21. Erläuterung der sophistischen Kunst des Scheins durch die nachahmende Darstellung
Fremder: Im Besitze einer scheinbaren Erkenntnis also von allen Dingen, nicht aber der Wahrheit zeigt sich uns der Sophist.
Theaitetos: [233d] Auf alle Weise, und das jetzt von ihm Gesagte scheint unter allem das Richtigste zu sein.
Fremder: Laß uns nur ein noch anschaulicheres Beispiel hierzu vorzeichnen!
Theaitetos: Was für eines?
Fremder: Dieses: Suche aber ja, wohl achtzugeben und zu antworten!
Theaitetos: Was nur?
Fremder: Wenn jemand weder das Sprechen noch das Widersprechen behauptet zu verstehen, wohl aber durch eine Kunst alle Dinge insgesamt zu machen und hervorzubringen.
Theaitetos: Wie meinst du »alle«? [e]
Fremder: Also gleich den Anfang des Gesagten verstehst du uns nicht. Wie es scheint nämlich, weißt du nicht das »alle insgesamt«?
Theaitetos: Freilich nicht.
Fremder: Ich meine eben dich und mich unter dem »alle insgesamt«, und außer uns noch alle Tiere und Pflanzen.
Theaitetos: Wie meinst du das?
Fremder: Wenn jemand dich und mich und alles, was lebt und wächst, machen zu wollen behauptete.
Theaitetos: [234a] Was für ein Machen soll das doch sein? Du meinst doch wohl nicht die Landleute irgend, denn du sagtest ja, jener brächte auch die Tiere hervor.
Fremder: Das sage ich, und dazu noch Meer und Erde und Himmel und Götter und alles insgesamt. Und wenn er in der Geschwindigkeit dies alles verfertigt hat, gibt er es für ein geringes Geld weg.
Theaitetos: Du meinst irgend einen Scherz.
Fremder: Und wie? Wenn einer sagt er wisse alles und wolle dies auch andern um ein weniges in weniger Zeit lehren, soll man das nicht für Scherz halten?
Theaitetos: Freilich wohl.
Fremder: [b] Und kennst du vom Scherz eine kunstreichere und anmutigere Art als die nachahmende?
Theaitetos: Keineswegs. Denn gar vieles hast du hiermit ausgesprochen, alles zusammenfassend in eine und wohl die reichhaltigste Gattung.