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Abteilung IV.
 
Skeptische Zweifel in Betreff der Thätigkeiten des Verstandes.
Abschnitt II.

 

     Sagt man, dass wir aus der Anzahl gleicher Fälle auf eine Verknüpfung der sinnlichen Eigenschaften mit geheimen Kräften schließen, so scheint mir dies dieselbe Schwierigkeit zu sein, nur in andere Worte gehüllt. Immer kehrt die Frage nach den Beweisen wieder, auf die sich dieser Schluss gründet. Wo ist das Mittelglied, der zwischenliegende Gedanke, welcher so weit getrennte Sätze verbindet? Man gibt zu, dass die Farbe, die Masse und die übrigen sinnlichen Eigenschaften des Brotes nicht von selbst eine Verknüpfung mit den verborgenen Kräften der Ernährung und Erhaltung haben; denn sonst könnte man diese Kräfte aus der ersten Erscheinung der sinnlichen Eigenschaften abnehmen; man brauchte keine Erfahrung, was gegen die Ansicht aller Philosophen und gegen die klaren Tatsachen streiten würde. Hier ist also der Ort der natürlichen Unwissenheit rücksichtlich der Kräfte und Wirkungen aller Dinge. Wie hilft die Erfahrung ihr ab? Sie zeigt uns bloß eine Anzahl gleichförmiger Wirkungen von gleichen Dingen und lehrt uns, dass diese einzelnen Dinge in diesen einzelnen Fällen mit solcher Kraft ausgerüstet waren. Kommt ein neues Ding, mit gleichen sinnlichen Eigenschaften, so erwartet man die gleiche Kraft und gleiche Wirkung. Von einem Körper gleicher Farbe und Bestandteile wie Brod erwartet man gleiche Ernährung und Erhaltung. Ein solcher Schritt, ein solches Verfahren der Seele bedarf aber sicherlich der Erklärung. Wenn Jemand sagt: Ich habe in allen früheren Fällen solche sinnliche Eigenschaften mit solchen verborgenen Kräften verbunden gefunden, und wenn Jemand sagt: Gleiche sinnliche Eigenschaften werden immer mit gleichen verborgenen Kräften verbunden sein, so sagt er nicht dasselbe, und beide Sätze sind nicht identisch. Man erwidert: Der eine ist von dem andern abgeleitet; aber man muss entgegnen, dass diese Ableitung nicht wahrgenommen und nicht bewiesen werden kann. Welcher Art ist sie also? Nennt man sie Erfahrung, so ist dies keine Lösung. Denn alle Erfahrungsbeweise ruhen auf der Grundlage, dass das Kommende dem Vergangenen gleichen werde, und dass gleiche Kräfte mit gleichen sinnlichen Eigenschaften verbunden sein werden. Entsteht ein Verdacht, dass der Lauf der Natur sich ändern, und dass das Vergangene keine Regel für das Kommende sein werde, so wird alle Erfahrung nutzlos und dient zu keiner Folgerung oder Ableitung. Keine Erfahrung kann deshalb diese Gleichheit zwischen Kommendem und Vergangenem beweisen; denn alle Gründe stützen sich auf die Annahme dieser Gleichheit. Wenn auch der Lauf der Dinge bisher noch so regelmäßig gewesen ist, so beweist dies für sich allein und ohne einen besonderen Grund nicht, dass dies auch in Zukunft so sein werde. Man irrt, wenn man meint, die Natur der Dinge aus vergangenen Fällen erkannt zu haben. Ihre verborgene Natur und folglich alle ihre Wirkungen können sich ändern, ohne dass ihre sinnlichen Eigenschaften wechseln. In einzelnen Fällen und bei einzelnen Dingen geschieht dies; weshalb kann es nicht immer und für Alles geschehen? Welche Logik, welcher Beweis spricht gegen diese Annahme? Man sagt: Die Praxis widerlegt die Zweifel. Aber dies trifft nicht den Sinn der Frage. Als Handelnder bin ich in diesem Punkt ganz zufriedengestellt; aber als Philosoph mit etwas Wissbegierde, wo nicht Zweifelsucht, verlange ich nach dem Grunde dieser Ableitung. Kein Buch, kein Nachdenken hat bis jetzt die Schwierigkeit heben oder mich in einem so wichtigen Punkte zufriedenstellen können. Was kann ich Besseres tun, als die Frage dem Publikum vorlegen, obgleich ich wenig Hoffnung habe, sie gelöst zu bekommen. Wir werden auf diese Weise wenigstens unserer Unwissenheit inne, wenn wir auch unser Wissen nicht vermehren.

     Es ist gewiss eine unverzeihliche Anmaßung, zu behaupten, dass kein Grund bestehe, weil man bis jetzt keinen gefunden habe. Ebenso voreilig würde es sein, deshalb, weil alle Forscher in verschiedenen Zeiten vergeblich danach gesucht haben, zu folgern, dass der Gegenstand alle menschliche Fassungskraft übersteige. Selbst wenn man alle Quellen unseres Wissens untersucht und sie für diesen Gegenstand ungeeignet findet, so bleibt doch das Bedenken, ob die Aufzählung vollständig, oder ob die Untersuchung erschöpfend gewesen. In Beziehung auf die vorliegende Frage bieten sich indes einige Erwägungen, welche diesen Vorwurf der Anmaßung und den Zweifel, ob man sich nicht irre, wohl beseitigen.

     Es ist Tatsache, dass die unwissendsten und dümmsten Bauern, ja die Kinder, ja selbst die unvernünftigen Tiere durch Erfahrung klüger werden und die Eigenschaften der natürlichen Dinge durch Beobachtung ihrer Wirkungen kennen lernen. Wenn ein Kind den Schmerz aus der Berührung eines brennenden Lichtes gefühlt hat, so wird es sorgfältig seine Hände von der Flamme fern halten, denn es erwartet die gleiche Wirkung von einer Ursache mit gleichen Eigenschaften und Äußerem. Meint man, dass der Verstand des Kindes auf diesen Schluss durch einen Beweis oder eine Tätigkeit der Vernunft geführt werde, so bitte ich, mir diesen Beweis darzulegen; eine so billige Frage wird man nicht abweisen können. Man darf nicht einwenden, dass der Gegenstand schwierig sei und sich der Nachforschung entziehe, wenn man anerkennt, dass die Fähigkeit eines Kindes dafür hinreicht. Wenn man daher zaudert und sich besinnt und dann eine verwickelte oder dunkele Auseinandersetzung beibringt, so gibt man die Sache verloren und erkennt an, dass kein Grund uns bestimmt, um anzunehmen, dass das Vergangene dem Kommenden gleichen werde, und dass gleiche Wirkungen aus äußerlich gleichen Ursachen hervorgehen werden. Dies ist der Satz, den ich in diesem Abschnitt habe hervorheben wollen. Habe ich Recht, so will ich damit nicht behaupten, etwas Grosses entdeckt zu haben; habe ich Unrecht, so muss ich mich selbst für einen sehr ungelehrigen Schüler halten, weil ich einen Grund nicht finden kann, der mir doch schon ganz geläufig war, noch ehe ich die Wiege verließ.

 


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