Zum Hauptinhalt springen

Assoziation und Sprache

Das Urphänomen ist also das der Wortbildung. Wir vergleichen zwei Vorstellungen und üben uns für die ähnlichen Lautzeichen ein. Die Verbindung tritt uns hier oft als eine Art Nachbarschaft (in Raum oder Zeit) entgegen, und das, was vergleicht, ist unser Gedächtnis, das uns sonst als die letzte Wirklichkeit des mythischen Bewußtseins erschien, hier aber sofort selbst wieder mythologisches Gewand annimmt. Man kann sagen: Bewußtseinselemente (Vorstellungen, Worte) kommen einander nahe, wenn sie einander nahe waren.

So zerfließt jeder Begriff bei der Berührung, und wenn hinter dem Gedächtnis das Ich sich nun zu Worte melden will, so lassen wir uns nicht mehr täuschen. Wir kennen kein dauerndes Ich, wir kennen nur Momente des Lebensdranges und das Gedächtnis jedes einzelnen Moments. Und wie dieser Wille in uns (der Mythus Wille ist natürlich nicht besser als ein anderer) aus dem gewaltigen Gesichtsfeld seiner Netzhaut einen Punkt vor den benachbarten auswählt, weil er sein Interesse gereizt hat, und ihn auf die Stelle des deutlichsten Sehens einstellt, so wählt er unter den Worten, die die Gedankenassoziation mit kupplerischer Gefälligkeit darbietet, nach seiner Neigung eine aus und wirft ihr das Taschentuch zu. So entscheidet auch hier unser Leben über unser Sprechen und Denken, und nicht umgekehrt.

Es ist eine oft beobachtete Tatsache, daß von zwei Vorstellungen oder Anschauungen, Begriffen oder Worten, die miteinander assoziiert sind, das erste für das zweite nicht immer ebenso zugkräftig, nicht ebenso leitungsfähig ist, wie das zweite für das erste. Das könnte anfangs überraschen. Denn sonst ist ja die Entfernung von A nach B nicht größer oder kleiner als die von B nach A.

Schon der Vergleich aber mit der Anziehung zweier Körper hätte die Überraschung mildern können. Die Anziehungskräfte zwischen Erde und Mond haben ihre Gesetze, darum ist die Zugkraft des Mondes nicht gleich der Zugkraft der Erde.