Ehre
Ehre ist die Anerkennung unserer wirklichen oder vermeintlichen Vorzüge durch andere (existimatio). Da die Ehre eine Voraussetzung gedeihlicher Wirksamkeit des Menschen ist, so tut der Mensch nicht Unrecht, nach Ehre zustreben, soweit er dadurch nicht höhere Pflichten versäumt. Es ist aber dabei zwischen äußerer und innerer Ehre zu unterscheiden. Leicht kann man durch das einseitige Trachten nach äußeren Ehren (Titel, Orden, Würden u. dgl.), die vor der Menge gelten, die Selbstachtung und die Achtung der Urteilsfähigen (honor, dignitas) einbüßen. Das wahre Ehrgefühl jagt daher nicht nach äußeren Ehrenzeichen, sondern begehrt nur nach dem, was wirklich ein Lob oder eine Tugend ist, und tröstet sich, falls es nicht anerkannt wird, mit dem Beifall seines Gewissens. Kann man nicht äußere und innere Ehre zugleich erlangen, so wird der bessere Mensch nur nach der inneren oder moralischen Ehre, nach der auf Selbstachtung gegründeten sittlichen Würde trachten. Auch zwischen der allgemein menschlichen und der bürgerlichen Ehre ist zu scheiden. Jene ist die dem Menschen als solchem zukommende Würde und Achtung, die nach den Grundsätzen der Moral von ihm sowohl beobachtet als auch beansprucht werden kann; diese ist die Achtung, die ihm als Rechtssubjekt gebührt, sei es überhaupt, sei es als Mitglied eines Standes (Familien-, Berufs-, Standes-, Nationalehre). Auch sie ist ein Gut, dessen Verletzung niemand dulden soll. Unter den Idealen des Lebens nennt von den deutschen Dichtern die Ehre zuerst Walther von der Vogelweide neben Reichtum und göttlicher Huld (diu zwei sint ere und varnde guot, daz dicke einander schaden tuot; daz dritte ist gotes hulde, der zweier übergulde. Lachmann 8, 14-17). Schopenhauer (1788-1860) widmet in den Aphorismen zur Lebensweisheit Kap. IV (Von dem, was einer vorstellt, Parerga u. Paralip. S. 382) dem Begriff der Ehre einen Abschnitt. Er definiert: Ehre ist objektiv die Meinung anderer von unserm Wert und subjektiv unsere Furcht vor dieser Meinung. Vgl. Schande.