seiner Schlupfwinkel zu lassen? Folgt daraus nicht umgekehrt die Notwendigkeit, dass man den Kampf in die geheimsten Schlupfwinkel des Feindes übertragen muss? Vergeblich ist die Hoffnung, dass der Mensch durch häufige Täuschungen endlich zum Verlassen dieser luftigen Forschungen bestimmt werden und das wahre Reich der menschlichen Vernunft entdecken werde. Viele sind bei der steten Wiederaufnahme solcher Forschungen sichtlich interessiert, und blinde Verzweiflung darf vernünftiger Weise in den Wissenschaften nie Platz greifen; da trotz der Erfolglosigkeit früherer Versuche immer Raum für die Hoffnung bleibt, dass die Anstrengung, das gute Glück und der gesteigerte Scharfblick der folgenden Generationen zu Entdeckungen gelangen werde, die der Vorzeit unerreichbar waren. Jeder kühne Geist wird den schwierigen Preis zu gewinnen suchen, und die Fehlschläge seiner Vorgänger werden ihn eher reizen als entmutigen; er hofft, dass ihm allein der Ruhm aufbewahrt sei, eine so schwere Aufgabe zu lösen. Das einzige Mittel, um die Wissenschaft mit einem Male von diesen nutzlosen Versuchen zu befreien, ist die Natur des menschlichen Verstandes streng zu untersuchen, und durch eine genaue Erforschung seiner Kräfte und Fähigkeiten zu zeigen, dass er für solche entlegene und verborgene Gegenstände durchaus nicht geeignet ist. Man muss sich dieser Arbeit unterziehen, um nachher in Ruhe zu leben, und man muss die wahre Metaphysik mit Sorgfalt treiben, um die unwahre und verfälschte zu zerstören. Die Trägheit, welche Manchen vor dieser trügerischen Philosophie bewahrt, wird samt Anderem durch die Wissbegierde überwogen; und die Verzweiflung, die zu manchen Zeiten hervorbricht, weicht später übertriebenen Hoffnungen und Erwartungen. Genaue und richtige Untersuchungen sind hier die einzigen und allgemein gültigen Heilmittel für Jedermann und jede Frage; sie allein können jene unverständliche Sprache aus der Philosophie und Metaphysik entfernen, welche sie, in Verbindung mit dem Aberglauben, für unbefangene Forscher undurchdringlich macht und ihr den Schein von Wissenschaft und Weisheit verleiht.

     


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