Unterschied des Lebenden und Leblosen
Eh' ich jedoch nun beginne, hierüber Orakel zu spenden,
Die viel sichrer begründet und heiliger sind als die Sprüche,
Welche die Pythia spricht von Apollos Dreifuß und Lorbeer,
Will ich dir menschlichen Trost aus dem Munde der Wissenschaft bieten,
Daß du nicht etwa geschreckt durch religiöse Bedenken
Wähnest, Himmel und Erde und Meer, Mond, Sonne und Sterne
Müßten als göttliche Körper deswegen in Ewigkeit dauern,
Und du nicht meinest, es müßten nun alle nach Art der Giganten
Schreckliche Strafen erleiden für unausdenkbaren Frevel,
Welche mit ihrer Vernunft die Weltenmauern zu stürzen
Und an dem Himmel versuchten die leuchtende Sonne zu löschen.
Sie, die mit sterblichem Munde Unsterbliches wagten zu schwärzen!
Sind doch Körper wie diese so ferne von göttlichem Wesen
Und verdienen so wenig zum Kreise der Götter zu zählen,
Daß sie vielmehr den Begriff von Stoffen uns können vermitteln,
Welche der Lebensregung und Sinnesempfindung entbehren.
Denn es ist ganz unmöglich zu glauben, daß geistiges Wesen
Oder Vernunft sich verbinde mit jedem beliebigen Stoffe:
Wie in dem Äther kein Baum, kein Gewölk in der salzigen Meerflut
Sein kann, wie auf den Feldern kein Fisch sein Leben mag fristen,
Wie kein Blut aus dem Holz, kein Saft aus dem Steine kann fließen,
Sondern für jedes der Ort ist bestimmt, wo es wachsen und sein darf.