Materie
Die Materie, aus der die Welt gestaltet ist, fällt bei Platon so ziemlich mit dem leeren Raum zusammen. Sie wird von Platon mit dem Stoffe (hylê), den die Handwerker gestalten, verglichen. Sie ist gestaltlos (amorphon), ohne Qualitäten, aber gestaltbar, formempfänglich (dexamenê, pandeches, ekmageion), in ihr entstehen die Körper (en hô gignetai; Tim. 50 C, D, 51 A). Sie ist der Schoß und die Statte des Werdens (pasês einai geneseôs hypodochên auto, hoion tithênên, Tim. 49 A; hedran de parechon hosa echei genesin pasin). Sie ist ein Drittes (triton genos) neben den Ideen und den Dingen, ein relativ Nichtseiendes (mê on, Tim. 48 E), weil Unbestimmtes, nur Bestimmbares, eine Art Raum (genos tês chôras, Tim. 52 A). Die Materie ist sinnlich nicht wahrnehmbar, aber auch nicht Gegenstand eines positiven Begriffes, sondern nur durch einen »unechten Schluß« (logismô tini nothô, mogis piston, Tim. 52 A f.) erfaßbar. Die vier Grundformen der Materie (Elemente, stoicheia) sind Feuer, Luft, Wasser und Erde; sie können sich ineinander umwandeln (mit Ausnahme der Erde, Tim. 54 E), auch stehen sie in bestimmten Proportionen zueinander. Sie bestehen aus regelmäßigen Körpern, die aus kleinen rechtwinkligen Dreiecken (gleichsam geometrischen Atomen) bestehen (Tim. 53 C). Die Erde ruht im Mittelpunkt der Welt, um eine Spille sich windend, um welche sich das Firmament und die Planeten bewegen. Was das Geschehen in der Welt betrifft, so faßt Platon die Materie als dasjenige auf, was der Zweckmäßigkeit und Ordnung des Geschehens Hemmungen bereitet. Die ersten Ursachen (aitiai prôtai) sind die zweckmäßig gestaltenden Ideen; sekundäre oder Mit-Ursachen (aitiai deuterai, xynaitiai) sind die blinden, mechanischen Einwirkungen des Materiellen als solchen (Tim. 46 C f., 69 A; Phaed. 79 B f.). Dass alles Geschehen eine Ursache hat, betont Platon ausdrücklich ( anankaion einai panta ta gignomena dia tina aitian gignesthai, Phileb. 76 E).