Phraseologie der Dreisinnigen
Die starke Wahrscheinlichkeit, daß sie mit Vergnügen Worte ohne Sinn gebrauchte, ist nun schon bei ihren Lebzeiten ausgesprochen worden und zwar von dem amerikanischen sinnigen Psychologen Stanley Hall, der sie in ihrem fünfzigsten Lebensjahre wissenschaftlich beobachtete. Es ist öfter hervorgehoben worden, daß Laura die Farben der meisten Blumen, die Farben des Himmels, des Grases, des Blutes anzugeben wußte. (Daß sie die Farben ihrer eigenen Kleider kannte, gehört nicht hierher.) Stanley Hall meint nun, alle diese Farbenbezeichnungen seien ganz konventionell und sprachlich, ein bloßes Wortwissen. "Sie hat sich niemals einen Begriff davon gemacht, womit Farbe Ähnlichkeit habe, wie so viele Blinde tun. In ihrem Geiste ist Farbe nie mit einer anderen Sinnesempfindung identifiziert oder in Analogie gebracht worden."
Offenbar machte ihr das Bilden von Sätzen, wie "Himmel ist blau, Gras ist grün," ein rechtes Vergnügen, wie es spielenden Kindern ein Vergnügen ist, wenn sie sinnlose Abzählverse anwenden gelernt haben, wie es ehrgeizigen Kindern in der Schule ein Vergnügen ist, völlig unverstandene Sätze aus der Glaubenslehre richtig nachzusagen. Einen hübschen Beleg dafür, wie das Sprechenlernen ihr Freude machte, ohne daß es sie im Denken oder im Verkehre förderte, gibt das folgende. Sie war im achten Jahre aus ihrer Halbtierheit heraus nach Boston in die Anstalt gebracht worden. Als sie nun zwei Jahre später mit ihrer Lehrerin ihr elterliches Haus aufsuchte, erinnerte sie sich der Räume und Gegenstände sehr wohl und ließ sich von der Lehrerin alle diese Erinnerungen nachträglich benennen.