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Empirismus

Empirismus (nlt.-franz., von gr. empeiria = Erfahrung) heißt diejenige methodische Richtung in der Philosophie, für welche die Erfahrung die Quelle alles Wissens ist. Nach der Auffassung des Empirismus ist die Beobachtung und das Experiment der Ausgangspunkt der Wissenschaft, von dem wir durch Zusammenfassung zu allgemeineren Sätzen und höheren Prinzipien aufsteigen. Der Vernunft weist der Empirismus nicht den Ursprung, sondern nur die Formung, Ordnung und Gestaltung unseres Wissens zu. Der Empirismus ist die eigentliche neuere philosophische Methode. England ist seine Heimat. Seine ersten Vertreter sind Bacon (1561-1626) und Locke (1632 bis 1704). Er ist jetzt die philosophische Methode der meisten Vertreter der Naturwissenschaft geworden, und auch der größere Teil der neueren Philosophen hat sich ihm angeschlossen. In der Gestalt, die ihm Locke gegeben hat, scheidet er die äußere und innere Erfahrung, Sensation und Reflexion. In einseitigerer Form, die im Altertum schon durch Epikur, in der Neuzeit durch Gassendi, Hobbes, Hume, Condillac, Bonnet usw. vertreten wird, erkennt er nur die Sinnestätigkeit als letzte Erkenntnisquelle an, so daß er jeden psychischen Vorgang als umgebildete Sinnesempfindung ansieht. Er nennt sich in dieser Form Sensualismus. In seiner reicheren Entfaltung und Ausgestaltung als kritischer Empirismus gründet er sich aber auf die Doppelquelle der Erfahrung und übersieht auch nicht, daß Erfahrung nicht nur das Ergebnis der Wahrnehmung, sondern auch der gesamten geistigen Tätigkeit des Menschen ist. Auch führt die Erkenntnis, welche Rolle die geistige Arbeit beim Zustandekommen der Erfahrung spielt, dazu, im Gegensatz zu den englischen Begründern des Empirismus, der Vernunft und ihren apperzeptiven Verbindungen eine viel aktivere, wenn auch nicht schöpferische Leistung zuzuschreiben, die uns das Weltbild als ein den Gesetzen des Bewußtseins unterworfenes menschliches Wissen erkennen läßt, uns vor platter materialistischer Weltanschauung, wie sie gewöhnlich die Folge des Sensualismus gewesen ist, bewahrt, und uns gestattet, hypothetisch den Erfahrungskreis in zusammenfassenden Ideen zu überschreiten und mit metaphysischen Gedanken abzuschließen. In dieser höher entwickelten Form ist der philosophische Empirismus die fruchtbare Methode der jetzigen Philosophie geworden, während kein Zweifel darüber herrschen kann, daß die Bahnen der entgegengesetzten Richtung, des Rationalismus, heutzutage verödet daliegen. – Neuerlich hat Rich. Avenarius (1843-96) ein System reiner Erfahrung aufgestellt, welches er „Empiriokritizismus“ nannte. Die Empfindung ist ihm das einzige objektiv Gegebene, das Element, von dem der Inhalt und die Form des Seins abhängt. Er unterscheidet subjektive und objektive Erfahrung, das Erfahren als Charakter und als Inhalt. Aller Aussageinhalt des Menschen (die sogenannten E-Werte) ist vom Zentralnervensystem (C), von den Umgebungsbestandteilen oder Reizen (R) und von den Wirkungen des Stoffwechsels (S) abhängig. Die Schwankungen und die Selbstbehauptung des System C bestimmen das Leben des Individuums. Es ist Aufgabe der Kritik der reinen Erfahrung aus der naiven Erfahrung durch Ausschaltung aller individuellen, logisch unhaltbaren Zwecke die reine Erfahrung herzustellen. – Ein roher Empiriker ist derjenige, welcher sich auf die Praxis beschränkt, ohne auf wissenschaftliche Theorien Rücksicht zu nehmen. – Empirém heißt ein Lehrsatz, dessen Wahrheit einzig auf Erfahrung beruht. – Empirische Wissenschaften sind die, welche vorzugsweise auf Beobachtung und Sammlung des Tatsächlichen angewiesen sind, z.B. Geschichte, Naturforschung, Medizin. Vgl. [a posteriori](a posteriori), Sensualismus. Apelt, Theorie der Induktion. Leipzig 1854. Fr. Paulson, Versuch e. Entwicklungsgeschichte der Kritischen Erkenntnistheorie. Leipzig 1875. Vorländer, Geschichte der Philosophie, 2 Bde. Leipzig 1903.