Abteilung IV.
Skeptische Zweifel in Betreff der Thätigkeiten des Verstandes.
Abschnitt II.
Alle Begründungen zerfallen in zwei Arten, nämlich 1) in beweisende, d.h. in solche, welche sich auf Begriffe und moralische Gründe stützen, und 2) in Begründungen von Tatsachen und Dasein. Dass hier keine Beweise bestehen, scheint offenbar; denn es ist kein Widerspruch, dass der Naturlauf wechselt, und dass ein Ding, welches anscheinend einem früher wahrgenommenen gleicht, mit anderen oder entgegengesetzten Wirkungen verbunden ist. Kann ich mir nicht klar und deutlich vorstellen, dass ein Ding, was aus den Wolken fällt und überall sonst dem Schnee gleicht, doch wie Salz schmeckt und wie Feuer brennt? Ist etwas verständlicher als die Behauptung, dass alle Bäume im Dezember und Januar blühen und im Mai und Juni kahl werden? Nun enthält aber das, was man verstehen und deutlich vorstellen kann, keinen Widerspruch und kann niemals a priori durch einen Beweis oder eine begriffliche Folgerung widerlegt werden.
Wenn daher uns Gründe veranlassen, früheren Erfahrungen zu vertrauen und sie zum Maasstab unseres Urteils über Vergangenes und Kommendes zu nehmen, so können diese Gründe nur Wahrscheinlichkeit haben, oder sich nach der obigen Einteilung nur auf Tatsachen und wirkliches Dasein beziehen. Aber auch ein Grund dieser Art kann hier nicht bestehen, wenn meine Erklärung über diese Art der Begründung als zuverlässig und genügend erscheint. Es ist bereits dargelegt worden, dass alle Gründe in Betreff der Existenz sich auf die Beziehung von Ursache und Wirkung stützen; dass unsere Kenntnis von dieser Beziehung sich lediglich aus der Erfahrung ableitet, und dass alle unsere Erfahrungsschlüsse von der Voraussetzung ausgehen, dass das Kommende dem Vergangenen gleichen werde. Ein Beweis des letzten Satzes, der sich auf die Wahrscheinlichkeit und Existenz-Gründe stützt, dreht sich daher offenbar im Zirkel und nimmt das für zugestanden an, was den Kern der Frage bildet. Alle Erfahrungsbeweise gründen sich in Wahrheit auf die Ähnlichkeit, welche man zwischen verschiedenen Gegenständen bemerkt, und welche ähnliche Wirkungen wie die erwarten lässt, welche man früher als Folge von solchen Gegenständen bemerkt hat. Obgleich nun nur ein Narr oder ein Wahnsinniger das Ansehen der Erfahrung in Zweifel ziehen oder diesen großen Führer durch das menschliche Leben von sich weisen wird, so wird man doch einem Philosophen die Frage nach dem Prinzip gestatten, welches der Erfahrung dieses mächtige Ansehen gibt und Nutzen aus der Ähnlichkeit ziehen lässt, welche die Natur zwischen mehreren Gegenständen stattfinden lässt. Von ähnlichen Ursachen erwartet man ähnliche Wirkungen. Darauf laufen alle Erfahrungsbeweise hinaus. Stützte sich nun dieser Schluss auf die Vernunft, so müsste er bei dem ersten Male und für einen Fall ebenso vollkommen gelten, als nach einer langen Reihe von Einzelfällen; aber dies ist durchaus nicht so. Nichts gleicht sich so wie Eier; aber Niemand erwartet wegen dieser anscheinenden Ähnlichkeit denselben Wohlgeschmack bei allen. Nur nach einer langen Reihe gleichförmiger Vorgänge irgend einer Art erreichen wir in Beziehung auf einen bestimmten Fall Gewissheit und Vertrauen. Wo ist nun das Verfahren der Vernunft, welches von einem Fall einen ganz anderen Schluss zieht als von hundert Fällen, die in keiner Weise von jenem Einzelnen unterschieden sind. Ich stelle diese Frage nicht bloß der Belehrung wegen, sondern auch der Schwierigkeit wegen. Solch ein Verfahren der Vernunft kann ich nicht finden, noch mir vorstellen. Aber mein Ohr steht jeder Belehrung offen, die mir Jemand zu geben vermag.